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Klimawandel: Saudi-Arabien steckt im Petro-Dollar-Dilemma


Riskante Strategie
Saudi-Arabien steckt im Petro-Dollar-Dilemma


Aktualisiert am 26.11.2019Lesedauer: 3 Min.
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Eine Ölraffinerie: Der Konzern Saudi Aramco liefert über zehn Prozent des weltweit verbrauchten Öls.Vergrößern des Bildes
Eine Ölraffinerie: Der Konzern Saudi Aramco liefert über zehn Prozent des weltweit verbrauchten Öls. (Quelle: ITAR-TASS/imago-images-bilder)

Der größte Ölkonzern der Welt geht an die Börse und wird Milliarden einspielen. Westliche Anleger werden nicht beteiligt sein. Ärgerlich, so scheint es. Doch ist das so?

Manchmal ist es ganz gut, wenn man gar nicht erst in Versuchung geführt wird. Wenn der saudi-arabische Ölkonzern Saudi Aramco in den nächsten Tagen tatsächlich an die Börse gehen sollte, werden Anleger aus Deutschland, Europa, den USA oder Asien vorerst keine Chance haben. Die Saudis werden ihren Konzern erst einmal nur in ihrer Heimat, und nicht wie ursprünglich geplant in New York, London oder Hongkong listen lassen. Die internationalen Anleger waren den Scheichs zu zögerlich. Für die Anleger der westlichen Welt ist das zwar auf den ersten Blick ärgerlich. Doch auf den zweiten Blick stellt sich die Sache in einem anderen Licht dar: Langfristig in Öl zu investieren, ist in einer Welt, die den Ausstieg aus dem Verbrauch fossiler Rohstoffe sucht, eine hochriskante Strategie.

Was ist Saudi Aramco?

Saudi Aramco ist der größte Ölkonzern der Welt. Er liefert über zehn Prozent des weltweit verbrauchten Öls. Die Firma gehört dem Staat Saudi-Arabien, der nur einen kleinen Prozentsatz – zwei bis drei Prozent – des Unternehmens an die Börse bringen will. Allein dieser Minianteil soll über 30 Milliarden US-Dollar einbringen, hofft das saudische Herrscherhaus. Das wäre mehr, als der chinesische Internet-Gigant Alibaba einsammelte, als er 2014 zum ersten Mal an die Börse ging.

Saudi-Arabien braucht dringend Geld. Wenn das Zeitalter des Öls in den kommenden Jahrzehnten zu Ende geht, muss sich das Land wirtschaftlich und gesellschaftlich neu aufstellen. Dazu kommt, dass die Ölwirtschaft zwar viel Geld verdient, aber nur wenige Arbeitsplätze schafft. Saudi-Arabien muss für seine junge, schnell wachsende Bevölkerung schon in den kommenden fünf Jahren etwa eine Million neue Arbeitsplätze schaffen, schätzt der Internationale Währungsfonds. Die Milliarden aus dem Börsengang sollen den Anfang dieses Strukturwandels finanzieren. Heute noch hängt das Land geradezu verzweifelt am Öl: 80 Prozent der Exportrechnung bestehen aus Ölexport, mehr als zwei Drittel der Staatseinnahmen beruhen auf Ölverkäufen.

Westliche Länder sehen keine Zukunft in Ölexporten

Doch für Europa, Amerika und Asien wirkt dieser Börsengang, als sei er aus der Zeit gefallen. Der Klimawandel diktiert hier das Tempo, mit dem Benzin, Heizöl, Diesel und Erdgas durch erneuerbare Energien ersetzt werden sollen. Die USA sind außerdem in den vergangenen Jahren durch neue Fördertechnologien selbst zum größten Öl- und Gasland der Welt geworden. Sie werden den mutmaßlich schrumpfenden Markt kaum den Ländern der arabischen Halbinsel überlassen.

Dazu kommt, dass ihnen Saudi-Arabien in jüngster Vergangenheit politisch noch suspekter geworden ist. Seit dem Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi in der Botschaft der Türkei und der wahrscheinlichen Verwicklung des Kronprinzen traut man der politischen und wirtschaftlichen Öffnung des Landes nicht mehr. Außerdem ist auch der vermeintliche Hort der Stabilität auf der arabischen Halbinsel vor Terror nicht gefeit: Als im September angeblich jemenitische Rebellen die größten Ölquellen des Landes angriffen, zeigte sich das Land überraschend schlecht vorbereitet und verletzlich. Ein Konzern, der nur zu einem winzigen Teil privatisiert wird und zu einem überwältigenden Rest in den Händen des Staates bleibt, muss diese Lage persönlich nehmen. Das saudische Herrscherhaus wird weiterhin über die Geschicke von Aramco bestimmen, die neuen Anteilseigner dagegen werden nichts zu melden haben.

Investoren verneinen trotz profitabler Voraussetzungen

Vor dem Hintergrund dieser Risiken ist es kein Wunder, dass die potenziellen internationalen Investoren den Preisvorstellungen des saudischen Kronprinzen nicht folgen wollten – auch wenn die saudischen Ölquellen wahrscheinlich als letzte übrig bleiben werden, wenn der Wandel zur CO2-freien Welt vollzogen wird. Rund drei US-Dollar kostet die Produktion eines Barrels Öl hier – in den meisten anderen Ländern der Welt ist es viel teurer, Öl zu gewinnen. Und die Qualität ist meist schlechter. Die Saudis haben sich zudem in den vergangenen Monaten weltweit an petrochemischen Unternehmen beteiligt: Denn Öl ist heute nicht nur für die Mobilität und das Heizen nach wie vor der wichtigste Rohstoff, sondern auch für die chemische Industrie. Hier werden fossile Ausgangsstoffe wahrscheinlich noch sehr lange eine Rolle spielen.

Die Bürger des Landes setzen auf dieses Argument. Sie stehen Schlange, um sich nach einem Börsengang an der Staatsfirma beteiligen zu dürfen. Man könnte auch sagen: Sie haben keine Wahl.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast "Tonspur Wissen".

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