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Angelique Kerber im Interview: "Es wird nie eine neue Steffi Graf geben"


Angelique Kerber
"Es wird nie eine neue Steffi Graf geben"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

Aktualisiert am 27.06.2021Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Angelique Kerber: Deutschlands Nummer eins will drei Jahre nach ihrem Triumph in London wieder voll angreifen.Vergrößern des Bildes
Angelique Kerber: Deutschlands Nummer eins will drei Jahre nach ihrem Triumph in London wieder voll angreifen. (Quelle: Paul Zimmer/imago-images-bilder)

Ab Montag beginnt mit Wimbledon das dritte Grand-Slam-Turnier des Jahres. Angelique Kerber will drei Jahre nach ihrem Triumph in London wieder angreifen – spricht aber auch über ihr Karriereende.

Nein, Paris ist kein gutes Pflaster für Angelique Kerber. Bei den French Open scheiterte die 33-Jährige bereits im dritten Jahr in Folge in der ersten Runde. Der Sandbelag liegt ihr nicht – Rasen dagegen umso mehr.

Das zeigte sich auch am Samstag, als Kerber im Finale von Bad Homburg die Tschechin Katerina Siniaková besiegte und damit ihren ersten WTA-Sieg seit dem Triumph in London 2018 feierte. Mit dem gewonnenen Selbstvertrauen will die dreifache Grand-Slam-Siegerin nun auch in Wimbledon wieder voll angreifen. Zum Auftakt geht es gegen die Weltranglisten-86. Nina Stojanovic aus Serbien.

Was sich Kerber für das Turnier in London vornimmt, welche Turnieränderung sie sehr schade findet und wie sie über ihr Karriereende denkt, hat Angelique Kerber im großen t-online-Interview verraten.

t-online: Frau Kerber, erst gestern sind die Bad Homburg Open zu Ende gegangen – bei der sie eine Doppel-Rolle inne hatten: die der Spielerin und die der Turnierbotschafterin. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Ich muss wirklich sagen: Besser hätte es nicht laufen können. Es ist ein wunderschönes Turnier geworden, das Feedback von allen Seiten war sehr positiv. Mir war es wichtig, dass sich in dieser Woche wirklich alle wohlfühlen: Zuschauer und Spielerinnen. Mit viel Teamwork ist etwas Tolles entstanden, darauf bin ich stolz und dafür bin ich dankbar. Um ehrlich zu sein, wusste ich am Anfang nicht wirklich, was auf mich zukommt. Ich habe viele Termine im Umfeld wahrgenommen, aber gleichzeitig versucht, meinen sportlichen Fokus nicht zu verlieren. Das ist mir gelungen.

Was bedeutet dieser Erfolg mit Blick auf das am Montag beginnende Wimbledon-Turnier?

Natürlich möchte ich diesen Rückenwind in Wimbledon nutzen. Trotzdem mache ich mir dort keinen Druck. Ich habe in den letzten sechs Monate hart dafür gearbeitet, zurückzukommen. Es hat sich gelohnt – selbst wenn es nur für diese Tage war, die ich auf dem Centre Court von Bad Homburg erleben durfte. Mit dieser Stimmung auf der Tribüne. Ich hatte wirklich Gänsehaut.

Nun geht es für Sie wieder auf den "heiligen Rasen". Kommen schon die alten Erinnerungen hoch?

Wimbledon war, ist und wird immer etwas Spezielles bleiben. Es war mein Traum als Kind, das Turnier zu gewinnen, und der Triumph 2018 war einer meiner größten Erfolge. Ich kann schon sagen: Wimbledon ist das wichtigste Turnier für mich im Jahr, ich freue mich schon sehr darauf – vor allem, weil es letztes Jahr ausgefallen ist.

Mit welchen Gefühlen fliegen Sie nach London?

