Veronica Ferres "Einen solchen Umgang erlaube ich niemandem"

Veronica Ferres kennt das Showgeschäft, ist seit Jahrzehnten ein Teil davon. Im t-online-Interview verrät die Schauspielerin, wie sie dadurch geprägt wurde.
Für viele ist Veronica Ferres das "Superweib". Eine Figur aus dem gleichnamigen Film von Sönke Wortmann, der ihr 1995 einen ziemlich gut haltenden Stempel aufdrückte. Heute, fast 30 Jahre später, ist Ferres noch immer erfolgreich. In ihrem jüngsten Projekt spielt sie sich selbst und will sich damit von Klischees befreien.
Ob ihr das gelungen ist, wie sich die Branche während ihrer Karriere verändert hat, was ihr manchmal zum Verhängnis wird, wie Frauen es zu mehr Gleichberechtigung schaffen können und wie sie sich an ihre eigenen Anfänge als berufstätige Mutter erinnert, hat sie im Interview mit t-online verraten.
t-online: Frau Ferres, wie schlagfertig sind Sie?
Veronica Ferres: In manchen Situationen bin ich der schlagfertigste, frechste und lustigste Mensch. Wenn es mir allerdings einmal nicht so gut geht, dann rede ich nicht viel, und dann bin ich eher das Gegenteil von schlagfertig.
Man kann Ihnen also relativ gut anmerken, wie Sie sich fühlen. Das ist nicht immer von Vorteil.
Nein, vor allem dann nicht, wenn man in falsche Hände gerät. Meine Ehrlichkeit ist mir schon oft zum Verhängnis geworden. Das hält mich aber nicht davon ab, weiterhin an das Gute im Menschen zu glauben. Ich werde deshalb nicht zynisch. Ich gebe jedem Einzelnen immer erst mal eine Chance, bis er mir das Gegenteil beweist. Dann bin ich allerdings auch ein Elefant und vergesse nichts.
In der Serie "Call My Agent Berlin" haben Sie sich selbst gespielt. Wie war das für Sie?
Sehr befreiend. Ich nehme mich selbst nicht so ernst. (lacht) Künstlerisch war es eine große Befreiung, die Klischees, die über mich kursieren, spielerisch aufzugreifen. Sich selbst auf die Schippe zu nehmen, ist herrlich, und ich habe viel Humor und Selbstironie. Unschlagbar finde ich die Antwort, die ich auf den Satz "Hör auf dein Herz" geben darf: "Ich verlasse mich lieber auf andere Organe."
Wie schätzen Sie sich selbst ein: Sind Sie lustig?
Nein. Ich kann überhaupt keine Witze erzählen. Ich kenne auch nur zwei Witze, und die sind eher pikant, deswegen kann ich die jetzt nicht preisgeben. (lacht) Trotzdem trägt Humor für mich wesentlich zu einer hohen Lebensqualität bei. Mir ist es wichtig, eine ironische Distanz zu mir selbst zu haben.
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In der Serie haben Sie Menschen um sich, die Ihnen nach dem Mund reden …
Sogenannte Claqueure, genau.
Ist das etwas, das Sie aus Ihrem Leben kennen?
Ja, ich kenne das tatsächlich und habe hart daran gearbeitet, mich von solchen Leuten zu distanzieren. Ich habe seit vielen Jahren ein tolles Team, das mir ehrlich begegnet. Ich darf kritisch mit ihm und es kritisch mit mir sein. Wenn sich jemand im Ton vergreift, höre ich gar nicht mehr zu, und es interessiert mich überhaupt nicht mehr, was die Person in diesem Moment sagt. Einen solchen Umgang erlaube ich niemandem. Ich bin auch nicht respektlos zu anderen. Ich möchte genau so behandelt werden, wie ich jeden anderen auch behandle.
Und im richtigen Ton darf man Sie auch kritisieren?
Dann ist Kritik okay, ja. Wer sich weiterentwickeln möchte, muss Kritik annehmen. Schauspieler werden häufig vor einem großen Team kritisiert. Wenn du unter solchen Umständen mit Kritik nicht umgehen kannst, bist du in diesem Beruf vollkommen fehl am Platz. Aber wenn die Kritik unsachlich ist, dann verletzt sie nur, und dann nehme ich sie auch nicht an.
Wie hat sich das Bild der Frau im Laufe ihrer Karriere gewandelt?
Das Bild der Frau hat sich erschreckend wenig gewandelt. Wenn man zum Beispiel einen Blick in die Wirtschaft wirft und sich anschaut, wie viele Frauen wirklich in Managementpositionen sind, dann wird schnell klar: Es sind nur ganz wenige. Frauen haben durch ihre Mutterrolle oft nicht die Chance dazu, genau die Schritte zu machen, wie sie Männer im gleichen Alter machen können. Da hinken sie dann leider entsprechend hinterher.
