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Corona-Schnelltests: Wie gut sind sie in der Corona-Bekämpfung?


Reihenweise falsche Ergebnisse
Wie zuverlässig ist die deutsche Schnelltest-Strategie?


18.05.2021Lesedauer: 4 Min.
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Vor dem Shoppen zum Schnelltest: Kann so das Infektionsrisiko gebannt werden?Vergrößern des Bildes
Vor dem Shoppen zum Schnelltest: Kann so das Infektionsrisiko gebannt werden? (Quelle: IMAGO / Sven Simon)

Spucken, gurgeln, popeln

Vor einer Woche startete Nordrhein-Westfalen mit dem flächendeckenden Lolli-Test an Grund- und Förderschulen zur Bekämpfung des Coronavirus. Für 730.000 Schüler und Schülerinnen (und Schul- und Kitakinder auch in Freiburg) gilt dann zwei Mal pro Woche folgendes Prozedere: Die Kinder lutschen 30 Sekunden auf dem Probestäbchen. Die Stäbchen einer Klasse gehen in einen Behälter und werden zum PCR-Testlabor transportiert.

Dort werden sogenannte Pool-Testungen vorgenommen. Statt einzelne Proben zu analysieren, untersucht man, ob das Virus in den eingereichten Sammelproben gefunden werden kann. Wurde eine Corona-positive Probe entdeckt, bleiben alle Kinder der Klasse am nächsten Tag zu Hause und führen dort den Lutschtest erneut durch.

Diese Tests werden dann individuell im Labor analysiert und die positiven Kinder identifiziert. Sie bleiben dann in Quarantäne. Wer sich sonst noch isolieren muss, entscheidet das Gesundheitsamt.

Lolli-Test durch PCR-Verfahren besonders sicher

Die Methode hat zwei entscheidende Vorteile. Zum einen ist sie deutlich angenehmer als die Probenentnahme mit langen Stäbchen im Nasen- oder Rachenraum.

Das NRW-Schulministerium teilt mit: "Die Handhabung des Lolli-Tests ist einfach und kind- bzw. altersgerecht. Der Speicheltest ist wesentlich angenehmer in der Durchführung und sorgt daher für eine höhere Akzeptanz bei den teilnehmenden Schülern."

Zum anderen ist die Auswertung der Proben nach der PCR-Methode besonders verlässlich. Schon geringe Viruslasten werden im Labor zuverlässig aufgespürt. Die auf dem Markt befindlichen Schnell- und Selbsttests erreichen diese Standards bei Weitem nicht.

Von 100 Infizierten werden 42 im Schnelltest nicht erkannt

Im März 2021 wertete ein internationales Netzwerk aus Wissenschaftlern und Ärzten 64 Forschungsarbeiten zur Genauigkeit von Schnelltests in einer sogenannten Metastudie aus. Das erschreckende Ergebnis des "Cochrane-Review": Symptomlos Infizierte die in der Pandemie eine besondere Gefahr darstellen wurden nur zu 58 Prozent als solche erkannt. Tests einiger Hersteller erkennen sogar nur 29 Prozent. Und selbst symptomatisch Infizierte werden von einem Produkt nur in 34 Prozent der Fälle erkannt. Offenbar ist die Qualität der Tests einiger Hersteller zweifelhaft.

Produktmängel bei Schnelltests?

Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums teilte "tagesschau.de" mit, die Unterschiede bei den Ergebnissen ließen sich damit erklären, dass die Verlässlichkeit eines Antigen-Schnelltests stark von verschiedenen Faktoren abhänge "nämlich 'vom Zeitpunkt der Probennahme, der Qualität der Probe, der sachgerechten Durchführung des Tests und von der lokalen Verbreitung der Infektion'. Daher schließe ein negatives Ergebnis eine Infektion nicht aus."

