Moritz Bleibtreu übt Kritik "Ich halte das für einen Fehler"

Mit seinem Alter hat Moritz Bleibtreu keine Probleme. Im Gegenteil. Der 54-Jährige sieht sogar Vorteile. Schönheitsoperationen kann er dagegen gar nichts abgewinnen.
Über fehlende Rollenangebote kann Moritz Bleibtreu sich nicht beklagen. Aktuell spielt er sich selbst in der Serie "Call My Agent Berlin". Darin wird das Älterwerden als Problem thematisiert. Für eine Rolle soll er sich Botox spritzen lassen, um jünger auszusehen. Im wahren Leben, sagt Bleibtreu, habe er diese Probleme nicht.
Warum ihm die Schauspielerei trotzdem viel abverlangt und welche Entwicklungen der Filmbranche er kritisch sieht, verrät er im Interview mit t-online.
t-online: In der Serie "Call My Agent Berlin" sollen Sie sich für eine Rolle Botox spritzen lassen. Haben Sie selbst schon einmal darüber nachgedacht?
Moritz Bleibtreu: Nein, für mich ist das nichts. Ich gehe nur zum Arzt, wenn es unbedingt sein muss. Ich habe grundsätzlich nichts gegen Schönheitschirurgie – wenn jemand unter seinem Äußeren leidet, kann Hilfe gut sein. Aber Botox wirkt auf mich befremdlich. Außerdem mag ich Spritzen überhaupt nicht. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, mir das freiwillig anzutun.
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Viele Schauspieler leiden unter dem Älterwerden. Sie also nicht?
Ich versuche, mit Würde zu altern. An diesem alten Sprichwort, dass Schönheit von innen kommt, ist gerade im Alter viel Wahres dran. Wenn es drinnen nicht nach Glück aussieht, wird es draußen auch nicht strahlen – egal, wie viel man spritzt. Ich empfinde den übermäßigen Umgang mit Schönheitsoperationen als problematisch. Wenn man etwas an sich verändern lässt, passt das Gesicht nach einigen Jahren oft nicht mehr dazu. Dann folgt der nächste Eingriff, und wieder ein weiterer. Auf Dauer ist das ein Kreislauf, der unglücklich machen kann. Nehmen wir zum Beispiel Michael Jackson – Gott habe ihn selig.
Was meinen Sie?
Ich glaube, er hat in den letzten Jahren seines Lebens nicht mehr in den Spiegel geschaut und sich schön gefunden. Er hat sehr darunter gelitten, weil es eine Korrektur nach der anderen war – ein endloser Prozess.
Haben in solchen Fällen nicht auch die behandelnden Ärzte eine Verantwortung?
Ja, auf jeden Fall. Ich finde, Ärzte haben eine große Verantwortung. Sie sollten sich bewusst machen, dass sie einen Beruf gewählt haben, um Menschen zu helfen – und genau das sollte auch im Mittelpunkt stehen.
Anders als viele Frauen in Ihrem Beruf erfahren Sie als Mann über 50 vermutlich aber auch kaum berufliche Nachteile, oder?
Ehrlich gesagt nicht. Ich sehe jünger aus, als ich bin, und spiele deshalb oft Menschen, die jünger wirken. Für eine Rolle wurden mir vor Kurzem Bart und Haare dunkler gefärbt – das hat mir nicht gefallen.
Warum nicht?
Weil ich mich heute eigentlich attraktiver finde als früher. Wenn ich mich ansehe, denke ich: Ja, das ist voll okay. Ich bin dankbar dafür, dass ich mich ganz gut gehalten habe.
Woran liegt das?
Vielleicht hängt es auch mit innerer Ausgeglichenheit und Glück zusammen. Ich freue mich auf jeden neuen Tag.
Woher ziehen Sie diese Ausgeglichenheit: aus dem Beruf oder dem Privatleben?
Beides. Der berufliche Weg sollte idealerweise vor der Familie kommen – nicht im Sinn von Wichtigkeit, sondern als Basis, bevor man Vater oder Mutter wird. Natürlich ist die Familie der Kern von allem, aber es ist wichtig, daneben etwas zu haben, das erfüllt. Wenn man seinen Beruf gern macht, ist es vieles leichter, auch ein guter Vater oder eine gute Mutter zu sein.
Der Beruf des Schauspielers gehört zu den familienunfreundlichsten Berufen.
Moritz Bleibtreu über seine Arbeit
Wie gut ist der Beruf des Schauspielers mit der Rolle als Vater zu vereinbaren?
Sehr schwer. Der Beruf des Schauspielers gehört zu den familienunfreundlichsten Berufen, glaube ich. Schlimmer ist nur noch Soldat oder Fernfahrer. Besonders als Filmschauspieler ist es eine echte Herausforderung.
Ihre Mutter war auch Schauspielerin, und zwar am Theater. Wie haben Sie das erlebt?
Auch das war schwierig. Ich habe sie zwar fast täglich gesehen, aber sie stand jeden Abend auf der Bühne. Wenn man Pech hat, spielt man ein Stück wie "Macbeth" und ist erst nachts um zwei zu Hause.
Und trotzdem haben Sie diesen Beruf gewählt. Wie weit würden Sie für eine Rolle gehen?
Ich bin kein Schauspieler, der meint, man müsse seine Figur leben. Ich gehe so weit, wie es mein Bauchgefühl erlaubt. Ich habe eine klare Vorstellung davon, was ich an Ausdruck erreichen möchte, und versuche alles, um dorthin zu kommen. Aber sechs Wochen nichts zu essen oder zehn Tage im Knast zu verbringen – das hat für mich keinen Sinn.
Viele Schauspieler bereiten sich genauso vor. Warum ist das nichts für Sie?
Weil Schauspiel für mich ein Spiel ist. In dem Moment, wo ich beginne, es mit der Realität zu verknüpfen, verliere ich etwas Entscheidendes. Leider passiert genau das immer häufiger. Ich halte das für einen Fehler.
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Warum?
Weil es um Verwandlung geht. Eine Figur sollte man sich erspielen können – unabhängig von sexueller Orientierung oder Hautfarbe. Wenn man das zu eng fasst, dürften irgendwann nur noch Mörder Mörder spielen oder Linkshänder Linkshänder. Alles, was ich tun kann, ist, mit Liebe und Kraft an die Wahrhaftigkeit zu gelangen, die ich in der Figur sehe. Mal gelingt mir das schneller, mal dauert es länger.
Bei "Call My Agent Berlin" spielen Sie sich nun selbst und haben dabei eine Aversion gegen Interviews. Empfanden Sie das jetzt gerade wirklich als so schlimm?
Nein, das war überhaupt nicht schlimm. Ich weiß, was wirkliche Arbeit bedeutet – und Interviews zu geben, gehört sicher nicht dazu.
- Interview mit Moritz Bleibtreu







