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Immunologe über vierte Impfung: "Wird das Problem nicht dauerhaft lösen"


Immunologe stellt klar
"Auch die vierte Impfung wird das Problem nicht dauerhaft lösen"


Aktualisiert am 23.02.2022Lesedauer: 3 Min.
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Corona-Impfung: Älteren und Risikopatienten wird bereits der vierte Piks angeboten.Vergrößern des Bildes
Corona-Impfung: Älteren und Risikopatienten wird bereits der vierte Piks angeboten. (Quelle: Markus Scholz/dpa)

Seit Anfang des Monats empfiehlt die Ständige Impfkommission die vierte Impfung für bestimmte Gruppen. Wie sinnvoll ist sie? Ein Immunologe schätzt den Nutzen ein.

Älteren, Menschen in Pflegeeinrichtungen, Immungeschwächten und dem medizinischen Personal wird seit Anfang Februar der vierte Anti-Corona-Piks empfohlen. t-online fragte den Immunologen Andreas Radbruch: Was bewirkt die vierte Impfung und für wen ist sie wirklich sinnvoll?

t-online: Herr Radbruch, brauchen wir alle den Booster für den Booster?

Andreas Radbruch: Nein, denn gegen eine vierte Impfung für alle spricht, dass das immunologische Gedächtnis nach der dritten Impfung bei den meisten Geimpften offenbar "satt" ist. Es reagiert auf den gleichen Impfstoff in der gleichen Konzentration in der gleichen Anwendung bei der vierten Impfung nur noch marginal. Der in die Muskeln injizierte Impfstoff wird von den Gedächtnisantikörpern im Blut abgefangen, bevor er eine erneute Immunreaktion auslösen kann.

Also ist die Impfung doch nicht der erhoffte Heilsbringer?

Die Impfung schützt immer noch gut vor schweren Krankheitsverläufen. Aber das Virus kommt über die Atemwege und damit über die Schleimhäute. Die Antikörper auf den Schleimhäuten müssen erst aus dem Blut durch das Gewebe nach außen transportiert werden. Offenbar erzeugen unsere Impfstoffe auch solche Antikörper, sie verschwinden bei den meisten jedoch relativ rasch wieder, warum weiß man nicht.

Andreas Radbruch
Andreas Radbruch (Quelle: Gero Breloer)


Dr. Andreas Radbruch ist Immunologe und Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin.

Nun wird die vierte Impfung vor allem für Ältere und Menschen in Pflegeeinrichtungen empfohlen. Ist das nach Ihrer Ansicht sinnvoll?

Tatsächlich wäre es wichtig zu wissen, ob bei alten Menschen das immunologische Gedächtnis auch schon nach der dritten Impfung "satt" ist, oder ob es nicht einfach länger braucht, um "satt" zu werden, also auch auf eine vierte Impfung noch gut reagiert. Aber sicher ist die Empfehlung der Stiko sinnvoll, dieser Altersgruppe eine zusätzliche vierte Impfung anzubieten.

Immer mit dem gleichen Impfstoff?

Anzuraten wäre, bei Biontech-Geimpften den Impfstoff von Moderna für die vierte Impfung zu nehmen, der etwas höher dosiert ist, und deshalb das "reaktive" immunologische Gedächtnis besser (re)aktiviert.

Ist dann nach der vierten Spritze Schluss?

Nein, leider nicht. Man sollte nur nicht glauben, mit der vierten Impfung ließe sich das Problem dauerhaft lösen. Denn auch dieser Schutz, so es ihn dann gibt, wird rasch verschwinden. Und auch das immunologische Gedächtnis Älterer wird irgendwann "satt" sein, falls es das nicht schon ist, und nicht mehr auf zusätzliche Impfungen reagieren.

Hier ist das eigentliche Problem, dass unsere Impfstoffe keinen langfristigen Schutz vor Infektion bieten, was wir als sterile Immunität bezeichnen. Da müssen wir auf neue Impfstoffe warten. Vielleicht leisten das solche, die über die Schleimhäute aufgenommen werden, inhaliert oder oral? Bis dahin hilft nur: Infektionen durch das Testen aufspüren und die sofortige Verabreichung antiviraler Medikamente bei Infektionen in den Risikogruppen.

Sie plädieren außerdem für breitflächige Untersuchungen des Immunstatus ...

Ja, man muss darüber nachdenken, ob bei den sehr alten (und anderen) eine Feststellung des Immunstatus sinnvoll wäre, also einfach die Messung der Antikörper im Blut und wenn möglich im Speichel. Und darüber hinaus die Messung von anti-Interferon Autoantikörpern bei Älteren, die das Virus für sie so gefährlich machen, weil sie dann keine effektive Immunantwort gegen Viren machen können.

Ungefähr vier Prozent der über 70-Jährigen haben solche Antikörper, aber 20 Prozent der Patienten auf den Intensivstationen, alle mit schlechter Prognose. Infizierte mit solchen Autoantikörpern, und ältere Patienten mit keinen oder nur wenigen Antikörpern gegen das Virus sollten prinzipiell von Anfang an mit antiviralen Medikamenten behandelt werden.

Herr Radbruch, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Andreas Radbruch
  • Eigene Recherche
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