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Überraschendes Rentenplus – woher kommt das Geschenk für Rentner?


Saftige Erhöhung
Was die Rentenankündigung von Minister Heil wirklich bedeutet


Aktualisiert am 22.03.2022Lesedauer: 5 Min.
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Hat Grund zum Lachen: Arbeitsminister Hubertus Heil. Schließlich hatte er gute Nachrichten für Deutschlands Rentner im Gepäck. (Archivbild)Vergrößern des Bildes
Hat Grund zum Lachen: Arbeitsminister Hubertus Heil (Archivbild). Schließlich hatte er gute Nachrichten für Deutschlands Rentner im Gepäck. (Quelle: photothek/imago-images-bilder)

Für Deutschlands Rentner hat Arbeitsminister Heil gute Nachrichten im Gepäck. Denn die Renten steigen 2022 um bis zu 6,1 Prozent – mit einem solchen Plus hatte vorher niemand gerechnet. Woran liegt das?

In diesen Zeiten sind erfreuliche Nachrichten selten. Doch für Deutschlands Rentner gibt es solche nun. Denn Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte am Dienstag an, dass die Renten dieses Jahr kräftig steigen. So kräftig, wie kaum jemand erwartete.

Selbst im politischen Berlin dürften die wenigsten mit diesem satten Rentenplus gerechnet haben. Im Westen sollen die Renten um 5,35 Prozent, im Osten Deutschlands um 6,12 Prozent steigen, wegen der Angleichung an die alten Bundesländer ziehen sie stets etwas stärker an.

"Das ist eine gute Nachricht für die Menschen, die durch ihre Arbeit jahrelang den Laden am Laufen gehalten haben", so Heil zur Rentenerhöhung. Ende November hatte er noch 4,4 Prozent genannt.

Rentenpräsidentin Gundula Roßbach sagt t-online am Dienstag: "Es wird eine der höchsten Rentenanpassungen in Deutschland seit Einführung der Rentenversicherung geben."

Doch woher kommt diese deutliche Steigerung plötzlich?

Rentenerhöhung richtet sich nach Lohnentwicklung

Um das zu begreifen, muss man die grundsätzliche Logik hinter der jährlichen Rentenanpassung verstehen: Die Entwicklung der gesetzlichen Renten folgt der Lohnentwicklung.

Nun sind die Durchschnittslöhne im vergangenen Jahr deutlich gestiegen: 5,8 Prozent im Westen und 5,3 Prozent im Osten Deutschlands. Berücksichtigt wird indes auch, wie sich die Beitragszahlungen in die Rentenversicherung insgesamt entwickeln. Denn auch aus Kurzarbeit fließen Beiträge in die Rentenkasse. Wegen der Pandemie waren die Zahlen der Beschäftigten in Kurzarbeit stark gestiegen; der Staat hatte die Zugangsregeln erleichtert.

Durch diese Logik der Rentenanpassung mussten Rentner aber vergangenes Jahr auch eine Nullrunde hinnehmen. Die Renten stiegen im Westen nicht, im Osten nur minimal. Denn im ersten Corona-Jahr 2020 sind die Löhne deutlich gefallen. Im Vergleich dazu stiegen sie vergangenes Jahr daher auch kräftig, was zu dem ordentlichen Rentenplus jetzt führt.

Verhältnis von Rentenbeziehern zu Beitragszahlern steigert Renten

Doch: Die Lohnentwicklung allein steigert die Rente dieses Jahr nicht. Eine wichtige Rolle spielt ebenso der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor. Und dieses Jahr besonders. Er ist neben der Lohnentwicklung Teil der Rentenanpassungsformel, also der Formel, die berechnet, wie stark die Rentenerhöhung Mitte des Jahres ausfällt.

Der Nachhaltigkeitsfaktor bildet das Verhältnis von Rentenbeziehern zu Beitragszahlern ab. Steigt die Zahl der Einzahler gegenüber der der Rentenbezieher, wird der Nachhaltigkeitsfaktor größer, die Renten steigen. Umgekehrt sinken die Renten aber auch, wenn die Zahl der Beitragszahler im Vergleich zu den Rentnern zurückgeht (mehr dazu lesen Sie hier).

Im vergangenen Jahr wirkte der Faktor positiv – er erhöht die Rente im Sommer um 0,76 Prozent. Allerdings entfallen 0,6 Prozent davon auf eine gesetzliche Neuregelung, die eine "überzeichnete Dämpfungswirkung" aus dem Jahr 2021 ausgleicht, wie es aus dem Arbeitsministerium heißt.

An der Entwicklung als solche ändert das nichts: 2021 zog die Zahl der Beitragszahler im Verhältnis zu den Rentenbeziehern an.

