Krasnaja Poljana (dpa) - Der richtige Stress kam erst hinterher: Nach dem Sensations-Gold bei den Paralympics in Sotschi stand das Telefon bei Anja Wicker nicht mehr still. "Ich hatte noch keine ruhige Minute", erzählte sie zwischen Blumenübergabe im Stadion und Medaillenzeremonie in Rosa Chutor.
Die 22-jährige Debütantin aus Stuttgart gewann am Dienstag die Biathlon-Konkurrenz im Ski-Schlitten über 10 Kilometer und verblüffte damit nicht nur die Experten, sondern auch sich selbst. "Das ist wirklich eine Sensation. Ich habe damit überhaupt nicht gerechnet", sagte sie ungläubig, "ich habe nicht einmal eine Medaille erwartet. Und nun ist es Gold. Das war das perfekte Rennen."
Trotz teils dichten Nebels blieb die WM-Zweite erstmals und als Einzige ohne Fehler bei vier Schießeinlagen und fuhr nach 32:54,4 Minuten ins Ziel. Mit ihrem Erfolg bescherte sie der deutschen Mannschaft die vierte Goldmedaille. Zweite wurde Swetlana Konowalowa aus Russland vor der Ukrainerin Ljudmila Pawlenko.
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Andrea Eskau, die zwei Tage nach ihrem Asthmaanfall an den Start ging, hatte Probleme mit dem Gewehr und gab nach vier Fehlern beim dritten Schießen auf. "Ich hätte weiter laufen können, aber es macht keinen Sinn mehr", erklärte sie ihren Ausstieg. Nach insgesamt fünf Schießfehlern sah die 42-jährige querschnittgelähmte Athletin vom USC Magdeburg keine Chance mehr auf eine Medaille.
Anja Wicker fuhr unterdessen souverän auf Platz eins. Dabei sollte ihr großer Auftritt erst an diesem Mittwoch im Langlauf-Sprint kommen. Eine Medaillenprognose wollte sie nicht wagen. "Mein Realismus hat noch keine Aussage getroffen. Er staunt noch", sagte Stuttgarterin.
Die Überraschungssiegerin studiert an der Universität Tübingen Sportmanagement. Dabei sind die Umstände dort für sie alles andere als einfach. Sie ist von Geburt an durch eine Fehlbildung des unteren Rumpfes und dabei insbesondere der Wirbelsäule behindert. Wegen extrem verkürzter Beine kann sie sich nicht ohne Rollstuhl oder Ski-Schlitten fortbewegen. Doch die Tübinger Uni ist nur bedingt behindertengerecht. "Die Hörsäle sind meist eine Etage höher und es sind keine Aufzüge vorhanden. Man ist auf Mithilfe angewiesen. Aber Sportstudenten sind da meist recht locker", berichtete sie.
Ihre Trainingsstrecke hat Anja Wicker fast vor der Haustür. Ein benachbarter Bauer hat sogar Platz für einen Schießstand bereitgestellt - sie trainiert mit ihrem Vater Volker. "Er weiß, was mit gut tut, was ich brauche, er kennt mich besser als jeder andere. Wir ergänzen uns wunderbar", berichtete sie. Ihr Vater verfolgte das Gold-Rennen zu Hause. Beim anschließenden Anruf fielen nur wenige Worte: "Er war sprachlos."
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In der Männer-Konkurrenz über 12,5 Kilometer kam Martin Fleig aus Gundelfingen nach einem Schießfehler auf den neunten Rang. Sieger wurde der Russe Roman Petuschkow, der beim dritten Start sein drittes Gold gewann.