Ich versuche, mit Vorfreude und Spaß und den positiven Gedanken aus 2018 ins Turnier zu starten. Mal schauen, wie lange die Reise auf dem "heiligen Rasen" gehen wird. Ich weiß auf jeden Fall, wie man das Turnier gewinnt (lacht).

Ab kommendem Jahr gibt es eine Neuerung: Der spielfreie Sonntag wurde gestrichen – eine gute Entscheidung?

Ehrlich gesagt: Ich finde es sehr schade. Wenn du es bis zum Sonntag geschafft hast, warst du in der zweiten Woche, hattest diesen Tag aber frei und kaum jemand war auf der Anlage. Das war immer der erste kleine Erfolg. So was gab es nur in Wimbledon.

Bis zum Sieg gestern in Bad Homburg war der Triumph in Wimbledon 2018 Ihr letzter Turniersieg auf der WTA-Tour. Wie sehr nagt der Vorwurf an Ihnen, Sie seien "satt"?

Ich habe gelernt, gar nicht darüber nachzudenken, was andere Leute denken. Jeder hat seine Meinung, das ist auch in Ordnung. Für mich ist die Weiterentwicklung wichtig, meine Einstellung zum Sport. Ich versuche immer, alles zu geben, sonst würde es ja auch keinen Sinn machen. Nach den vergangenen drei Jahren mit den ganzen Aufs und Abs kann ich sagen: Ich bin weiter als 2018.

Das vergangene Jahr war insgesamt ein schwieriges für die Tennis-Szene. Insbesondere bei den Damen gab es nach September kaum mehr Turniere. Wie stellt sich die Situation 2021 für Sie dar?

Man kann beide Jahre nicht miteinander vergleichen. 2020 gab es sechs Monate lang keine Turniere, alles wurde auf einmal abgesagt. Wir Sportlerinnen konnten zwar trainieren, aber wussten nicht, wofür. Es war sehr schwer, sich zu motivieren. Man musste sehr kreativ sein in der Trainingsgestaltung – hat dadurch aber auch andere Trainingsmethoden ausprobiert.

Wie würden Sie Ihren aktuellen Fitnesszustand bewerten – verglichen mit Ihrer Hochphase 2016?

Ich bin nah dran an dem Level von vor fünf Jahren. Es geht nicht von heute auf morgen, dass man wieder zu seiner Topform kommt. Aber neue, unterschiedliche Trainingsformen haben mir sehr geholfen, auch meine Ausdauer zu verbessern. Auch was die Regeneration angeht, nutze ich diverse Programme von Peloton: Sei es auf dem Rad, beim Laufen oder Yoga. Früher habe ich immer nur mein Ding durchgezogen, hatte eine feste Routine. Das ist jetzt anders und besser.

Nach drei Jahren Pause arbeiten Sie wieder mit Ihrem alten Trainer Torben Beltz zusammen. Wie gut funktioniert das Modell "Zurück in die Zukunft"?

Torben hat in der Zwischenzeit mit anderen Spielerinnen zusammengearbeitet, was sicher auch sehr gut und interessant für ihn war. Aktuell bin ich einfach froh, dass ich ihn wieder an meiner Seite habe, weil es wichtig ist, seinem Team vollkommen zu vertrauen. Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall.

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Was genau zeichnet Ihre Zusammenarbeit aus?

In der "Bubble" vor und während der Turniere verbringe ich enorm viel Zeit mit meinem Team. Für mich ist es wichtig, jemanden an meiner Seite zu haben, der mein Spiel kennt und den ich respektiere. Und wenn der "Business-Part" vorbei ist, weiß ich, dass ich einen Freund bei mir habe, auf den ich zählen und mit dem ich auch privat Spaß haben kann.

Vor drei Jahren, als Sie den Titel holten, stand auch Julia Görges im Halbfinale. Vergangenes Jahr beendete sie allerdings ihre Karriere. Wie geht es ihr in ihrem neuen Leben?

