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"Soul-Queen" Aretha Franklin ist tot (†76): Rückschläge, Erfolge und Comebacks


Zum Tod der "Queen of Soul"
Warum Aretha Franklin so wichtig ist

MeinungEin Nachruf von Daniel Koch

Aktualisiert am 16.08.2018Lesedauer: 6 Min.
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Die damals 26-jährige Aretha Franklin im Jahr 1968: Ende der Sechziger Jahre stieg die Sängerin zur "Queen of Soul".Vergrößern des Bildes
Die damals 26-jährige Aretha Franklin im Jahr 1968: Ende der Sechziger Jahre stieg die Sängerin zur "Queen of Soul". (Quelle: Archivbild/Express Newspapers/getty-images-bilder)

In den Sechzigern Jahren forderte Aretha Franklin "Respect" und wurde damit zu einer Ikone der Bürgerrechtsbewegung. Doch ihr Einfluss reichte noch viel weiter. Ein persönlicher Nachruf.

Wenn Aretha Franklin ein Konzert spielte, musste sich jeder Veranstalter auf eine besondere Forderung einstellen: Ohne Bares ging hier gar nichts. Die "Queen of Soul" kassierte cash, im Voraus, stopfte die Geldbündel in ihre Handtasche und gab diese entweder ihrem Security-Team – oder stellte sie während des Konzerts auf das Piano. Sie habe schon erlebt, dass selbst Größen wie B.B. King oder Ray Charles abgezogen wurden, erzählte Franklin einmal ihrem guten Freund, dem Moderator und Journalisten Tavis Smiley.

Eine Anekdote, die sehr gut beschreibt, dass diese Frau schon immer sehr bestimmt einforderte, was sie in ihrem größten Hit einst gesungen hat: "R-E-S-P-E-C-T, find out what it means to me!" Genau dieser Part ist es auch, der aus Otis Reddings eher wehklagendem Original aus dem Jahr 1965 nur zwei Jahre später eine Hymne für toughe, selbstbestimmte Frauen machte. Franklin ergänzte aber nicht nur diesen Part – sie änderte auch die Rollenverteilung im Song. "I'm about to give you all of my money / And all I'm askin' in return, honey / Is to give me my propers", sang sie und stellte damit klar, dass sie diejenige ist, die das Geld nach Hause bringt.

"Ich glaube nicht, dass ich die Frauenrechtsbewegung mitbegründet habe"

Kein Wunder, dass dieser Song Ende der sechziger Jahre die Hymne all jener wurde, die sich für Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, den Klassen, und den Hautfarben einsetzten – ein Ziel, das wir ja bis heute nicht erreicht haben. Und trotzdem: Wenn man auf alten Filmaufnahmen sieht, wie die junge Aretha bei ihrem legendären Konzert im Fillmore West in San Francisco im Juli 1971 auf der Bühne stand, weißgewandet zwischen ihren Afro-tragenden Backgroundsängerin und beim Refrain von "Respect" die geballten Fäuste in die Hüften stemmte, dann denkt man unweigerlich: "Diese starke Frau, wird dafür sorgen, dass wir genau dort ankommen!"

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Wie es sich für eine wahre "Queen of Soul" gehört, spielte sie ihre Bedeutung für die Bürgerrechtsbewegung und den Feminismus stets bescheiden herunter. Zu ersterer sagte Aretha Franklin einmal: "Ich glaube, dass die Black Revolution mich und die Mehrheit der Schwarzen zwang, uns selbst genauer zu betrachten. Nicht, dass wir uns vorher geschämt hätten, aber wir fingen nun an, unser natürliches Selbst zu würdigen. Wir verliebten uns sozusagen in uns selbst, so, wie wir waren." In einem Interview mit dem amerikanischen "Rolling Stone" Ende 2014 äußerte sie sich dann zu ihrem vermeintlichen Einfluss auf den Feminismus: "Diese Ehre gebührt meiner Meinung nach eher Gloria Steinem. Ich glaube nicht, dass ich die Frauenrechtsbewegung mitbegründet habe. Sorry! Aber wenn es doch so war, um so besser!" Das dürfte man wohl klassisches Understatement nennen. Und selbst wenn man ihr das abkauft, geben "Respect", aber auch "Chain of Fools" und "Think" zumindest den perfekten Empowerment-Soundtrack.

