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Olympia – Reckermann: "Gefahr, dass ganze Generation beeinträchtigt wird"


Olympiasieger Reckermann
"Besteht die Gefahr, dass eine ganze Generation beeinträchtigt wird"

  • T-Online
InterviewVon Alexander Kohne

Aktualisiert am 27.07.2021Lesedauer: 6 Min.
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Jonas Reckermann: Der Olympiasieger von London ist in Tokio als TV-Experte dabei.Vergrößern des Bildes
Jonas Reckermann: Der Olympiasieger von London ist in Tokio als TV-Experte dabei. (Quelle: Conny Kurth/t-online/imago-images-bilder)

In London holte Jonas Reckermann an der Seite von Julius Brink Olympiagold – und wurde zur Beachvolleyball-Legende. Mittlerweile ist er Lehrer an einer "Eliteschule des Sports" und erlebt die Auswirkungen der Corona-Pandemie hautnah mit.

Am 9. August 2012 schrieb Jonas Reckermann in London etwa eine Stunde vor Mitternacht Olympia-Geschichte: Nachdem ein Schmetterschlag des Brasilianers Emanuel Rego äußerst knapp neben der Auslinie landete, war klar, dass er und Julius Brink die Goldmedaillen im Beachvolleyball gewonnen hatten. Eine kleine Sensation!

Mittlerweile ist der 2,01 Meter große Reckermann Lehrer an einem Sportgymnasium – und in den Ferien als TV-Experte bei den am Freitag gestarteten Olympischen Spielen in Tokio vor Ort.

t-online.de: Herr Reckermann, was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn, wenn Sie an die Olympischen Spiele in Tokio denken?

Jonas Reckermann (42): Ein großes Fragezeichen. Das werden keine Spiele wie zuvor: Es sind keine Zuschauer dabei und vor Ort gibt es erhebliche Einschränkungen für die Athleten. Generell freut es mich aber, dass die Sportler die Chance haben, noch um olympische Ehren zu wetteifern. Für sie und auch die Verbände ist es teilweise überlebenswichtig, dass die Spiele stattfinden.

In der japanischen Bevölkerung gab es im Vorfeld teilweise erhebliche Widerstände. IOC-Präsident Thomas Bach hat trotzdem nie einen Zweifel daran gelassen, dass er die Spiele unbedingt austragen möchte. Nun laufen sie seit einigen Tagen. Hat Bach sich richtig verhalten?

Es gibt sehr viele Argumente für die eine wie auch die andere Seite. Diese wurden abgewogen und es wurde entschieden. Da spielen mannigfaltige Interessen mit hinein. Wenn es nur um das Sportliche des Einzelnen ginge, hätten diese Individualinteressen sicher zurückstehen müssen. Aber es hängt noch sehr viel anderes dran – für die Sportarten, die Verbände etc. Es ist selbst für die Leute, die ganz tief in der Materie stecken, ganz schwierig gewesen, so etwas guten Gewissens zu entscheiden. Ich maße mir nicht an, das zu bewerten.

Wie unterscheiden sich die Spiele 2021 von vorherigen?

Komplett. Ich hoffe, dass es irgendwie gelingt, diesen besonderen olympischen Spirit, der beispielsweise in London regelrecht greifbar war, irgendwie doch noch zu verbreiten. Das wird auf jeden Fall schwierig, gerade aufgrund der erheblichen Mobilitätseinschränkungen. Die Sportler dürfen ja nur zwischen Unterkunft und Wettkampfstätte hin- und herfahren. Das ist eine riesengroße Herausforderung.

Jonas Reckermann im Einsatz:

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Fehlen wird auch die besondere Stimmung beim Beachvolleyball. Bei kaum einer anderen Sportart ist auf den Rängen so viel los. Wirkt sich der Zuschauerausschluss auf Beachvolleyball besonders negativ aus?

Ich würde nicht unbedingt negativ sagen, aber anders. Beachvolleyball war bei den Spielen immer ein TV-Highlight mit besonderer Atmosphäre. Das wird diesmal sicher etwas heruntergedämmt sein. Denn normalerweise geht es in unserer Sportart immer laut zu, was vielleicht der größte Unterschied zu vielen anderen Sportarten ist. In jeder kleinen Pause zwischen den Ballwechseln wird Musik eingespielt. Dazu kommt die besondere Energie von den Rängen, die in Tokio natürlich nicht da ist. Aber die Beachvolleyballer sind trotzdem froh, dass das Ganze überhaupt stattfindet.

Und das bringt auch interessante andere Effekte mit sich: Das Kommunizieren untereinander wird beispielsweise einfacher. Auch die Absprachen innerhalb der Teams können die TV-Zuschauer nun besser hören. Das hat beispielsweise in der Fußball-Bundesliga ein komplett neues Element mit hineingebracht.

Bei den Männern sind Julius Thole und Clemens Wickler dabei, bei den Frauen Karla Borger und Julia Sude sowie Margareta Kozuch und Olympiasiegerin Laura Ludwig. Welchem Duo trauen Sie am meisten zu?

Thole/Wickler, ganz klar. Ich glaube, dass die beiden eine realistische Chance haben, in den Kampf um die Medaillen einzugreifen. Sie sind nicht die Topfavoriten, aber es wäre keine Sensation, wenn sie vorne landen würden. Bei den Frauenteams wäre eine Medaille dagegen schon überraschend. Ausgeschlossen ist das natürlich nicht – denn Laura weiß, wie's geht. Aber es wäre allein schon überraschend, wenn sie und Maggie Kozuch ins Halbfinale kämen.

