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Unwetterwarnung: Neues System beim Deutschen Wetterdienst


Meteorologie
Deutscher Wetterdienst stellt neues Unwetterwarnsystem vor

Von wetter-info
Aktualisiert am 14.07.2016Lesedauer: 5 Min.
Die Wetterkarte des Deutschen Wetterdienstes gibt einen Überblick über die Warnlage.Vergrößern des BildesDie Wetterkarte des Deutschen Wetterdienstes gibt einen Überblick über die Warnlage. (Quelle: DWD/dpa)
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Vor Unwettern zu warnen ist die Kernaufgabe des Deutschen Wetterdienstes. Dazu hat der DWD als Bundesbehörde den gesetzlichen Auftrag. Seit der Gründung 1952 verfeinert er sein Instrumentarium, um die Warnungen so genau und umfassend wie möglich zu machen. Nun ist er wieder einen Schritt weitergegangen.

"Ab sofort werden auch einzelne Gemeinden vor Wettergefahren gewarnt", sagte DWD-Präsident Gerhard Adrian in Berlin bei der Vorstellung des neuen Systems. "Wir sind damit auf dem Stand des technisch-wissenschaftlich Möglichen - auch im internationalen Vergleich", so Adrian.

Bis zum Jahr 2003 habe der DWD Wetter- und Unwetterwarnungen für Naturräume wie das Rhein-Main-Gebiet oder die Kölner Bucht herausgegeben. Seit 2003 führte er die Warnung für einzelne Landkreise ein, resümierte DWD-Vorstandsmitglied Hans-Joachim Koppert. Möglich sei dieser "Quantensprung" in der räumlichen Auflösung durch mehr Beobachtungsdaten, verbesserte Vorhersagemodelle und ein leistungsstärkeres Großrechenzentrum in der Offenbacher Zentrale geworden.

Tatsächlich sind aber viele Landkreise, vor allem in Ostdeutschland, durch Landkreisreformen sehr groß. "So kam es immer wieder vor, dass der DWD zwar richtig vor Gewitter in einem Landkreis warnte. Letztlich war aber – und zwar absehbar - nur ein Teil des Kreises tatsächlich betroffen", sagte Koppert. Die Folge: Viele Bewohner fühlten sich falsch alarmiert.

Das nun vorliegende neue System überzeuge mit der kleinräumigeren Aufteilung. Die Zahl der Warngebiete sei damit von 400 auf rund 10.000 gestiegen.

UWZ warnt auf Postleitzahlenebene

Für wetter.info-Partner MeteoGroup ist das allerdings nichts Neues. Der private Wetterdienst warnt nach eigenen Angaben seit 2011 postleitzahlengenau. Anstatt 1000 Naturräume werden rund 8250 Postleitzahlengebiete individuell bewarnt.

Die MeteoGroup-Unwetterzentrale kann sogar einzelne Streckenlinien, Flächen oder Geokoordinaten bewarnen. Dafür nutzt MeteoGroup ein Polygonwarnsystem statt einem starren Warnraster. Dabei kann der Meteorologe händisch ein Polygon über ein Gebiet ziehen. Per Knopfdruck bekommt der Kunde dann eine Warnung.

Wie entsteht eine Unwetterwarnung?

Wetterdienste - ob DWD oder UWZ - warnen vor potenziell gefährlichen Ereignissen wie Sturm, Starkregen oder auch extremen Temperaturen. Aber wie genau entsteht eine Unwetterwarnung?

Beispiel "Kyrill" 2007

Im Falle des schweren Orkans "Kyrill" im Januar 2007 warnten die Wetterdienste bereits Tage vorher. Trotzdem forderte das Orkantief europaweit 47 Todesopfer. "Wir können zwar die Schäden nicht verhindern. Aber ohne die Warnungen wären vielleicht noch mehr Menschen ums Leben gekommen", sagt Meteorologe Clemens Grohs von MeteoGroup im Gespräch mit wetter.info.

