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Mittel zum Einschlafen: Sprays, Tabletten & Co. – Was hilft wirklich?


Schlafforscher warnt
Sprays, Tabletten & Co. – diese Schlafmittel können gefährlich werden


Aktualisiert am 04.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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Schlaflosigkeit betrifft eine wachsende Gruppe in der Bevölkerung.Vergrößern des Bildes
Erschöpfend und nervenzehrend: Schlaflosigkeit betrifft eine wachsende Gruppe in der Bevölkerung. (Quelle: fizkes/getty-images-bilder)

Schlaflosigkeit wird für immer mehr Menschen ein Problem. Welche Mittel bringen wirklich etwas? Der renommierte Schlafforscher Ingo Fietze gibt Tipps.

Ein- und Durchschlafprobleme plagen Millionen Deutsche. 20 bis 30 Prozent der Bundesbürger bekommen nicht genug Schlaf, so die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Viele von ihnen greifen zu Medikamenten, um die Erholung zu finden, die dem Körper ohne die Regeneration im Schlaf fehlt.

Doch was taugen diese Präparate, die zum Teil mit viel Werbeaufwand angepriesen werden? Wo liegen Gefahren? Und wie viel Schlaf brauchen wir überhaupt? Der Leiter des Schlaflabors der Charité, Ingo Fietze, gibt im Gespräch mit t-online Tipps.

t-online: Herr Fietze, wie lange muss ich jede Nacht schlafen, damit mein Körper sich ausreichend regenerieren kann und ich gesund bleibe?

Ingo Fietze: Ein Erwachsener sollte in der Regel zwischen 7,5 und 8,5 Stunden schlafen. Das wäre ideal.

Das schaffen viele oft nicht.

Das ist auch erst einmal nicht schlimm. Sie können den Schlaf dann am Wochenende oder an freien Tagen nachholen.

Nun gibt es aber Menschen, die dauerhaft schlecht in die nächtliche Erholung finden.

Wir unterteilen die Bevölkerung in drei Gruppen: Ein Drittel sind gute Schläfer, die keine Probleme haben. Ein Drittel sind sensible Schläfer. Sie entwickeln – meist mit fortschreitendem Alter – Schlafstörungen, die Schlafqualität nimmt ab. Zum Beispiel stören sie Geräusche dann mehr oder dass der Partner schnarcht. Sie können schlechter einschlafen und wachen dann auch im Lauf der Nacht immer wieder auf.

Und das letzte Drittel?

Das sind schlechte Schläfer, die chronisch unter Ein- und Durchschlafstörungen leiden. Die Trigger – also die Auslöser dafür – können unterschiedlich sein. Stress, Schichtarbeit, aber auch eine exzessive Mediennutzung sind häufig Auslöser. Drogen, Alkohol, aber auch die Stillzeiten oder die Menopause zählen dazu. Häufig schlafen ältere Menschen einfach auch schlechter und weniger.

Prof.
Prof. Ingo Fietze (Quelle: Anke Illing/dpa)

Prof. Ingo Fietze leitet das Interdisziplinäre Schlafmedizinische Zentrum an der Charité Berlin. Er gilt als einer der bekanntesten und renommiertesten Schlafforscher Deutschlands.

Haben denn Schlafprobleme zugenommen, beobachten Sie das in Ihrem Schlaflabor?

Ja, eindeutig, der Trend der schlaflosen Gesellschaft ist klar zu erkennen.

Nun bieten viele Pharmahersteller Produkte an, die den Schlaf fördern sollen. Besonders beworben werden derzeit etwa Melatonin-Sprays. Was halten Sie von denen?

Nicht viel, weil sie zu unspezifisch beworben werden.

Aber Melatonin brauchen wir schon, um in den Schlaf zu kommen?

Melatonin steuert den Schlaf-Wach-Rhythmus. Vereinfacht gesagt, wird es ausgeschüttet, wenn die Lichtintensität abnimmt, und verschiedene Körperfunktionen werden so beeinflusst, dass wir zur Ruhe kommen sollten.

Warum taugen die Sprays dann aus Ihrer Sicht nichts?

