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Ende der Corona-Maßnahmen: Risikopatienten haben Angst


Ende der Maskenpflicht
Risikopatientin: "Das ist einfach Wahnsinn"


Aktualisiert am 31.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ende der Maskenpflicht: Was ein Corona-Infizierter im Supermarkt auslösen kann, zeigt dieses 3D-Modell von finnischen Forschern. (Quelle: t-online)

In fast allen Bundesländern fällt in den kommenden Tagen die Maskenpflicht in vielen Bereichen. Auch andere Corona-Maßnahmen sind passé. Für viele Risikopatienten bedeutet das jedoch keineswegs Freiheit.

Genoveva ist 27 Jahre alt und wirkt eigentlich kerngesund. Was man der jungen Frau nicht ansieht: Sie hat eine Krebserkrankung überstanden. Doch durch die Metastasen ist ihr Lungengewebe stark vernarbt, eine Covid-Erkrankung könnte sie das Leben kosten. "Wenn ich mir das einfange, ist es vielleicht das letzte, was ich erlebe", sagt sie.

Wie ihr geht es Millionen Menschen in Deutschland. Eine Aufhebung der Corona-Maßnahmen, wie sie in den kommenden Tagen in den meisten Bundesländern stattfindet, ist für diese Menschen kein "Freedom Day". Vielmehr sorgt das Ende von Maskenpflicht und Co. für Angst und Sorgen. t-online hat mit der Risikopatientin und mit Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz gesprochen.

Wie viele Menschen in Deutschland sind betroffen?

Laut Robert Koch-Institut (RKI) zählen zahlreiche Personengruppen zu den Menschen, die ein höheres Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben. Unter anderem betroffen sind:

  • Personen ab 60 Jahren, da das Immunsystem mit dem Alter immer schwächer reagiert
  • Herz-Kreislauf-Patienten
  • Diabetes-Erkrankte
  • Patienten mit Erkrankungen des Atmungssystems, der Leber oder der Niere
  • Krebspatienten
  • Personen mit Übergewicht
  • Raucher
  • Immungeschwächte (beispielsweise durch bestimmte Medikamente)

Insgesamt zählen in Deutschland rund 36,5 Millionen Menschen zur Corona-Risikogruppe. Etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung zählt sogar zur Hochrisikogruppe.

Was bedeutet die Aufhebung der Corona-Maßnahmen für sie?

Genoveva blickt voller Sorge auf die Aufhebung der Maßnahmen: "Es gibt jetzt schon haufenweise Menschen, denen ich begegne, die vielleicht unwissentlich infiziert sind oder eigentlich in Quarantäne sind und sich nicht daran halten", sagt sie. "Denen würde ich dann künftig auch noch ohne Maske im Supermarkt gegenüberstehen. Wir sind dann nirgendwo mehr sicher." Sie betont: "Jetzt alles zu lockern, ist einfach Wahnsinn!"

Deshalb fordert sie Alternativen auf vielen Ebenen. "Corona hat einen Patientenstamm geschaffen, den es vorher so nicht gab", erklärt sie, wer Tuberkulose oder eine schwere Grippe habe, laufe nicht symptomlos draußen herum. Davor könne man sich folglich gut schützen – vor einer nahezu unsichtbaren Corona-Infektion hingegen nicht.

Genauso unsichtbar ist jedoch auch die Vorerkrankung von Genoveva. Nach einer extremen Erfahrung traut sie sich daher nicht mehr, Menschen beispielsweise auf die Maskenpflicht hinzuweisen. "Seitdem nehme ich einfach selbst Abstand, so gut es geht." Nach zwei Jahren Pandemie fürchtet sie, die Situation sei eher schlimmer als besser geworden.

"Normalität wie 2019 wird es nie wieder geben"

Die 27-Jährige aus Rheinland-Pfalz macht außerdem klar, dass die alte Normalität ohnehin nicht zurückkommen werde, auch dann nicht, wenn die Corona-Maßnahmen aufgehoben sind.