Ludwig gewann 2016 zusammen mit Kira Walkenhorst Gold. Seit zwei Jahren spielt sie mit Kozuch zusammen. Bundestrainer Jürgen Wagner sagte: "Sie haben nur 2019 ihre Bestleistung abgerufen, seitdem war es nur Durchschnitt." Woran hakte es?

Das ist schwer in einem Satz zu sagen. Maggie hat Kira Walkenhorst sicher nicht eins zu eins ersetzt – was in der Form natürlich auch nicht zu erwarten war. Zudem fehlt Maggie noch ein bisschen die Konstanz. Sie kommt aus dem Hallenvolleyball und hatte in außergewöhnlichen Situationen zuletzt so ihre Problemchen. Nichtsdestotrotz muss man sie und Laura immer auf dem Schirm haben. Es kann auch eine Chance sein, dass kaum jemand etwas von den beiden erwartet. Außerdem hat Laura oft genug gezeigt, dass sie sich in einen Flow spielen kann. Und wenn sie ihre Partnerin dabei involviert – wer weiß, was dann möglich ist?

Vielleicht sogar Gold?

Ausgeschlossen ist das nicht. Laura hat wie gesagt gezeigt, dass sie weiß, wie es geht. Und diese Gewissheit, auch beim größten Turnier überhaupt dem Druck standzuhalten und das beste Beachvolleyball zu zeigen, hilft auf jeden Fall. Das haben sie ganz vielen Teams voraus. Trotzdem würde es mich schon sehr überraschen, wenn sie Gold holen.


Kommen wir zu Ihnen. Sie arbeiten heute als Lehrer an einem Sportgymnasium in Leverkusen, einer sogenannten Eliteschule des Sports. Was unterrichten Sie?

Erdkunde und Sport. Wir haben pro Jahrgangsstufe sechs Klassen. Eine davon ist die sogenannte Sportklasse und dort werde ich insbesondere eingesetzt – übrigens auch als Athletiktrainer. Da sind die Leistungssportler von morgen versammelt und ich helfen ihnen dabei, Schule und Sport zu vereinen, das Abitur zu machen und eine Sportkarriere zu starten.

Wie hat sich die Corona-Pandemie in Ihrer Schule ausgewirkt?

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Das war eine schwierige Zeit und hat sich natürlich gerade in den Sportklassen ausgewirkt. Wir haben sehr viel Online-Unterricht gemacht. Deshalb war ich so fit wie selten zuvor (lacht), weil ich von meinem Keller aus mit den Schülern Unterricht via Videokonferenz gemacht habe. So fiel zumindest in der Sportklasse keine Sportstunde aus. Doch das ist mit dem normalen Unterricht nicht zu vergleichen – auch wenn wir sehr viel probiert und beispielsweise auch Filme gedreht und diese auf einer Plattform zur Verfügung gestellt haben. Bewegung ist für Körper und Psyche gerade in einer Zeit, in der die Kinder fast nur zu Hause am Schreibtisch gesessen haben, besonders wichtig.

Professor Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln hat gesagt: "Wir verlieren eine ganze Generation an kindlichen Sportlern." Hat er recht?

Jein. Es besteht auf jeden Fall die Gefahr, dass eine ganze Sportgeneration beeinträchtigt wird – zumal nicht jede Schule solche Rahmenbedingungen hat wie bei uns. Doch der Schulsport ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist der Vereinssport. Und den trifft es mindestens genauso gravierend. Meine eigenen Kinder sind sechs und acht Jahre alt und in Sportvereinen aktiv. Dort hat ein Jahr Stillstand geherrscht. Mannschaften wurden aufgelöst, es gab keine Wettkämpfe und lange auch gar kein Training.

Wer beispielsweise in der F-Jugend eines Handballvereins war und jetzt in der E-Jugend ist, hat technisch und taktisch die gleichen Kompetenzen wie vor einem Jahr. Man muss gucken, inwiefern sich das aufholen lässt – vor allem beim Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenbereich. Ich würde aber nicht sagen, dass die Generation letztendlich verloren ist. Man kann schon Sachen aufarbeiten und es war auch nicht so, dass sie ein Jahr lang eingesperrt waren und gar nichts gemacht haben. Davon abgesehen ist es in anderen Ländern ähnlich und kein spezifisch deutsches Problem.

E-Sport hat in der Pandemie einen großen Aufschwung erlebt. Was halten Sie davon und sehen Sie das überhaupt als Sport an?

Eine gute Frage (schmunzelt). Das ist schwierig. Es erfüllt natürlich einige Gesichtspunkte des Sports. Aber wenn ich sage: "Ich gehe zum Sport", meine ich damit nicht, im Keller mit unserem Sohn eine Partie Fifa 2019 zu zocken. Deswegen ist das für mich kein Ersatz und gleichwertig mit dem Einsatz im Handball-, Fußball- oder Leichtathletikverein. Es ist einfach etwas anderes – gar nicht unbedingt besser oder schlechter, aber einfach eine andere Ebene.

Man darf sich davor nicht verschließen – ob man es jetzt gutheißt oder nicht. Besonders in der jüngeren Generation hat E-Sport eine sehr, sehr große Bedeutung und das wird durch soziale Medien noch verstärkt. Dazu gibt es Tausende Leute in Deutschland, die E-Sport live verfolgen. Das ist mir persönlich zwar fremd, aber warum nicht? Andere schauen sich Bundesligaspiele im TV an und da ist man weit entfernt und spielt nicht selber mit. Meine Welt ist es nicht, aber man sollte E-Sport nicht belächeln oder sich davor verschließen. Das hat absolut seine Bedeutung – aber für mich eben eine andere als das klassische Sporttreiben.

Verwendete Quellen
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