Aus mehreren Gründen taugen sie nichts für die Mehrzahl der Schlafgestörten: Erstens: Melatonin brauchen Sie, wenn bei Ihnen ein Mangel vorliegt. Dieser kann sich im Laufe des Lebens durchaus entwickeln. Melatonin-Tabletten sind verschreibungspflichtig und erst für Menschen ab 55 Jahren zugelassen. Dann bekommen sie eine Dosierung, die auch wirkt. Die Melatonin-Dosis in den Sprays wird kaum wirken. Erst recht nicht bei jungen Menschen, bei denen gar kein Mangel vorliegt.

Zweitens: Melatonin ist ein nur schwaches schlafförderndes Hormon im Ensemble der Schlafhormone. Drittens ist es mehr für Schichtarbeiter geeignet, die sich morgens nach einer Nachtschicht hinlegen wollen. Dann kann es wirken.

Dann ist das der Placebo-Effekt, der da durchschlägt?

Ja, und das würde ich auch für Präparate, die auf der Basis von Hopfen, Baldrian, Melisse oder Ähnlichem beruhen, genauso sagen. Ob solche Mittel tatsächlich nachhaltig wirken, kann man nach vier bis acht Wochen der kontinuierlichen Einnahme beurteilen.

Wie sieht es aus mit den frei verkäuflichen Einschlafhilfen aus der Apotheke? Die tragen so Namen wie Schlafsterne, Halbmond oder Hoggar Night.

Die haben durchaus eine Wirkung. Es handelt sich hierbei um Medikamente, die eigentlich zur Behandlung von Allergien entwickelt wurden. Sie schwächen die Wirkung des Hormons Histamin ab, das sowohl an der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt ist als auch an entzündlichen Prozessen im Körper. Diese Präparate wurden entwickelt, um die Beschwerden von Allergikern zu lindern. Aber sie machen eben auch sehr müde.

Also sind sie zu empfehlen?

Ja, für das Ausschlafen am Wochenende oder im Flieger bei einem Langzeitflug. Ihre schläfrig machende Wirkung hält meist sehr lange an. Dadurch kommt es am nächsten Morgen zu einem Hangover, was man sich am Wochenende vielleicht leisten kann.

Können sie auch gefährlich werden?

Die schlaffördernden Antihistaminika darf man nicht regelmäßig nehmen, da sie zu Nebenwirkungen führen können. Schlafmittel sollten ohne ärztliche Begleitung nie länger als zwei bis vier Wochen eingenommen werden. Bei schwerer Schlafstörung gern auch länger, aber nach Aufklärung und unter der Obhut eines Spezialisten. So wie zum Beispiel der Diabetologe die Insulin-Therapie begleitet.

Gibt es denn unter den freiverkäuflichen Präparaten etwas, das Sie empfehlen können?

Ich rate zu Tryptophan. Diese Aminosäure bildet die Vorstufe zu Melatonin, aber auch zu Serotonin, dem sogenannten Glückshormon. Damit schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie schlafen besser und sind ausgeglichener. Natürlich kommt Tryptophan in Nüssen, Vollkornprodukten und bestimmten Käsearten vor. Allerdings werden sie über die Ernährung allein keine schlaffördernde Wirkung erreichen. Und man muss leider sagen: Nicht jeder ist ein Responder. Heißt: Bei den meisten Betroffenen schlägt Tryptophan leider nicht an.

Wann ist eine Schlafstörung behandlungsbedürftig? Wann also sollte ich einen Schlafmediziner aufsuchen oder ins Schlaflabor kommen?

Zunächst einmal: Es kann im Leben immer Phasen geben, in denen man schlechter schläft, etwa, wenn man Sorgen hat oder trauert. Als Faustregel gilt daher: Wenn Sie länger als drei Monate an mehreren Tagen in der Woche nicht ein- oder durchschlafen können oder Sie zu früh wach werden und nicht mehr in den Schlaf finden, sollten Sie sich Hilfe holen. Erste Anzeichen können übrigens sein, wenn Sie abends länger als eine halbe Stunde zum Einschlafen brauchen.

Herr Fietze, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Ingo Fietze
  • Eigene Recherche
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