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WM 2022 | WM-Schiedsrichterin Stéphanie Frappart: Sie war immer die Erste


WM-Schiedsrichterin Stéphanie Frappart
Sie war immer die Erste

  • Dominik Sliskovic
Von Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 01.12.2022Lesedauer: 4 Min.
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Stéphanie Frappart: Die Französin gehört bereits seit Jahren zur Unparteiischen-Elite in Europa. (Quelle: IMAGO/Mike Egerton)

Stéphanie Frappart wird Deutschland gegen Costa Rica leiten. Damit wird die Französin zur ersten Frau, die bei einer Männer-WM pfeift. Weggefährten überrascht das keineswegs.

"Sie wird definitiv Schiedsrichterin bei einer Männer-Weltmeisterschaft sein", sagte Nicole Petignat einmal dem Onlineportal "The Athletic", "merkt euch meine Worte!"

Die frühere Schweizer Schiedsrichterin, einst die erste Frau, die ein Europapokalspiel leitete, war sich schon im Sommer 2019 sicher, dass es für Stéphanie Frappart keine Grenzen gibt. Damals war der zierlichen, nur 1,64 m großen Französin die Ehre zuteilgeworden, das Duell um den Uefa Supercup zwischen dem FC Liverpool und dem FC Chelsea zu pfeifen – eine Premiere für eine Frau.

Nun, drei Jahre später, wird die 38-jährige Frappart die Vision von Petignat Realität werden lassen: Wenn sie am Donnerstagabend zum Anpfiff zwischen Deutschland und Costa Rica bittet (ab 20 Uhr im t-online-Liveticker), wird sie damit zur ersten weiblichen Unparteiischen bei einer Fußball-WM der Männer. Ein Meilenstein für die Gleichberechtigung der Geschlechter im Profifußball. Ein Meilenstein, der Frappart verblüffend kaltlässt.

Sie gab den Fußball auf, um Schiedsrichterin zu werden

"Die Männer-WM ist der wichtigste Wettbewerb der Welt, nicht nur im Fußball", erklärte sie "The Athletic", aber: "Ich war die erste weibliche Unparteiische in Frankreich, die erste in Europa, ich war immer die Erste. Ich weiß also damit umzugehen." Schließlich steht sie bereits seit einem Vierteljahrhundert mit der Pfeife auf den Fußballfeldern dieser Welt.

Mit 13 Jahren absolvierte die Tochter eines passionierten Amateurfußballers ihre erste Schiedsrichterausbildung. Damals ging es der sportverrückten Stéphanie, die auch beim Pariser Vorstadtklub FC Parisis gegen den Ball tat, vor allem darum, das Spiel und seine Regeln in Gänze zu verstehen. Doch ihr Talent in der Bewertung von strittigen Szenen, gepaart mit ihrer besonnenen Art der Kommunikation, fiel schnell auf. Während sie samstags mit ihrer Freizeitmannschaft dem nächsten Tor nachjagte, leitete sie sonntags Partien – erst auf dem Kleinfeld, schon bald bis hoch in die nationale U19-Liga.

Das Doppel-Hobby Fußball war nicht mit dem Sportstudium vereinbar, das sie bald aufnahm. Also fokussierte sich Frappart mit 18 Jahren auf eine Sache – und entschied dabei völlig rational. "Zu dieser Zeit war der Frauenfußball noch nicht sonderlich entwickelt, also entschied ich mich, mit dem Spielen aufzuhören und mich der Schiedsrichterei zu widmen", erinnert sie sich.

Und Frappart sollte diese Wahl nicht bereuen. Im Rekordtempo nahm sie eine Karrierestufe nach der anderen: erste Schiedsrichterin in der zweiten französischen Liga 2014, erste Schiedsrichterin in der Beletage des französischen Fußballs, der Ligue 1, 2019.

