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Häusliche Gewalt: Hier finden Opfer und Täter Hilfe


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Häusliche Gewalt: Hier finden Opfer Hilfe

Von Ulrike Scheuermann

Aktualisiert am 21.10.2020Lesedauer: 5 Min.
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Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.

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Häusliche Gewalt: Es sind zu über 90 Prozent Männer, von denen die Gewalt ausgeht. Es handelt sich dabei überwiegend um Partner oder Ex-Partner des Opfers.Vergrößern des Bildes
Häusliche Gewalt: Es sind zu über 90 Prozent Männer, von denen die Gewalt ausgeht. Es handelt sich dabei überwiegend um Partner oder Ex-Partner des Opfers. (Quelle: Serghei Turcanu/getty-images-bilder)

Es ist eine andauernde Tragödie: Häusliche Gewalt gegen Frauen, konkreter: Partnerschaftsgewalt. Infolge der Corona-Pandemie mit ihren Einschränkungen steigen die Fallzahlen. Die Missstände gelangen mehr in die öffentliche Aufmerksamkeit. Was können betroffene Frauen tun? Wie können die Menschen im Umfeld helfen? Und könnte der Täter etwas ändern?

Der gefährlichste Ort für Frauen ist das eigene Zuhause. Es ist wichtig, sich einmal die Zahlen vor Augen zu halten, um das Ausmaß von häuslicher Gewalt zu realisieren und Schlüsse für nötige Veränderungen zu ziehen. Die Corona-Krise kann auch eine Chance sein, etwas im Bewusstsein unserer Gesellschaft zu ändern, denn Gewalt zu Hause ist keine Privatsache. Sie wird indirekt gefördert durch Wegsehen und -hören, durch Bagatellisierung. Die Schuldzuweisung bei Opfer und Täter tut oft ihr Übriges.

Zahlen und Fakten zu häuslicher Gewalt: Betroffene sind vor allem Frauen

  • Jede dritte Frau in Deutschland ist mindestens ein Mal in ihrem Leben von körperlicher und/oder sexualisierter Gewalt betroffen.
  • Etwa jede vierte Frau wird mindestens ein Mal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner.
  • In der Kriminalstatistik wird deutlich: Der gefährlichste Ort für Frauen ist das eigene Zuhause. Körperliche und seelische Gewalt finden überwiegend im nahen sozialen Umfeld statt. Man spricht deshalb auch von Partnerschaftsgewalt.
  • Es sind zu über 90 Prozent Männer, von denen die Gewalt ausgeht. Und von diesen Männern sind es überwiegend die eigenen Partner oder Ex-Partner. Das heißt, dass es für Frauen auch ein erhöhtes Risiko in Trennungsphasen und nach einer Trennung gibt.
  • Die Opfer sind überwiegend weiblich: Bei Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuellen Übergriffen in Partnerschaften zu 98,4 Prozent. Bei Stalking und Bedrohung in der Partnerschaft sind es fast 88,5 Prozent. Bei vorsätzlicher, einfacher Körperverletzung sowie bei Mord und Totschlag in Paarbeziehungen 77 Prozent.
  • Die absolute Zahl weiblicher und männlicher Opfer von Partnerschaftsgewalt ist unbekannt, da ungefähr zwei Drittel der Fälle nicht gemeldet werden. Bei Männern ist die Scham, wenn sie zu Opfern werden, oft noch größer als bei Frauen.
  • Wenn Kinder mit im Haushalt leben, tragen sie das Leid immer mit. Gewalt setzt sich dadurch fort. Denn Gewalterfahrungen bedingen weitere Gewalt: Kinder, die selbst direkt Gewalt erlebt haben, werden drei Mal so häufig später selbst Opfer oder Täter.

Gewalt gegen Frauen und Kinder in Zeiten von Corona

Quarantäne, Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Schulen, Homeoffice, Kurzarbeit, finanzielle Sorgen und Zukunftsängste: Unter diesen Bedingungen erfahren vor allem Frauen und Kinder jetzt verstärkt Gewalt. Es ist zu einem deutlichen Anstieg der Gewalttaten zu Hause gekommen. Zum Höhepunkt der Lockerungen im Juni 2020 verzeichnete etwa die Berliner Gewaltschutzambulanz einen Anstieg von 30 Prozent der Fälle im Vergleich zum Vorjahr, die Zahl der registrierten Kindesmisshandlungen stieg im ersten Halbjahr 2020 fast um ein Viertel an.

Gewalt hat immer auch mit Machtanspruch zu tun. In Zeiten von Krise und Isolation und damit verbundener gefühlter Hilflosigkeit und Machtlosigkeit ist Gewalt vermeintlich ein Mittel, um Kontrolle und Macht zurückzugewinnen.

Was können Gewaltopfer tun?