Der DWD dröselt den Entstehungsprozess anhand von Orkan "Kyrill" auf. Vom 18. auf den 19. Januar 2007 war Deutschland der Wetterkatastrophe ausgeliefert. Hierzulande starben 13 Menschen. Der Orkan zog eine Spur der Verwüstung durch Deutschland. Auf dem Brocken im Harz erreichten die Windböen fast 200 Kilometer pro Stunde.

Sechs Tage vorher, am 12. Januar, entdeckt der sogenannte Mittelfristdienst beim Routinecheck die ersten Hinweise auf den Orkan. Die "Entwicklung einer schweren Sturmlage" sei möglich, heißt es in der Wochenvorhersage. Die Mittelfristvorhersage gilt zehn bis vier Tage vor Eintreffen des vorhergesagten Wetters. Die Computerkarten basieren auf verschiedenen "numerischen" Wettermodellen, die die Entwicklung der kommenden Tage berechnen.

Für die Mittelfristvorhersage sind "Globalmodelle" zuständig, die mit den aktuellen Wetterdaten gefüttert werden. Entscheidend sind dabei die Fernbeobachtungen der Wettersatelliten. Das Wetter ist global - nur die Satelliten erfassen die Erde lückenlos.

Die Meteorologen nutzen verschiedene Modelle zur Vorhersage. Berechnet werden Lufttemperatur, Wind, Feuchte, Wasser und Eis in den Wolken, Regen und Schnee sowie der Bodendruck.

MeteoGroup investiert in die fünf Wettermodelle, die weltweit als die genauesten anerkannt sind: ECMWF, UKMO, GFS, Hirlam und WRF. Die Modelle werden mit Variationen der aktuellen Wetterdaten gespeist, um ein breiteres Spektrum der möglichen Wetterentwicklung zu erhalten. Dieses Vorgehen wird Ensemble-Technik genannt.

Heftiger Sturm alle zehn bis 20 Jahre

Am 13. Januar 2007 verfestigen sich die Hinweise auf das Orkantief. Stürme wie "Kyrill" treffen Deutschland etwa alle zehn bis 20 Jahre. Sie entstehen vor allem im Winter, wenn über dem Atlantik ausgedehnte Warmluftmassen aus dem Süden auf große Kaltluftmassen aus der Arktis treffen. Prallen diese aufeinander, wird eine gigantische Energie freigesetzt, die den Orkan vorantreibt.

Die Warnhinweise sind für alle Bürger im Internet, über eine Hotline oder Faxabruf zugänglich. DWD und Unwetterzentrale verschicken die Warnungen über E-Mail, SMS oder Fax, die Medien verbreiten die Warnungen zusätzlich in ihrer Berichterstattung.

Drei Tage vor dem Eintreffen des Orkans haben die Meteorologen schon ein recht präzises Bild der Großwetterlage. Die ersten Prognosen aus dem regionalen Wettermodell des DWD liegen vor. Regionale Wettermodelle sind viel feinmaschiger als Globalmodelle. Sicher ist nun, das Orkantief wird Deutschland nicht verschonen. Die Meteorologen erwägen "das Aussprechen einer Extrem-Unwetterlage, besonders im Norden".

48 Stunden vor Eintreffen des Orkantiefs beginnt beim DWD der "Vorwarnbereich". Die Regionalzentren geben erste Warnlageberichte für ihre Region heraus, die Zentrale in Offenbach legt fünfmal täglich einen Bericht an. Frühestens zwölf Stunden im Voraus wird die zeitlich und räumlich noch genauere Unwetterwarnung ausgesprochen. Dabei fließen neben den Modellvorhersagen zunehmend aktuelle Wetterbeobachtungen ein. MeteoGroup betreibt ein firmeneigenes Wetterstationsnetz mit 1600 Stationen weltweit, allein 530 davon in Deutschland. Dazu kommen die Wetterstationen des DWD und anderer nationaler Wetterdienste.

