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Ligue 1: So kündigt Außenseiter OSC Lille Paris Saint-Germains Meisterabo


Wie OSC Lille PSG stürzt und Bundesliga-Fans neidisch macht

  • Dominik Sliskovic
Von Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 15.05.2021Lesedauer: 6 Min.
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Ex-Bayern-Talent Renato Sanches macht PSG-Superstar im Zweikampf das Leben schwer (v.l.)Vergrößern des Bildes
Ex-Bayern-Talent Renato Sanches macht PSG-Superstar im Zweikampf das Leben schwer (v.l.) (Quelle: HMB-Media/imago-images-bilder)

Bundesliga-Schale? In festen Händen. Premier-League-Titel? Geht an den Branchenkrösus. In Frankreich? In der dortigen Ligue 1 schickt sich Außenseiter OSC Lille mit einem Alt-Star und einem Ex-Bayern-Talent an, den Riesen PSG zu stürzen.

Wieder einmal war es der alte Mann, – den sie "König" nennen – der zum Matchwinner avancierte. Mit zwei Toren beim 3:0-Erfolg im "Derby du Nord" gegen Aufsteiger und Europapokalaspirant RC Lens brachte der 35-jährige Burak Yilmaz den OSC Lille ein weiteres Stück näher an den Meisterschaftstitel in der französischen Ligue 1. Den entscheidenden letzten Schritt könnte das Team von Trainer Christophe Galtier bereits am kommenden Sonntag (16. Mai, ab 18 Uhr) gehen: Lässt Titelverteidiger Paris Saint-Germain (aktuell 76 Punkte) nach dem 1:1 am vergangenen Sonntag gegen Stade Rennes auch gegen Stade Reims Punkte liegen, ist Lille (79 Punkte) der vierte Meistertitel der Vereinsgeschichte nicht mehr zu nehmen.

Für die "Doggen", wie die Nordfranzosen aufgrund ihres Wappentieres genannt werden, wäre es die Krönung einer herausragenden wie turbulenten Saison. Nur drei Niederlagen und 22 Gegentore kassierte Lille in den bisherigen 36 Partien, eine konstante Schwächephase gab es nicht. Auch deshalb ist das Team aus der 230.000-Einwohnerstadt und nicht das Starensemble von PSG, die unter Niko Kovac wiedererstarkte AS Monaco oder das vom alles überragenden Memphis Depay auf Schultern getragene Olympique Lyon der Gejagte in der Ligue 1.

Lilles kühler Kopf entscheidend im Titel-Vierkampf

Während die Bundesliga-Schale zum nunmehr neunten Mal in Folge an den FC Bayern ging, den Premier-League-Titel der dominante Branchenkrösus Manchester City entgegennahm und Inter Mailand die Meisterschaft in der italienischen Serie A weit vor Saisonende bereits feiern konnte, entwickelte sich in Frankreich ein enger und nervenaufreibender Vierkampf. In dem Lille bis heute den kühlsten Kopf behielt.

Fügten sich die anderen drei Teams der Top Vier gegenseitig Niederlagen zu und nahmen sich die Punkte weg, wie zuletzt Lyon am 35. Spieltag bei einem denkwürdigen 3:2-Auswärtssieg in Monaco, holte Lille gegen jeden seiner Verfolger jeweils einen Sieg und ein Unentschieden. Dabei war es vor der Saison keineswegs absehbar, dass LOSC sich zu einem ernstzunehmenden Titelkandidaten aufschwingen würde.

Zwar beendete Lille die vergangene Saison auf dem vierten Platz und holte das Jahr zuvor sogar die Vizemeisterschaft, musste diese Erfolge jedoch auch mit den Abgängen vieler Leistungsträger teuer bezahlen: Nicolas Pepé (Arsenal), Rafael Leao (AC Mailand), Victor Osimhen (SSC Neapel), Gabriel (Arsenal) – sie alle verließen die "Doggen" in den vergangenen zwei Jahren, spülten jedoch auch immense Transfererlöse ein, die der bis Dezember 2020 in Lille tätige Sportdirektor Luís Campos breit gestreut in neue Talente reinvestierte.

