Wo spielt der DFB-Kapitän denn jetzt? Schweinsteiger brachte die Kimmich-Frage auf den Punkt

Auch nach dem 4:0 gegen Luxemburg geht es wieder um Joshua Kimmich. Dabei hängt die Position des Kapitäns in der Nationalelf auch an anderen Spielern.
Aus Sinsheim berichtet Benjamin Zurmühl
Ob Julian Nagelsmann gut im Turnen war, ist öffentlich nicht bekannt. Wer aber aktuell den Sportteil einer Zeitung aufschlägt, könnte denken, der heutige Bundestrainer hätte zu den Klassenbesten gezählt. Denn dort heißt es, Nagelsmann habe in diesen Tagen die Rolle rückwärts nach der Rolle rückwärts gemacht. Der Grund für die metaphorische Rolle ist Joshua Kimmich, der Kapitän der Nationalmannschaft.
Seit Jahren debattiert Fußball-Deutschland darüber, ob Kimmich lieber im Mittelfeldzentrum oder rechts in der Abwehr spielen sollte. Bei der Heim-EM im vergangenen Jahr setzte ihn Nagelsmann in der Abwehr ein. Auch in der darauffolgenden Nations League hielt er daran fest.
Im Sommer dieses Jahres erklärte er dann beim Trainer-Kongress in Leipzig: "Stand jetzt kehrt er (Kimmich, Anm. d. Red.) auf die Sechs zurück, weil er einfach einer von zwei, drei Spielern ist, der in seinem Klub da immer spielen wird."
Am gestrigen Freitag gegen Luxemburg (4:0) sah es auf dem Spielberichtsbogen dann aber so aus, als würde Kimmich dann doch wieder rechts hinten spielen. Wenn Deutschland im Ballbesitz war, rückte der 30-Jährige etwas mehr ins Zentrum, kreierte viele Chancen aus dem rechten Halbraum. Wenn der Gegner den Ball hatte, verteidigte er rechts in der Viererkette.
In der ARD wurde Nagelsmann direkt nach dem Spiel auf Kimmichs Position angesprochen. "Ich will mich da gar nicht immer so festlegen", antwortete er und gab zu: "Das letzte Mal habe ich mich offensichtlich zu sehr festgelegt."
Wo liegt der Unterschied?
Von Debatten über Aufstellungen und Formationen hält Nagelsmann ohnehin eher wenig. Wenn Journalisten ihn nach Dreier- oder Viererketten fragen, weist er gerne daraufhin, dass es "realtaktisch" – also in der tatsächlichen Anordnung auf dem Platz – ohnehin meist anders aussieht als in einer TV-Grafik. Ihm sind andere Faktoren wichtiger.
Dementsprechend wenig begeistert wirkt er auch von der ewig andauernden Kimmich-Frage. In diesen Tagen wurde er nicht müde zu betonen, dass Kimmich bei ihm im Ballbesitz im selben Raum wie bei Bayern spielen würde. Nur eben gegen den Ball ist der Unterschied nach Nagelsmanns Definition wirklich größer.
Falsch liegt der Bundestrainer damit nicht. Dennoch gibt es auch im Spiel mit dem Ball sichtbare Unterschiede, wenn in der DFB-Elf eine andere Person rechts hinten spielt. Denn Kimmich nutzt dann zum Beispiel vermehrt seine Qualität als Flankengeber. Gegen Luxemburg schlug er zehn Flanken, in der Nations League in Italien im März sogar elf. In der Slowakei und gegen Nordirland im September, wo Nnamdi Collins (Slowakei) und Jamie Leweling (Nordirland) auf der rechten Seite spielten, waren es insgesamt sieben.
Wo der Kapitän der Nationalmannschaft am Ende spielt, ist auch abhängig vom Gegner und vom Personal. Bei der Heim-EM setzte ihn Nagelsmann rechts hinten ein, weil er im Zentrum Toni Kroos als Strategen hatte. Kroos und Kimmich hätten sich zu sehr geähnelt, zu wenig ergänzt, um eine Doppelsechs zu bilden. Also musste der variablere Kimmich nach rechts.
"Diese Aktivität, die er hat, die steckt an"
Seit Kroos' Karriereende probiert Nagelsmann im Zentrum viele Duos aus. Leon Goretzka, Pascal Groß, Robert Andrich, Angelo Stiller, sie alle durften schon mal in unterschiedlichen Kombinationen ran. Am Freitag stand neben Leon Goretzka dann der Mann auf dem Platz, auf den viele Fans die größten Hoffnungen legten: Aleksandar Pavlović.
Der 21-Jährige vom FC Bayern wurde von den Fußballanalysten "Statsbomb" im Sommer 2024 als der Spieler betitelt, der von allen unter 25 Jahre alten Spielern der Welt Toni Kroos in seinem Spielstil am ähnlichsten sei. Doch ob das wirklich so ist, das konnten Fans der Nationalelf kaum überprüfen, denn Pavlović fehlte andauernd verletzt. Mal stoppte ihn eine Mandelentzündung, mal ein Schlüsselbeinbruch, mal das Pfeiffersche Drüsenfieber. Dem talentierten Mittelfeldspieler fehlte es so auch an Rhythmus. Beim FC Bayern war er auch nur selten Stammkraft.
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Doch seit nun zwei Monaten ist Pavlović durchgehend fit, hat Spielpraxis und Selbstvertrauen. Das war ihm gegen Luxemburg auch anzumerken. Der 21-Jährige forderte permanent den Ball, fast jeder fünfte deutsche Pass kam am Ende von ihm. Vom Bundestrainer gab es dafür auf der Pressekonferenz ein Sonderlob: "Diese Aktivität, die er hat, die steckt an. Er will jeden Ball haben, ist sehr mutig. Das sieht man auch die letzten Wochen bei Bayern, dass der Spielrhythmus wichtig ist für ihn."
Schweinsteigers klare Analyse
Auch ARD-Experte Bastian Schweinsteiger hatte für Pavlović viel Lob übrig. "Er hat für mich ein sehr gutes Spiel gemacht, tolle Präsenz, zweikampfstark, hat das Spiel angetrieben mit Leon Goretzka", analysierte er die Leistung. Der Weltmeister von 2014 wies zudem auf die insgesamt fünf Bayern-Spieler in der Startelf hin. Neben Pavlović, Kimmich und Goretzka spielten nämlich auch Jonathan Tah und Serge Gnabry von Beginn an.
"Man hat die Bayern in der absoluten Topform, dann muss man die Spieler spielen lassen", war Schweinsteiger der Meinung, ehe er die Kimmich-Debatte auf den Punkt brachte: "Wenn die Bayern in Topform sind, überträgt sich das auf die Nationalmannschaft. Dass Joshua Kimmich beide Positionen sehr gut machen kann, das ist klar. Aber wenn das Mittelfeld so ist wie heute, dann ist er rechts hinten Goldwert."
Nagelsmann bleibt also in einer Art taktischem Spagat. Ob Kimmich im Zentrum oder auf der rechten Seite beginnt, dürfte auch in Zukunft vom Gesamtgefüge der Mannschaft abhängen. Klar ist: Solange Pavlović seine Rolle im Mittelfeld so überzeugend ausfüllt wie zuletzt gegen Luxemburg, hat der Bundestrainer eine echte Option.
- Pressekonferenz mit Julian Nagelsmann
- TV-Übertragung in der ARD