Nachholfaktor dämpft die Rentenanpassung

Dem aufmerksamen Leser fällt an der Stelle auf, dass die Rentenerhöhung durch Lohnentwicklung und Nachhaltigkeitsfaktor im Westen eigentlich bei 6,56 Prozent liegen müsste. Und nicht bei 5,35 Prozent wie von Heil verkündet.

Tatsächlich gibt es einen weiteren Faktor in der Rentenanpassungsformel, der die Lohnerhöhung etwas dämpft: den sogenannten Nachholfaktor. Um zu erklären, wie genau er wirkt, muss man ein wenig ausholen.

Wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise hat 2009 noch Olaf Scholz als Heils Vorvorgänger als Arbeitsminister eine Rentengarantie per Gesetz festgeschrieben.

Die sollte verhindern, dass die Renten gekürzt werden können, wenn die Löhne in Krisenzeiten sinken. Gleichzeitig hat Scholz den Nachholfaktor in der Rentenanpassungsformel installiert.

Dieser Faktor sorgt dafür, dass der Effekt der Rentengarantie ausgeglichen wird: Dass bei wieder steigenden Löhnen nach einer Konjunkturkrise die verhinderte Rentenkürzung rechnerisch ausgeglichen wird – die Rente also weniger stark steigt. Ziel war es, dass die Rentengarantie nicht zu einer dauerhaften Zusatzbelastung der Beitragszahler führt.

Allerdings hatte die schwarz-rote Koalition – genauer: Heil – den Nachholfaktor von 2018 an ausgesetzt. Eigentlich sollte diese Ausnahme bis Juni 2026 gelten. Einen Schritt, den Ökonomen scharf kritisierten, die FDP forderte die Reaktivierung des Nachholfaktors.

"Jetzt sparen wir in den nächsten Jahren wichtige Milliarden ein"

Treiber war hier Johannes Vogel. Bis zu seiner Wahl zum Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Dezember 2021 verantwortete er die Renten- und Arbeitsmarktpolitik der Liberalen.

"Die Renten folgen in Deutschland den Löhnen des Vorjahrs", sagt er t-online. "Das ist fair und ich freue mich für alle Rentnerinnen und Rentner angesichts dieser Erhöhung."

Zur Fairness gehörten aber zwingend auch die Faktoren in der Rentenanpassungsformel, wie der Nachholfaktor. "Jetzt sparen wir in den nächsten Jahren wichtige Milliarden für die künftigen Generationen ein und stabilisieren so die Rente", sagt er. "Man stelle sich vor, wie kräftig die Rentenerhöhung sonst ausgefallen wäre."

Bliebe der Nachholfaktor weiterhin deaktiviert, läge das Rentenplus um 1,17 Prozentpunkte höher. Wegen statistischer Sondereffekte, die der Bund bereinigt, fällt die Dämpfung durch den Nachholfaktor aber nicht allzu hoch aus.

Preise steigen deutlich

Für Deutschlands Rentner sind das in den aktuellen Zeiten zunächst gute Nachrichten – angesichts steigender Preise für Strom, Gas oder Heizöl und dem drohenden Verlust der Kaufkraft.

Im Februar hatte die jährliche Teuerungsrate in Deutschland wieder die Marke von fünf Prozent überschritten: Die Verbraucherpreise lagen um 5,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats.

Und die Lage dürfte sich eher noch verschärfen. Durch den Angriffskrieg Wladimir Putins auf die Ukraine rechnen Wirtschaftsforscher bereits mit einer steigenden Teuerung.

Rentenpräsidentin: Hohe Preissteigerung wird abgemildert

Rentenpräsidentin Roßbach freut sich daher über die Rentenerhöhung. "Hierdurch wird die hohe Preissteigerung, die in diesem Jahr erwartet wird, für die 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner abgemildert", sagte sie.

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Rückblickend habe es für die Rentnerinnen und Rentner seit 2010 ein deutliches Plus bei der Rente gegeben. "So sind die Standardrenten von 2010 bis 2020 im Westen um über 25 Prozent und im Osten über 37 Prozent gestiegen. Der Anstieg lag damit deutlich über der Entwicklung der Inflation in diesem Zeitraum."

Viele Rentner rutschen in die Steuerpflicht

Einen Wermutstropfen gibt es allerdings noch. Durch die Rentenerhöhung dürften Zehntausende Rentner dieses Jahr in die Steuerpflicht rutschen, und wohl mehr als die vergangenen Jahre.

Zwar hebt die Ampelkoalition den Grundfreibetrag an: von derzeit 9.984 Euro auf 10.347 Euro. Die Frage dürfte am Ende trotzdem sein, was nach Steuer und Inflation wirklich von der satten Rentenerhöhung übrigbleibt.

Deutschlands Rentnern bleibt nur abzuwarten. Und zu hoffen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Johannes Vogel
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