Campos' Erfolgsrezept: Hoher Einsatz, hohe Trefferquote

Bemerkenswert an Campos' Vorgehensweise in Lille war, dass er für Spieler, von denen er überzeugt war, oftmals Ablösen weit über dem von Portalen wie "Transfermarkt" angeschlagenen Marktwert zahlte. So blätterte er 2020 etwa für den Niederländer Sven Botman, der trotz einer zwischenzeitlichen Leihe zum SC Heerenveen den Sprung in Ajax Amsterdams Profiteam nicht schaffte und stattdessen in der zweiten Mannschaft ran musste, satte acht Millionen Euro statt der marktgerechten 1,3 Millionen hin. Doch Diamantenauge Campos lag einmal mehr richtig mit seinem hohen Einsatz: Der Marktwert des 21-jährigen Innenverteidigers explodierte und steht aktuell bei 28 Millionen Euro.

Ähnlich riskant ging Campos auch ein Jahr zuvor vor, als er den beim FC Bayern als Fehleinkauf und Millionengrab betitelten Renato Sanches trotz einer desaströsen Leihe zum damaligen Premier-League-Klub Swansea für 20 Millionen Euro nach Nordfrankreich holte. Der Portugiese, immerhin jüngster Europameister der Geschichte und Europas bester U21-Spieler des Jahres 2016, fand in Galtier einen Coach, der ihn vor allem mental in seinem eigenen Können wieder bestärkte.

"Sein Fußball basiert auf Teamwork", berichtet Sturmtalent Timothy Weah, Sohn des ehemaligen Weltfußballers George, über Galtiers Coachingansatz bei "ESPN". Auch mit Blick auf Sanches erklärt er weiter: "Galtier ist eine Vaterfigur für diese großartige Gruppe junger Typen, du kannst dir als Spieler wirklich nichts besseres wünschen. (...) Selbst Renato, der vom FC Bayern kommt, will sich hier neu erfinden." Auch deshalb darf davon ausgegangen werden, dass Sanches, der seinen Marktwert wieder auf 28 Millionen Euro hochschrauben konnte, trotz Interesse von AS Roms baldigem Trainer José Mourinho kommende Saison mit Lille in der Champions League angreifen wird.

"König" Yilmaz übererfüllt die kühnsten Erwartungen

Doch sowohl Sanches als auch Botman und Weah stehen in dieser Saison im Schatten eines ganz anderen, völlig aus der Reihe tanzenden Neuzugangs: "König" Yilmaz. Der Türke, der in seiner Heimat für alle vier Großvereine (Galatasaray, Fenerbahce, Besiktas, Trabzonspor) auflief, zwei Meisterschaften errang, zwei Mal Torschützenkönig wurde und fünf Mal den Pokal holte, spielt zum ersten Mal in seiner Karriere in einer der Top-Fünf-Ligen Europas – und das im für einen Profifußballer fortgeschrittenen Alter von 35 Jahren. Dass er überhaupt in Lille gelandet ist, ist mit Campos' Fokus auf den türkischen Transfermarkt erklärt. Mit Zeki Celik und Yusuf Yazici hatte der Portugiese bereits in den vergangenen Jahren zwei Leistungsträger in der SüperLig gefunden. Yilmaz jedoch übererfüllt auch die kühnsten Erwartungen der "Doggen".

Der türkische Nationalspieler war eigentlich nur als Ersatzkraft und Mentor für den 27-Millionen-Euro-Neuzugang Jonathan David angedacht. Doch der aus dem nahen Belgien transferierte Kanadier kämpfte mit Anpassungsschwierigkeiten und blieb die ersten zehn Spieltage ohne Treffer. In dieser Zeit sprang Yilmaz in die Bresche und markierte sechs Tore. Der Vollblutstürmer, der in der Türkei keinen Schritt in die Öffentlichkeit machen kann, ohne von einer gewaltigen Menschentraube eingekesselt zu werden, genoss seine neu gewonnene Freiheit in Frankreich von der ersten Sekunde an.