  • Zwei Drittel der weiblichen Betroffenen wenden sich nicht an die Polizei oder eine Hilfseinrichtung. Oft vertrauen sie den staatlichen Institutionen nicht oder haben bereits schlechte Erfahrungen gemacht. Mit Hilfetelefonen oder -chats kann jedoch der erste Schritt aus der Gewaltsituation getan werden. Weitere Hilfe wird dann möglich.
  • Viele Frauen suchen die Schuld oder Mitschuld bei sich, auch, weil das Selbstwertgefühl in der Paardynamik immer weiter sinkt. Isolation und verbale Gewalt verstärken das oft: "Ich habe ihn ja provoziert, da ist ihm die Hand ausgerutscht." Frauen entschuldigen den Täter dann sogar: "Er will es ja eigentlich nicht", "Es tut ihm hinterher doch so leid". Gelegentlich werden sie auch von Außenstehenden beschuldigt. Doch der Täter trägt die alleinige Verantwortung. Hier ist es wichtig, sich selbst immer wieder bewusst zu machen, dass die Schuld nie beim Opfer liegt.
  • Opfer lassen sich oft von Versprechen des Täters hinhalten: "Das kommt nie wieder vor". Doch wer einmal schlägt, wird es wieder tun. Es wird sogar mit der Zeit entgegen der Beteuerungen des Täters immer schlimmer. Gehen, gleich, ist die beste Möglichkeit, um sich zu schützen.
  • Viele Betroffene schämen sich. Gewalt kommt zwar auch in den "besten Familien" vor, aber man will es sich und anderen nicht eingestehen. Hier erfordert es Mut – und wiederum die richtigen Ansprechpartner, die gut damit umgehen: Wenn gewaltbetroffene Frauen sich an andere wenden, dann zuerst und am häufigsten an Personen aus ihrem nahen sozialen Umfeld. Eine klare Stellungnahme und Verurteilung der Gewalt sowie eine solidarische Haltung helfen, dass die Betroffenen sich weitere Unterstützung suchen.
  • Es gibt auch die Angst vor den Konsequenzen durch den Täter – dass die Gewalt noch schlimmer wird, wenn er erfährt, dass sie sich Hilfe gesucht hat, und man sich davor wiederum nicht schützen kann. Deshalb muss ein Ausstieg aus der Situation unbedingt mithilfe professioneller Begleitung geplant und abgesichert sein.
  • Auch Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen kann eine Rolle spielen, wenn man sich finanziell von dem gewalttätigen Partner abhängig fühlt. Doch in Deutschland haben wir hierfür ein funktionierendes Hilfesystem.
  • Die Frau sollte sich bewusst machen, dass das, was gerade passiert, Unrecht ist, und sie das nicht hinnehmen muss.
  • Es nützt nur eines: Den Zustand beenden und sich dafür Hilfe bei Menschen im Umfeld und bei Beratungsstellen holen. "Es gibt Hilfe für mich, ich bin nicht allein. Ich kann geschützt werden und habe ein Recht darauf."

Hier finden Opfer Hilfe

  • Bei akuter Bedrohung den Polizeinotruf 110 anrufen. Namen, Adresse, weitere Infos und gegebenenfalls Waffenbesitz des Täters nennen und betonen, dass sofort Hilfe benötigt wird. Bis die Polizei kommt, sich selbst und etwaige Kinder in Sicherheit bringen, zum Beispiel bei Nachbarn oder in Geschäften.
  • Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" (für Betroffene und das Umfeld): 08000/116016. Mehr Infos und Kontaktmöglichkeiten unter https://www.hilfetelefon.de
  • Hilfetelefon "Sexueller Missbrauch": 0800/2255530
  • Zwischenmenschliche, auch nachbarschaftliche Aufmerksamkeit und Organisieren von Hilfe.

Was können Gewalttäter tun, um ihr Verhalten zu beenden?

Es gibt niemals einen Grund oder eine Entschuldigung, eigene Überforderung, Unsicherheit oder Wut an anderen auszulassen. Jeder Täter trägt für das, was er tut, die Verantwortung. Wenn sich ein Täter dafür entscheidet, und das gibt es, seine Gewalttätigkeit zu beenden, ist es mit Reue und dem Vorsatz, sich zu bessern, nicht getan – denn das hält in der Regel genau bis zur nächsten Gewalteskalation an. Wer eine solche Entscheidung wirklich umsetzen will, muss Therapie- und/oder Beratungsangebote in Anspruch nehmen.

Drei Fragen, die sich ein Täter stellen sollte:

  • Warum werde ich gewalttätig? Welche Not steht hinter meiner Aggression und wie kann ich anders damit umgehen? – Gewalttägiges Verhalten kommt nicht aus dem Nichts. Sie wurde irgendwann im Leben entweder durch Beobachtung oder Erfahrung am eigenen Leib erlernt und auf diese Weise ins eigene Verhaltensrepertoire integriert.
  • Wie kann ich die Gewalt beenden? – Herausfinden, wie man sich selbst beruhigen kann und daraus einen Notfallplan erstellen, auf Alarmsignale achten und den Notfallplan anwenden. Durch das Anerkennen, dass man selbst das Problem ist, durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Betroffenheit und dem Bewältigen schwieriger Emotionen können Täter mithilfe von professioneller Begleitung lernen, ohne Gewalt weiterzuleben.
  • Wo gibt es Hilfe? – Es gibt Beratungs-, Therapie- und Trainingsprogramme für Täter von Partnerschaftsgewalt. Die bundesweite kostenfreie und anonyme Hotline 0800/7022240 etwa bietet telefonische therapeutische Hilfestellungen für Menschen an, die befürchten, gewalttätig zu werden. Weitere Adressen und Infos zum Beispiel unter www.maennerberatungsnetz.de

Hier finden Täter Hilfe

  • Hilfetelefon für Täter (für Täter und das Umfeld): Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt: www.bag-taeterarbeit.de, Telefon 0162/1398443

Betroffene, Täter, Menschen im Umfeld – wir alle können dazu beitragen, Partnerschaftsgewalt zu Hause zu beenden. Wir können aufmerksam sein und Hilfe anbieten. Wir können uns klar gegen jegliche Gewalt positionieren, indem wir bei jeder Gelegenheit vermitteln: Gewalt gegen andere ist nicht erlaubt und nicht entschuldbar, auch nicht die "mal ausgerutschte Hand".

Ulrike Scheuermann ist Diplom-Psychologin und Bestsellerautorin. Seit 25 Jahren hilft sie Menschen dabei, gut für sich zu sorgen. Ihre Self-Care-Programme finden in ihrer Akademie in Berlin statt.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • www.ulrike-scheuerman.de
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