Eine Stimme zum Weinen

Es ist ungesund, dieser Tage Aretha Franklins Musik zu hören. Die Trauer mischt sich dabei mit der körperlich spürbaren Erkenntnis, dass es diese Stimme nur einmal gibt. Dass sie einen mit Gänsehaut und Herzrasen peinigt. Dass sie einen zum Weinen bringt. Das mag nach Pathos und Klischee klingen, aber ganz ehrlich: Kann man "(You Make Me Feel Like) A Natural Woman" hören, ohne eine Träne zu verdrücken? Der Autor dieser Zeilen kann es nicht. Verdammt, selbst das fürchterlich verschmockt produzierte "It Hurts So Bad" vom "Waiting To Exhale – Warten auf Mr. Right"-Soundtrack aus dem Jahr 1995 hat diese Wirkung.


Aber wenigstens befindet man sich damit in erlesener Gesellschaft. Für den "Rolling Stone" schrieb Sängerin Mary J. Blige vor einigen Jahren eine bewegende Liebeserklärung an Aretha Franklin. Darin heißt es: "Wenn es darum geht, sich mit jeder Faser in einen Song einzubringen, kann ihr niemand das Wasser reichen. Sie ist der Grund, warum Frauen singen wollen. Aretha hat alles – die Kraft, die Technik. Sie ist ehrlich in allem, was sie sagt." Und dann gesteht Blige: "Meine Mutter weinte, wenn sie 'Do Right Woman' und 'Ain’t No Way' hörte, und ich weinte mit." Die stimmliche Klasse von Aretha Franklin erklärt sich Blige übrigens durch deren frühe musikalische Ausbildung. Franklin, die am 25. März 1942 in Memphis, Tennessee geboren wurde, kam als Tochter eines bekannten Baptistenpredigers – übrigens ein Freund Martin Luther Kings – schon früh in Kontakt mit Gospelmusik. Mit ihren Schwestern Carolyn und Ema sang Aretha Franklin im Chor der "New Bethel Baptist Church" ihres Vaters. Blige meint dazu im "Rolling Stone": "Ich glaube, dieses Selbstvertrauen hat mit ihrer Verwurzelung im Gospel zu tun, weil man im Gospel nicht herumspielt – da geht es darum, wer am meisten drauf hat, wer die besten Parts kriegt."

Viele hatten sie aus den Augen verloren

Einer der letzten gefilmten Live-Auftritte von Aretha Franklin ist ein weiterer Beleg dafür, dass ihre Stimme eine direkte Wirkung auf die Tränendrüsen hat. Im Dezember 2015 spielte sie bei der Verleihung des Kennedy-Preises in Washington. Eine der Gewürdigten war Sängerin und Songwriterin Carole King, Urheberin von "(You Make Me Feel Like) A Natural Woman". Viele hatten Franklin zu dieser Zeit ein wenig aus den Augen verloren, obwohl ihr mit ihrer Interpretation von Adeles "Rolling In The Deep" und dem mit ihrem alten Förderer Clive Davis produzierten "Aretha Franklin Sings The Great Diva Classics" im Jahr zuvor noch mal ein kommerzieller Erfolg gelungen war.

