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Tennis | Verschwundene Peng Shuai: "Es ist erschreckend, sehr stalinistisch"


Tennisstar verschwunden
Der Fall Peng Shuai hat in China System

  • Dominik Sliskovic
Von Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 18.11.2021Lesedauer: 4 Min.
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Peng Shuai: Das frühere Tennisass ist seit einem geäußerten Vergewaltigungsvorwurf wie vom Erdboden verschluckt.Vergrößern des Bildes
Peng Shuai: Das frühere Tennisass ist seit einem geäußerten Vergewaltigungsvorwurf wie vom Erdboden verschluckt. (Quelle: Imaginechina/imago-images-bilder)

Tennisass Peng Shuai warf einem hochrangigen chinesischen Politiker Vergewaltigung vor. Seitdem gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihr. In der Nacht zu Donnerstag taucht dann eine E-Mail auf.

Naomi Osaka, Novak Djokovic, Chris Evert – die Tenniselite ist derzeit in ihrer Sorge um Peng Shuai verbunden. Seit Anfang November gibt es kein klares Lebenszeichen mehr von der früheren Wimbledon- und US-Open-Siegerin. Die 38-jährige Doppel-Spezialistin hatte den hochrangigen Politiker Zhang Gaoli, zwischenzeitlich Vizeministerpräsident, im chinesischen Twitter-Pendant Weibo Vergewaltigung vorgeworfen. Nach nicht einmal einer halben Stunde hatten Chinas Zensoren den Post gelöscht.

Im stark eingeschränkten chinesischen Internet erschien bei ihrem Namen in der Suchleiste erst eine Fehlermeldung, später nur ein Beitrag aus dem September 2020, der sie bei einem Propagandaturnier in Tibet zeigt. Zwischenzeitlich konnte Chinas Milliardenbevölkerung nicht einmal das simple Wort "Tennis" im Netz nachschlagen. Die rücksichtslose Informationseinschränkung hat orwell'sche Ausmaße, denn: Shuais Vorwürfe sollten aus dem kollektiven Gedächtnis radiert werden.

Echtheit von neuer E-Mail angezweifelt

Eine angebliche Mail der als verschwunden geltenden chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai hat bei der Spielerinnen-Organisation WTA erhebliche Zweifel geweckt und die Besorgnis um die 35-Jährige noch vergrößert. Chinas staatliches Auslandsfernsehen CGTN veröffentlichte in der Nacht zum Donnerstag auf Twitter eine Mail, die der Tennisstar selbst geschrieben haben und an den WTA-Chef Steve Simon geschickt haben soll. Die Berichte über sie, "einschließlich des Vorwurfs der sexuellen Nötigung", seien "nicht wahr", hieß es darin. Ihr gehe es gut.

"Es fällt mir schwer zu glauben, dass Peng Shuai diese E-Mail, die wir bekommen haben, tatsächlich geschrieben hat", reagierte WTA-Chef Simon. Die WTA und der Rest der Welt brauchten einen "unabhängigen und nachprüfbaren Beweis", dass die Spielerin in Sicherheit sei. Die Veröffentlichung durch chinesische Staatsmedien vergrößere seine Bedenken bezüglich ihrer Sicherheit und ihres Aufenthaltsorts. "Es muss Peng Shuai erlaubt werden, frei zu sprechen, ohne Zwang oder Einschüchterung jeglicher Herkunft." Er habe selbst wiederholt über verschiedene Wege "vergeblich" versucht, den Tennisstar zu erreichen.

Kritiker können in China einfach festgehalten werden

Dass die frühere Weltklasse-Tennisspielerin, die ihre Profikarriere 2018 offiziell beendete, nun bereits seit gut zwei Wochen wie vom Erdboden verschluckt ist, hat in China System. Der Begriff hierfür ist "Liuzhi". Dieses "Festgehalten werden" – Menschenrechtsorganisationen sprechen derweil von "staatlich organisiertem Kidnapping" – hat sogar eine rechtliche Grundlage im Reich der Mitte. Bis zu sechs Monate darf ein Polizeiarm der Kommunistischen Partei Personen festhalten, ohne Behörden, Familie oder sonst irgendjemandem Rechenschaft über das Vorgehen ablegen zu müssen.

Shuai mag der erste Sportstar sein, den dieses Schicksal in China ereilt – doch sie ist nicht der erste prominente Fall.

Aufsehen erregte beispielsweise der Fall Jack Ma. Der Online-Unternehmer, der mit seinem Konzern Alibaba die chinesischen Antworten auf Amazon und Paypal aus dem Boden stampfte, galt jahrelang als Liebling der kommunistischen Führung, häufte auch dank der mächtigen Unterstützung aus Peking ein Milliardenvermögen an. Sein Geld konnte ihn jedoch nicht vor dem Zorn der Partei retten, als er im Oktober 2020 überraschend scharf das chinesische Wirtschaftssystem kritisierte. Ma galt vom einen auf den anderen Tag als vermisst, weder chinesische Geschäftspartner noch die aus der "westlichen Welt" hatten Informationen über den Aufenthaltsort und Zustand des 57-Jährigen.

Erst nach drei Monaten gab es wieder ein Lebenszeichen Mas, als er per Videocall als Gastredner zu einer Propagandaveranstaltung dazugeschaltet wurde. Beobachter beschrieben seinen Auftritt als lethargisch und apathisch. Zuletzt mutmaßte das Wirtschaftsportal "Bloomberg", Ma lebe in einem Golfresort auf der chinesischen Insel Hainan. Ob Ma sich aus freien Stücken ins Inselexil zurückgezogen hat oder unter einer Art Hausarrest in einem Goldenen Käfig steht, ist unklar.

"Es ist erschreckend, sehr stalinistisch"

Ebenso unklar ist, ob Mas bedenklicher Zustand während seines Video-Auftritts auf die Folgen eines möglichen Missbrauchs durch die Geheimpolizei zurückzuführen ist. Michael Caster, Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation "Safeguard Defenders", hält dies zumindest nicht für ausgeschlossen. Schlafentzug, stundenlange Verhöre, Schläge, Elektroschocks – auf all diese Gräuel werde in China zurückgegriffen, um Kritiker des Regimes zu brechen.

"Das ist genau die Art und Weise, wie totalitäre Regierungen versuchen, die Realität so zu verändern, dass sie in ihre Form der Darstellung passt. Es ist erschreckend, sehr stalinistisch", sagte er der "Neuen Zürcher Zeitung". Auch deshalb ist Carter sich sicher: "Wenn Peng Shuai in China ist, gibt es keinen Zweifel darüber, dass sie unter Bedingungen festgehalten wird, die ihre fundamentalen Rechte verletzen."

Dass Shuai sich derzeit in China aufhält, ist zumindest die letzte Information des Frauentennisweltverbandes WTA. Dessen Vorsitzender Steve Simon erklärte der "New York Times": "Wir haben von verschiedenen Quellen, darunter der Chinesische Tennisverband, die Bestätigung bekommen, dass sie (Shuai, Anm. d. Red.) in Sicherheit und nicht in körperlicher Gefahr ist." Und weiter: "Meines Wissens nach ist sie in Peking, aber ich kann dies nicht bestätigen, da ich nicht mit ihr direkt gesprochen habe."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Nachrichtenagentur dpa
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