Ich war selbst überrascht, dass sie vergangenes Jahr diese Entscheidung getroffen hat. Aber die muss natürlich jeder für sich selbst treffen, da gibt es kein Richtig und kein Falsch. Sie hatte eine tolle Karriere und ist glücklich und zufrieden mit ihrer Entscheidung.

Wie oft kommen Ihnen selbst Gedanken an ein mögliches Karriereende?

Die Frage bekomme ich mittlerweile öfter gestellt. Aber wissen Sie: Ich liebe Tennis. Das Herz und die Leidenschaft sind immer noch da. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich mache mir über das Karriereende keine Gedanken. Wenn das Gefühl irgendwann da ist, dass ich nicht mehr kann oder nicht mehr möchte, dann werde ich diese Entscheidung ganz allein für mich treffen. Wer mich kennt, weiß, dass ich sie dann nicht von heute auf morgen treffen, sondern meinem Gefühl und meinem Herzen folgen werde.

Sie sind 33 Jahre alt. Roger Federer ist 39 und spielt immer noch …

Ja, oder Serena (Williams, Anm. d. Red.), die ist auch 39. Da sagen die einen: Warum tut sie sich das noch an? Die anderen meinen: Wir wollen sie noch paar Jahre spielen sehen. Das Feuer, das in einem lodert, kann ja auch unabhängig von Erfolgen weiterbrennen. Ich hoffe, dass sowohl Roger als auch Serena noch ganz lange mit dabei sein werden.

Sie, Julia Görges, Andrea Petkovic und Laura Siegemund sind alle über 30, danach kommt lange niemand. Machen Sie sich Sorgen um den Nachwuchs im deutschen Damentennis? DTB-Chefin Barbara Rittner sprach im Interview mit uns von einem gesamtgesellschaftlichen Problem und einer Erziehungsfrage.

Die Lücke nach unserer Generation ist unverkennbar. Aber beim Porsche-Cup in Stuttgart habe ich einige sehr begabte Nachwuchstalente miterleben dürfen. Natürlich werden die nicht von heute auf morgen auf Topniveau spielen können. Aber auch die Generation um Andrea, Jule, Laura oder mich hat Zeit gebraucht. Es wird nie eine neue Steffi Graf geben. Es wird aber auch nie eine neue Andrea Petkovic oder Angelique Kerber geben.

Was können Sie Nachwuchstalenten mitgeben?

Ich kann ihnen sagen, dass der Weg in die Top 50 hart ist. Die Frage wird sein, wie diszipliniert die jungen Spielerinnen diesen Weg gehen wollen, um eines Tages konstant mit den Besten mitzuspielen.

Zu den Besten gehört auch Alexander Zverev. Nach seinem Sieg in Madrid sprach er auf der Pressekonferenz davon, dass sich die Deutschen nicht für Tennis interessieren würden. Würden Sie ihm zustimmen?

Ich weiß nicht, wie viele deutsche Journalisten bei der digitalen Pressekonferenz waren. Die vier Grand Slams überstrahlen in der Außendarstellung die anderen tollen Turniere, die Woche für Woche stattfinden. Ich persönlich freue mich, dass wir auf der Damentour einige richtig gute Turniere in Deutschland haben. Zuletzt Bad Homburg, Hamburg, Köln, Stuttgart oder auch Berlin: Ich sehe eine Tendenz nach oben, was das Interesse am Tennissport hierzulande angeht.

Zum Abschluss: Was ist Ihr letztes großes Karriereziel?

Der Wunsch ist immer noch da, ein großes Turnier zu gewinnen. Auch Olympia in Tokio steht vor der Tür. Ein großes Finale in einem vollen Stadion wäre ein Traum. Ich werde mein Karriereende aber nicht davon abhängig machen, ob ich noch etwas gewinne.

Anmerkung: Angelique Kerber ist eine von neun Top-Athleten und Athletinnen, die bei der Sommerkampagne von Peloton mitmachen. Hier finden Sie mehr Infos dazu.

Verwendete Quellen
  • Zoom-Interview mit Angelique Kerber
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