"Wir müssen uns klarmachen, dass es eine Normalität wie 2019 nie wieder geben wird", betont sie. "Und ich finde es wirklich nicht zu viel verlangt, an bestimmten Orten vorübergehend eine Maske zu tragen, wenn damit Tausende Leben geschützt werden können." Sie könne nicht nachvollziehen, wie bei so vielen Toten von Normalität gesprochen werden kann.

Die 27-Jährige kritisiert zudem die Ausrichtung der Regelungen: "Die Maßnahmen orientieren sich laut unserem Justizminister ausschließlich an einer Überlastung des Gesundheitssystems, genauer gesagt der Intensivstationen. Diese sind jedoch die letzte Barriere zum Tod. Noch dazu eine, die dem tatsächlichen Verlauf der Pandemie immer um ein paar Wochen hinterherhängt. Wir sehen heute die Toten von vor einigen Wochen."

Es sei nahezu "unmenschlich" alles von der Überlastung des Gesundheitssystems und nicht von Menschenleben abhängig zu machen. "Diese Zahlen werden steigen. Ohne die Maskenpflicht sehr schnell", ist die Risikopatientin überzeugt. "Wir haben ein im Grundgesetz verankertes Recht auf körperliche Unversehrtheit. Das wird hier mit Füßen getreten."

Auch Patientenschützer beklagen Aufhebung der Maßnahmen

"Erst fielen die PCR-Tests, selbst wenn die Corona-Warn-App Rot zeigt. Jetzt laufen die Bürgertests aus. Sogar die Quarantäne soll abgeschafft werden", beklagt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, ebenfalls das geplante Ende der Maßnahmen.

"Allein die neuen Hotspot-Regelungen sind die Grundlage für Corona-Maßnahmen. Doch was ein Hotspot ist, dafür fehlen objektive Kriterien. Die Überlastung der Intensivstationen oder die Hospitalisierungsrate können es jedenfalls nicht mehr sein."

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz ist eine Organisation zur Interessenvertretung von schwerstkranken, pflegebedürftigen und sterbenden Menschen.

Was wird zum Schutz der Risikopatienten gefordert?

Genau genommen könne Genoveva ohne die aktuellen Maßnahmen nicht einmal mehr ohne Angst zum Zahnarzt fahren. "Das ist wirklich richtig gruselig", sagt die 27-Jährige. Die Maskenpflicht sei für sie die wichtigste Corona-Regel – wenigstens an den Orten, die zum täglichen Leben gehören wie Apotheken, Supermärkte oder Arztpraxen, sollte diese daher erhalten bleiben.

"Außerdem würde ich mir wünschen, dass es für Menschen wie mich Alternativangebote beispielsweise in der Schule gibt", sagt sie. Präsenzunterricht sei viel zu gefährlich für sie und auch für viele ungeimpfte Kinder und deren Angehörige, Alternativen gebe es häufig nicht.

Aber auch die gesamte politische Kommunikation innerhalb der Krise müsse optimiert werden, so die Risikopatientin. Generell scheine die Organisation der Pandemie auf sehr vielen Ebenen schlecht geplant. "Wenn man sich nicht selbst informiert und recherchiert, findet man viele Informationen schlichtweg nicht", kritisiert sie.

Patientenschützer fordert tägliches Corona-Radar

Zusätzlich fordert Experte Brysch: "Deshalb braucht es ein tägliches Corona-Radar. So lässt sich ablesen, wie viele der Betten in einem Krankenhaus belegt werden können. Erst dann wird klar, ob die Kapazität am Anschlag ist. Ebenso müssen die tatsächlichen Hotspots der Altenpflege in den Blick genommen werden."

Dort brauche es bei hohen Inzidenzen ein "permanentes Testregime unabhängig vom Impfstatus". Brysch fordert zudem: "Bei drohenden Ketteninfektionen in einer Einrichtung sind externe pflege-medizinische Task-Forces notwendig. So kann der Überlastung im Pflegeheim gemeinsam mit Ausweichquartieren entgegengewirkt werden."

Der Patientenschützer betont: "Täglich Hunderte Tote in der Gruppe der vulnerablen Menschen dürfen keine Selbstverständlichkeit bleiben."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Interview mit Risikopatientin Genoveva
  • Interview mit Eugen Brysch, Deutsche Stiftung Patientenschutz
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