Im John F. Kennedy Center for the Performing Arts in Washington, D.C., saß Franklin an diesem Abend in einem Pelzmantel mit angrifflslustig roten Lippen am Klavier, warf King und dem Publikum eine Kusshand zu und stemmte sich dann tatsächlich "mit jeder Faser" und mit erstaunlicher Kraft in den Song. In den Aufnahmen vom Sender CBS sieht man, wie Carole King förmlich durchdreht vor Freude, wie Michelle Obama benommen lächelt – und wie sich Barack Obama, damals noch Präsident, verstohlen eine Träne aus dem Gesicht wischt. Wer das nun kitschig findet, der wage gerne den Selbstversuch.

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Denn, wie Aretha Franklin (die übrigens in Sachen Popkultur stets auf der Höhe blieb sich als Beyoncé- und Ariana-Grande-Fan outete) einmal dem "Rolling Stone" begeistert erklärte: "Wenn du was verpasst hast, gehst du einfach auf Youtube!" Als Carol King ihr nach der Show von Obamas Tränen erzählte, sagte Franklin übrigens: "The cool cat wept! I loved that." Ein Statement so cool, dass man es schwer übersetzen kann. Dem "New Yorker" verriet Franklin später, dieser Abend sei "einer von den vier größten Abenden meines Lebens" gewesen.

Rückschläge, Erfolge, Comebacks

Natürlich gab es im Leben einer Künstlerin ihres Formats auch Abende, Tage und Zeiten, die sich eben nicht durch Größe auszeichnen. Obwohl Aretha Franklin selbst wenig aus ihrem Privatleben preisgab, und nach einer recht schonungslosen "Time Magazine"-Titelstory 1968 ein eher vorsichtiges Verhältnis zur Presse pflegte, so hatte man doch ihr Auf und Ab erlebt. Die Klatschpresse berichtete wiederholt von "Sauf- und Fress-Exzessen", ihre Ehe mit Ted White, der zugleich ihr Manager war, endete 1969 nach Berichten über häusliche Gewalt gegen Franklin. Ihr Vater wurde 1979 bei einem Einbruchsversuch in seiner Detroiter Wohnung angeschossen und fiel in ein Koma, aus dem er bis zu seinem Tod 1984 nicht mehr aufwachen sollte.

Franklins Gesundheit wurde bereit Ende 2010 diskutiert, als sie sich aufgrund einer Krebsdiagnose, die sie zunächst dementierte, einer Operation unterzieht und schlagartig abnahm. Im Magazin der "New York Times" konnte man damals nachlesen, wie Franklin wenige Monate später erschöpft aber glücklich auf ihrer Geburtstagsparty Audienz hielt, während "die Nachruf-Vorschreiber noch dabei waren, sämtliche Superlative zusammenzukratzen, die man einer Künstlerin anhängen kann, die 18 Grammys und über 75 Millionen verkaufter Platten vorweisen kann, die als erste Frau überhaupt in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen wurde und eine Presidential Medal of Freedom überreicht bekommen hat."

Supermusik statt Superlative

Genau das passiert natürlich gerade. Wir hoffen aber, dass dieser Text nicht als ein solcher Nachruf wahrgenommen wird. Natürlich ist ihr Tod der traurige Anlass dafür, dass wir uns noch einmal tief in ihr Werk versunken haben, aber einer Aretha Franklin nähert man sich eben nicht durch den detaillierten Abriss ihrer Erfolge, ihres Lebens, ihrer Skandale und ihrer Exzesse – wie man sie so oft in diesen Nachrufen lesen kann -, sondern über ihre große, alles überdauernde Kunst. Deshalb sollten Sie die Zeit, die sie mit diesem Text verbracht haben, nun mindestens noch mit einer Playlist oder einer Platte von Aretha Franklin verbringen – das wird Sie mehr zu Tränen rühren, als es jeder Nachruf vermag.

Daniel Koch ist Kulturjournalist, Co-Moderator der wöchentlichen FluxFM-Sendung "Das große Ganze", Diplom-Kulturwissenschaftler und war von 2014 bis 2018 Chefredakteur des Popkulturmagazins "Intro".

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