Hat sich wirklich gar nichts zum Besseren gewandelt?
Wir sind in vielen Bereichen endlich auf Augenhöhe angekommen. In meiner Anfangszeit war Machtmissbrauch von Männern am Set normal. Heute geht das gar nicht mehr. Da wird uns zugehört, wenn wir etwas sagen. Früher hieß es: "Du nervst, halt den Mund." Ich könnte ganze Bücher schreiben über das, was ich erlebt habe (lacht).
Warum machen Sie es nicht?
Ich tue ganz viel, um Frauen zu stärken. Ich fördere junge Frauen von Filmhochschulen, hole Autorinnen und Regisseurinnen in Projekte hinein. In meiner Welt stehe ich morgens auf und frage mich, was ich in dieser Richtung tun kann. Und abends gehe ich ins Bett und denke mir manchmal, ich hätte vielleicht noch mehr machen können.
Glauben Sie, dass wir auf einem guten Weg sind, wenn es um Lohngleichheit zwischen Männer und Frauen geht?
Nein, wir sind überhaupt nicht auf einem guten Weg. Wir brauchen mehr Mitstreiterinnen. Es geht gar nicht um meine Branche, aber gucken Sie sich das mal in der Industrie oder in der freien Marktwirtschaft an. Es gibt immer noch viele Frauen in einem Anstellungsverhältnis unter dem Niveau ihrer Ausbildung. Was ist die Begründung dafür? Wir leisten so viel. Es ist nachgewiesen, dass Teams mit weiblichen Führungskräften erfolgreicher sind. Wir können Gleichberechtigung nur gemeinsam mit tollen Männern schaffen. Die müssen wir finden, und die müssen uns helfen!
Trotzdem hatte ich als Mutter manchmal ein schlechtes Gewissen.
Veronica Ferres über Karriere und Mutterrolle
Familien- und Karriereplanung stehen sich bei Frauen oft im Weg. Wie könnte man dieses Problem lösen?
Ich finde zum Beispiel das System, das es in Frankreich gibt, gut. Man bekommt dort vom Staat eine ganz andere Unterstützung, indem es viel mehr Plätze für Kindergartenkinder gibt, viel mehr Plätze schon vor dem Kindergarten für Krabbelgruppen. So können Frauen viel leichter und schneller ins Berufsleben einsteigen. Es gibt auch in Deutschland Unternehmen, die ihre eigenen Kindertagesstätten haben. Solche Betreuungseinrichtungen bräuchten wir auch hier viel mehr.
Wie war Ihre eigene Elternzeit? Wie schnell haben Sie den Einstieg geschafft?
Ich hatte meinen ersten Dreh nach drei Monaten. Wir zwei waren wie Vagabunden. Ich habe mir meine Tochter vorne draufgeschnallt, wir sind losmarschiert, und es war toll. Heute ist sie eine wunderbare, selbstständige junge Frau. Dadurch, dass ich berufstätig war, hatte sie viele Herausforderungen zu meistern. Sie musste mitreisen, hat dadurch aber auch andere Sitten, Riten, Gewohnheiten und Länder kennengelernt. Ich denke, dass sie heute davon sehr profitiert. Trotzdem hatte ich als berufstätige Mutter manchmal ein schlechtes Gewissen.
Wie man es macht, macht man es falsch?
Genau. Dabei hat kein Kind die perfekten Eltern, und es gibt keine perfekte Kindheit, weil die Welt und das Leben nicht perfekt sind. Die Höhen und Tiefen des Lebens machen vor niemandem Halt. Auch ich habe Niederlagen erlebt, konnte sie nicht verheimlichen oder wollte es auch nicht, weil sie zum Leben dazugehören.
Wo liegt ihr Lebensmittelpunkt: in Deutschland oder in den USA?
In München, Schwabing, in Deutschland. Dort lebe ich, seitdem ich 17 Jahre alt bin. Der Grund, zum Studieren nach München zu gehen, war für mich der neue deutsche Film: Werner Herzog, Wim Wenders, Volker Schlöndorff. Ich habe seitdem Schwabing nicht mehr verlassen. Trotzdem habe ich auch eine Produktionsfirma in Los Angeles, und wir machen dort viele Co-Produktionen, und zwei unserer Kinder leben da.
Wie unterscheidet sich das Leben in den USA zu dem in Deutschland?
Das eine ist eine europäische, gewachsene, traditionelle Kultur mit Historie. Und Amerika war immer das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Los Angeles ist immer noch das Mekka von ganz vielen Kreativen. Tolle Autoren und Autorinnen leben da, genauso Filmemacherinnen und Filmemacher.
- Interview mit Veronica Ferres