Wann und wie die Probe genommen wird, scheinen tatsächlich die entscheidenden Faktoren zu sein. Dr. Roland Ballier ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für nicht-aktive Medizinprodukte in Konstanz. Er erklärt im Gespräch mit t-online: "Das Problem ist auch immer der Zeitpunkt der Testung: Bei Corona treten im Schnitt etwa fünf bis sieben Tage nach der Infektion Symptome auf. Zuverlässig schlagen die meisten Antigenschnelltests erst bei ersten Symptomen an. Aber: Bereits zwei Tage vor deren Auftreten sind diese Menschen schon infektiös. Hier fallen die Tests aber meistens negativ aus. Damit fischen Sie zum Beispiel auch asymptomatische Virusträger oft nicht heraus."

Abstrich besser als Speichel

Und auch, auf welchem Weg die Proben entnommen wurden, spielt seiner Erfahrung nach eine Rolle: "Ich selbst habe Hunderte Abstriche gemacht und meine Erfahrung ist, dass Speicheltests oder zum Beispiel auch das Gurgeln mit einer Kochsalzlösung häufiger falsche Ergebnisse liefern", so Ballier.

Zu erklären ist das leicht: "Die Nase wird vom Essen und Trinken weniger beeinflusst. In unserer Region wurde ein Fall bekannt, bei dem fünf Kinder positiv schnellgetestet wurden. Die Nachprüfung über den PCR-Test brachte negative Ergebnisse. Vermutet wird, dass das Lutschen saurer Bonbons zu diesem Ergebnis führte." Nahrungsaufnahme kann also auch Ergebnisse verfälschen.

Wer vor dem Besuch bei den (noch) ungeimpften Eltern oder Großeltern auf Nummer sicher gehen will, sollte sich nicht auf die Laien-Selbsttests für zu Hause verlassen: "Auf der sicheren Seite sind Sie dann, wenn Sie den Test an einer Stelle mit medizinisch ausgebildetem Personal machen. Nachvollziehbarerweise ist das logistisch nicht für alle möglich. In die Tests von branchenfremden Personen, die sich die korrekte Probenentnahme beispielsweise über Schulungsvideos angeeignet haben, würde ich deutlich weniger vertrauen. Und auch Selbsttests, die von angelernten Laien überwacht werden, sind fehleranfällig."

Und noch ein wichtiger Hinweis des Experten: "Ich warne dringend davor, sich Laien-Schnelltests aus dem Internet zu besorgen, vor allem dann, wenn sie besonders günstig erscheinen. Wenn nicht klar ist, wer genau hinter einem Internet-Angebot steht, wenn kein EU-Repräsentant genannt wird, der ansprechbar ist, wenn dubiose Zahlungsabläufe gefordert werden, ist mit Fälschungen zu rechnen."

Steigt die Corona-Gefahr durch die Schnellteststrategie?

Auf dem Weg zu Öffnungen und Lockerungen der Anti-Corona-Maßnahmen setzt die Regierung neben den Impfungen auf den Baustein der flächendeckenden Schnelltests. Wie gefährlich ist diese Strategie angesichts offenbar fehlerhafter Produkte, Fälschungsmöglichkeiten und Handhabungsmängeln?

Dem Bundesgesundheitsministerium scheinen die Probleme zumindest bewusst zu sein. "tagesschau.de" teilte der Sprecher mit: Die Unterschiede zu den tatsächlichen Ergebnissen "würden 'bei der Weiterentwicklung insbesondere der Nationalen Teststrategie der Bundesregierung berücksichtigt'". Unklar bleibt, was das genau bedeuten soll.

Etwas anderes könnte jedoch für die Pandemiebekämpfung hierzulande in den nächsten Wochen noch entscheidend sein: Selbst wenn wir das Coronavirus zunächst nicht über die Anzahl der Impfungen und fehlerhafte Schnelltests in Schach halten können, könnte uns das Wetter helfen.

Dr. Ralf Bartenschlager, Präsident der Gesellschaft für Virologie erklärt: "Der Sommer bietet in der Virusverbreitung einen saisonalen Vorteil, zumindest wenn die Inzidenz niedrig ist: Die Menschen sind mehr draußen, die Abstände sind größer, UV-Licht und Wärme sind der Virusverbreitung nicht förderlich."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Dr. Roland Ballier (Stand 11. Mai 2021)
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