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Wahlen in Israel: Auf diesen Radikalen ist Netanjahu angewiesen


Regierungsbildung in Israel
Der radikale Königsmacher

  • David Schafbuch
Von David Schafbuch

Aktualisiert am 02.11.2022Lesedauer: 4 Min.
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Itamar Ben-Gvir bei einem Protest radikaler Siedler im Jahr 2008: Der Hardliner könnte Benjamin Netanjahu zur Rückkehr an die Macht verhelfen. (Quelle: David Silverman/Getty Images)

Ein Mann, der mit Pistolen fuchtelt, will nach den Wahlen in Israel Sicherheitsminister werden. Für Benjamin Netanjahu ist der Radikale Itamar Ben-Gvir wohl der einzige Weg zur Macht.

Ein leichtes Lächeln huscht über das Gesicht von Itamar Ben-Gvir. In seinen Händen hält er das Kühleremblem eines Cadillacs, der dem damaligen israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin gehörte. "So wie wir an das Emblem gekommen sind, können wir auch an Rabin herankommen", erzählt er stolz in die Kamera eines Fernsehteams.

Damals, im Jahr 1995, war noch nicht klar, was eines Tages aus dem jungen Mann werden soll: eine bedeutende Figur der israelischen Politik, einer, der fast 30 Jahre später Benjamin Netanjahu abermals zum Ministerpräsidenten des Landes machen könnte.

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Und so wirken die Worte des jungen Ben-Gvir aus heutiger Sicht fast wie eine Prophezeiung. Nur wenige Wochen nach dem Interview von damals starb Rabin, erschossen von einem religiösen Fanatiker im Hass auf den Staatsmann, der mit Yassir Arafat die palästinensischen Autonomiegebiete verhandelt hatte.

Die Einstellungen des heute 46-jährige Ben-Gvir haben sich seitdem kaum geändert. Noch immer ist er am äußeren rechten Rand politisch aktiv – und dabei so erfolgreich wie nie: Bei den Parlamentswahlen wird er, der mit anderen radikalen Kräften das Bündnis "Religiöser Zionismus" geschlossen hat, wohl die drittstärkste Kraft im Land werden.

Davon dürfte Netanjahu profitieren: Denn mit den Sitzen der Rechtsextremen in der Knesset könnte der 73-Jährige sich wahrscheinlich eine Mehrheit sichern und zum dritten Mal das Amt des Regierungschefs übernehmen. Doch was würde die wohl rechteste Regierung in der Geschichte Israels für das Land bedeuten?

"Ben-Gvirs Positionen sind definitiv eine Gefahr für die liberale Demokratie", sagt Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Gespräch mit t-online. Darüber hinaus sei das Erstarken des rechten Randes direkt auf Netanjahu zurückzuführen: Gegen den Politiker wird schon lange wegen Korruptionsvorwürfen ermittelt.

Dadurch ist laut Lintl das gesamte politische Spektrum in Israel gespalten in der Frage, ob man mit dem Politiker noch zusammenarbeiten sollte. Die vorangegangene Regierung – ein Zusammenschluss von acht Parteien aus moderaten, nationalistischen, linken und arabischen Kräften – hatte nur gemein, dass sie eine erneute Regierungsbeteiligung von Netanjahus Likud-Partei verhindern wollte.

Kein Platz für Palästinenser

Nachdem die Regierung nach etwa einem Jahr zusammengebrochen war, schlug die Stunde von Ben-Gvir. Netanjahu führte ihn mit der Partei des ebenfalls am rechten Rand stehenden Politikers Bezalel Smotrich zusammen, wodurch sie in einer gemeinsamen Liste antraten. Doch was für ein Mensch ist Ben-Gvir – wie tickt er und warum gilt er als so gefährlich?

Für viele Menschen ist der 46-Jährige noch immer ein rotes Tuch. Doch durch seine markigen Worte und Provokationen hat er es wie Donald Trump immer wieder geschafft, große Aufmerksamkeit in den Medien zu erhalten. Dabei ist seine Vergangenheit in der israelischen Öffentlichkeit bestens bekannt:

Als Jugendlicher schloss sich Ben-Gvir der mittlerweile verbotenen Kach-Partei des rassistischen Rabbiners Meir Kahane an. Als Anwalt verteidigte er etliche radikale Siedler vor Gericht, während seine Partei als Nachfolgeorganisation von Kach gilt.

Dementsprechend radikal sind auch die Forderungen von Ben-Gvir: Das gesamte Westjordanland müsse von Israel annektiert werden. Der 46-Jährige lebt selbst in einem besetzten Gebiet in Hebron. In seinem Haus hing bis vor Kurzem noch ein Bild von Baruch Goldstein, der bei einem Attentat in der Stadt 1994 29 Muslime tötete und mehr als 100 weitere verletzte.

Zudem sollte das israelische Militär bei seinen Einsätzen straffrei agieren können, wenn es nach dem Hardliner geht. Ben-Gvir selbst durfte den obligatorischen Militärdienst in seiner Heimat nicht antreten, weil er wegen seiner radikalen Ansichten nicht zugelassen wurde.

Auseinandersetzungen mit gezogener Waffe

Gleichzeitig setzt er sich für die großflächige Abschiebung von Arabern ein. Die Worte "Tod den Arabern" will er zwar heute nicht mehr von seinen Anhängern hören, stattdessen solle man lieber "Tod den Terroristen" rufen. Eine glaubhafte Distanzierung sieht Tomer Persico von Shalom Hartman Institut in Jerusalem darin nicht. Man müsse nur ein wenig an der Oberfläche kratzen, damit Ben-Gvirs Rassismus deutlich werde, erklärte der Wissenschaftler dem Fernsehsender 3sat.

Wie kurz die Zündschnur des gelernten Anwalts ist, zeigte sich in der Vergangenheit bei mehreren Vorfällen: Im vergangenen Dezember wurden Aufnahmen publik, wie Ben-Gvir sich heftig mit zwei arabischen Sicherheitskräften in einem Parkhaus streitet. Die Sicherheitsleute sollen den Politiker zuvor darum gebeten haben, sein Auto umzuparken.

Ben-Gvir zog gegenüber den unbewaffneten Männern eine Pistole. Als er kürzlich in Ost-Jerusalem von Palästinensern mit Steinen attackiert wurde, forderte er ebenfalls mit gezogener Waffe Polizisten auf, das Feuer gegen die Demonstranten zu eröffnen. Ben-Gvir erhebt Anspruch auf den Ministerposten für Sicherheit, wodurch er für die Polizei verantwortlich wäre.

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"Alles, was dieser Mann sagt, facht die Konflikte in Israel weiter an", sagt Nahostkenner Lintl. Benjamin Netanjahu scheint das bis jetzt kaum zu stören. Gemeinsame öffentliche Auftritte hatte der 73-Jährige zwar im Wahlkampf vermieden. Doch das rechtsextreme Bündnis von Ben-Gvir könnte die einzige Möglichkeit sein, aktuell wieder Regierungsverantwortung zu übernehmen.

Allerdings könnte ein solches Bündnis dem Politiker noch einen weiteren großen Vorteil bringen: Gemeinsam wollen beide Parteien auch die Justiz reformieren, wodurch sich die Korruptionsermittlungen gegen Netanjahu möglicherweise in Luft auflösen könnten.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Peter Lintl
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
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