In Lille war er kein vergötterter Star, er war nur ein alternder Fußballprofi, dessen Schlitzohrigkeit etwas an die junge Garde abfärben sollte. Der geringe Erwartungsdruck, gepaart mit der Integrationsstütze seiner Nationalelfkollegen Celik und Yazici, führten dazu, dass Yilmaz in Lille wie eine Bombe einschlug. Mit 15 Treffern und fünf Assists ist er Lilles Top-Scorer – und längst auch in Nordfrankreich "König Burak".

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Ausbleibende Zahlungen, Notverkauf, neuer Präsident – Chaos in Lille

Die Erfolgsgeschichte Lilles wäre nur halb so schön, hätte sie nicht auch eine bedrohliche Zitterpartie zu bieten gehabt. Im Dezember meldete der TV-Rechteinhaber der Ligue 1, das spanisch-chinesische Unternehmen Mediapro, Insolvenz an. Schon zuvor war das Medienkonglomerat, zudem auch der Sender Telefoot gehörte, der alle Partien im französischen Profifußball exklusiv live übertrug, Zahlungen an die Vereine schuldig geblieben. Wie auch in der deutschen Bundesliga bilden die Fernsehgelder den größten und wichtigsten Baustein des Finanzfundaments eines jeden Profiklubs. Lille, ohnehin seit geraumer Zeit in wirtschaftlicher Schieflage, drohte der Kollaps. Gerettet wurde LOSC nur durch einen undurchsichtigen Notverkauf durch den bisherigen Besitzer Gérard Lopez, seines Zeichens auch Eigentümer des belgischen Erstligaabsteigers Royal Excel Mouscron und des Formel-1-Rennstalls Lotus, an einen luxemburgischen Investmentfonds.

Der neue Besitzer, die Merlyn Group, installierte auch einen neuen Präsidenten: Olivier Létang führte Paris Saint-Germain durch die Transformation vom Mittelklasseklub zum internationalen Schwergewicht und den Ausbildungsverein Stade Rennes in die Champions League. Nun soll er auch in Nordfrankreich für neue Strukturen sorgen – und greift dabei auf die nicht allzu fern zurückliegende Vergangenheit der "Doggen" zurück.

2011 feierte Lille seine bisher letzte Meisterschaft mit einem jungen Kader voller Eigengewächse, die in den darauffolgenden Jahren – der eine mehr, der andere weniger – ihre Spuren im Weltfußball hinterlassen sollten. Zum Erfolgsteam gehörten unter anderem Eden Hazard (zweifacher englischer Meister mit dem FC Chelsea), Adil Rami (Weltmeister 2018 mit Frankreich, Europa-League-Sieger 2016 mit dem FC Sevilla), Mathieu Debuchy (FA-Cup-Sieger mit dem FC Arsenal) und Idrissa "Gana" Gueye (Champions-League-Finalist mit PSG 2020). Ablösen zahlte Lille vor der Meisterschaftssaison: keine.

Zu diesem kostengünstigen und ertragsversprechenden Geschäftsmodell will Létang Lille zurückführen, das Team im Stile von Vereinen wie Ajax Amsterdam und Athletic Bilbao wieder stärker mit frischen Gesichtern aus der Metropolregion Lille mit ihren 3,5 Millionen Einwohnern bestücken. Dass dies ein mittelfristiges Projekt ist, dürfte dem neuen LOSC-Boss klar sein. Auch deshalb wird er im Sommer alles daran setzen, so viele Leistungsträger wie möglich für das Abenteuer Champions League und eine mögliche Titelverteidigung von einem Verbleib zu überzeugen – oder zumindest so viel Geld wie möglich für die "Doggen" rauszuschlagen.

Mit Stammkeeper Mike Maignan steht wohl der erste Abschied fest. Der 25-Jährige ist sich übereinstimmenden Medienberichten aus Italien mit dem AC Mailand einig, wo er als Nachfolger von Gianluigi Donnarumma eingeplant ist. Sein Nachfolger könnte derweil aus Deutschland kommen. Nach Informationen von Sky Sport hat Lille Alexander Nübel bereits ein Angebot gemacht. Dass die "Doggen" die richtige Anlauf- und Aufbaustelle für Münchner Bankdrücker sind, hat Coach Galtier ja bereits bei Renato Sanches unter Beweis gestellt.

Verwendete Quellen
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