Lob und Sexismus aus dem französischen Männerfußball

Dass Frappart einen solchen Aufstieg hinlegte, lag auch am großen Zuspruch der männlichen Spieler und Funktionäre. Kurz vor ihrer Beförderung in die oberste Spielklasse sprach sich der langjährige Zweitligaprofi Pierre Bouby (248 Einsätze) deutlich für sie aus: "Sie ist der beste Referee der Ligue 2. Ihre Stimme mag zwar ruhig sein, aber dafür hat sie Charisma und Persönlichkeit. Sie benutzt die richtigen Worte, sie erklärt, sie ist diplomatisch und sie drängt sich nicht in den Vordergrund. Ihr geht es stets nur um das Beste fürs Spiel."

Das bedeutet jedoch nicht, dass Frappart vor sexistischen Attacken gefeit ist. Besonders in den unteren Ligen wurde sie wiederholt beleidigt und angegangen, nur weil sie eine Frau ist. Ein unsägliches Verhalten, das sie jedoch vor allem bei Publikum und Funktionären beobachtete.

So war es der damalige Trainer des Zweitligisten Valenciennes, David Le Frapper, der sich 2015 für seine Bemerkung, Frappart sei in der Partie gegen Laval mit ihren Gedanken wohl eher beim Eiskunstlaufen statt beim "Männersport" Fußball gewesen, eine Zwei-Spiele-Sperre einhandelte. Ein Ausfall, der erahnen lässt, wie es erst in den Kommentarspalten der sozialen Netzwerke aussieht, wenn Frappart pfeift – und ein Grund, warum sich die Unparteiische bis heute einem offiziellen Auftritt bei Facebook, Twitter und Co. verweigert.

Es ist ein großes Glück, dass sich Frappart solch tumber Äußerungen entzieht und sie nicht an sich herankommen lässt. Denn während Le Frapper nach seinem sexistischen Aussetzer in Valenciennes erst zum Jugendtrainer degradiert und derzeit seine seitdem bereits vierte Trainerstation beim Viertligisten Racing Besançon durchlebt, ist Frappart die Karriereleiter nur weiter hochgeklettert: erstes Männer-Champions-League-Match im Dezember 2020, erstes Männer-WM-Qualispiel im März 2021, erstes Männer-Coupe-de-France-Finale im Mai 2022.

Schiri-Ikone Collina über Frappart: "Sie verdient es"

Ihre WM-Nominierung und das Vertrauen der Fifa, ihr Deutschlands entscheidendes Gruppenspiel gegen Costa Rica anzuvertrauen, wirken da fast schon zwangsläufig. Pierluigi Collina, sechsfacher Weltschiedsrichter des Jahres und Fifa-Refereeboss, sieht sie auch deshalb als Beweis dafür, "dass die Qualität und nicht das Geschlecht" zähle. "Sie verdient es, bei unserem Team dabei zu sein, weil sie konstant sehr gute Leistungen erbringt", so der Italiener.

Auch Bundestrainer Hansi Flick vertraut Frappart zu "100 Prozent." "Wir freuen uns auf dieses Spiel, und ich hoffe, dass sie sich auch auf dieses Spiel freut", sagte Flick vor ihrem historischem Einsatz im Deutschland-Spiel gegen Costa Rica bei einer Pressekonferenz.

Der Ruhm, den all das Lob und die Einträge ins Geschichtsbuch zwangsläufig mit sich bringen, ist Frappart dabei keinesfalls zu Kopf gestiegen. Immer noch lebt sie nur wenige Kilometer von ihrem Elternhaus entfernt in Herblay-sur-Seine, arbeitet trotz ihrer üppigen Vergütung als Profi-Unparteiische weiter als Teilzeitkraft beim französischen Arbeitersportverband FSGT. Und auch ihren Blick auf den Fußball hat die Französin über die Jahre nicht geändert: "Der Fußball ist derselbe, die Regeln sind dieselben – egal ob Männer oder Frauen."

Auch wegen Äußerungen wie diesen ist sich Petignat sicher: "Stéphanie ist nicht nur ein Symbol, sondern eine Pionierin. Sie weist uns allen anderen den Weg."

Verwendete Quellen
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