Einen Tag vor der Wetterkatastrophe erhält das Sturmtief vom Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin seinen Namen. 2007 bekommen Sturmtiefs männliche Vornamen, dies wechselt jedes Jahr. In den letzten 24 Stunden kommen erste Prognosen aus dem für Deutschland zuständigen Modell hinzu. Es überzieht Deutschland und angrenzende Gebiete mit einem Netz, dessen Gitterpunkte nur 2,8 Kilometer auseinander liegen. Damit können auch kleinräumige Gewitterzellen vorhergesagt werden.

Radarbilder im Nowcasting entscheidend

Am 18. Januar 2007 um 1 Uhr nachts trifft "Kyrill" auf Irlands Westküste und zieht ungewöhnlich schnell in Richtung Ostsee weiter. Ab 9 Uhr morgens nimmt der Wind an den deutschen Küsten, aber auch in den Mittelgebirgen bis hin zu den Alpen und in Ostdeutschland immer mehr zu. Am Vormittag befinden sich die Meteorologen im sogenannten Nowcasting-Bereich. Das bedeutet, das vorhergesagte Wetter ist nun da. Jetzt kommen zu den Modellberechnungen die aktuellen Beobachtungen hinzu. Entscheidend sind die Bilder der Radarstationen, die flächendeckend in Deutschland den Niederschlag erfassen.

Zusammen mit den aktuellen Windstärken und den numerischen Vorhersagen können die Meteorologen am Computer ablesen, wohin die Niederschlagsgebiete voraussichtlich ziehen werden - eine wichtige Information für Katastrophenschützer.

Rotes Warnsignal vom "Stormlab"

In der Unwetterzentrale nutzen die Meteorologen das "Stormlab". Es führt Blitzdaten von Gewitterzellen und deren Zugrichtung zusammen und gibt ein visuelles Warnsignal ab. Trotz aller Technik, die immer weiter verbessert wird: "Da muss der Meteorologe entscheiden", sagt Clemens Groh zu wetter.info. Erst, wenn der Meteorologe die Warnung des Stormlabs "absegnet", gehen entsprechende Warnungen an die Kunden raus.

Bei "Kyrill" geben die Meteorologen des DWD eine Rekordzahl von 550 Warnungen heraus. Der Webserver bricht in den Stunden, als der Orkan wütet, unter dem großen Andrang zusammen.

Sowohl DWD als auch UWZ nutzen für ihre Warnungen verschiedene Farben. Die Warnstufen Orange, Rot und Violett sind Akutwarnstufen. Sie werden ausgegeben, wenn die UWZ-Meteorologen sicher sind, dass ein bestimmtes Ereignis tatsächlich eintritt. Gelb ist die Vorwarnstufe. Sie wird herausgegeben, wenn die Wetter-Experten ein Unwetter für möglich halten oder es nicht ausschließen können.

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Die Unwetterwarnungen werden auf der Unwetterkarte angezeigt und können innerhalb von Minuten auf den neuesten Stand gebracht werden. Auch der Warnlagebericht wird regelmäßig aktualisiert.

Für jedes Unwetterereignis - also Sturm/Orkan, Starkregen, Starkschneefall, Glatteisregen, Gewitter, Frost oder Hitzebelastung - gibt es definierte Warnschwellen. Vor einzelnen Blitzen wird beispielsweise nicht gewarnt, auch nicht vor wenigen Zentimetern Neuschnee. Ausschließlich vor Starkschneefall mit Neuschneemengen ab zehn Zentimeter innerhalb von zwölf Stunden warnt die UWZ.

Stürme vom Kaliber "Kyrill" lassen sich relativ gut vorhersagen. Bei kleinräumigen Sommergewittern ist es für die Meteorologen deutlich schwieriger, genau zu sagen, wo ein Unwetter sich austobt. Ein bisschen Unberechenbarkeit bleibt immer, Wetter lässt sich nicht hundertprozentig genau vorhersagen. Dafür sorgt nicht zuletzt ein Schuss Chaos in der Atmosphäre.

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