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Putins "Händler des Todes": Seine Geschichte war Inspiration für Hollywood


Putin bekommt "Händler des Todes"
Haben sich die USA bei diesem Deal verzockt?

  • Theresa Crysmann
Von Theresa Crysmann

Aktualisiert am 09.12.2022Lesedauer: 5 Min.
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Wiktor But, kurz nach seiner Verhaftung im Jahr 2008, und Russlands Machthaber Wladimir Putin.Vergrößern des Bildes
Wiktor But, kurz nach seiner Verhaftung im Jahr 2008, und Russlands Machthaber Wladimir Putin.

Die USA entlassen einen der berüchtigsten Waffenhändler der Welt, um in Russland eine Sportlerin freizubekommen. Für den Kreml ist der Deal ein großer Gewinn.

"Weltweit sind mehr als 550 Millionen Schusswaffen im Umlauf – das heißt, auf diesem Planeten hat jeder zwölfte Mensch eine Waffe. Da stellt sich nur eine Frage: Wie bewaffnet man die anderen elf?" Mit dieser zynischen Punchline fasste Schauspieler Nicolas Cage im Spielfilm "Lord of War" die Weltsicht des russischen Waffenhändlers Wiktor But zusammen, den Cage in dem Kinoklassiker von 2005 spielte.

Damals war der reale Wiktor But noch auf freiem Fuß, bevor ihm thailändische Ermittler eine Falle gestellt und ihn in die USA ausgeliefert hatten. Nun, nach mittlerweile zehnjähriger Haft in einer US-Strafanstalt, ist But dank eines spektakulären Gefangenentauschs nun wieder ein freier Mann.

Was sich am Donnerstag zutrug, erinnert an Szenen aus dem Kalten Krieg: Mittelsleute der russischen Regierung hatten die amerikanische Basketballerin Brittney Griner in ein Flugzeug nach Abu Dhabi gesetzt, die US-Regierung ließ derweil Wiktor But ausreisen. Während But bereits am frühen Nachmittag in Moskau landete, bestätigte US-Präsident Joe Biden ungefähr zeitgleich den Heimatflug Griners. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sollen den Tausch laut eigenen Angaben eingefädelt haben.

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"Sie ist in Sicherheit. Sie sitzt in einem Flugzeug. Sie ist auf dem Weg nach Hause", so Biden auf Twitter. Er habe selbst mit ihr gesprochen. Dass Griner (32) zuvor fast 300 Tage in einem Moskauer Gefängnis und dann in einer entlegenen Strafkolonie inhaftiert war, dürfte strategische Gründe gehabt haben.

Die Sportlerin der nordamerikanischen Profi-Basketballliga war am 17. Februar 2022, wenige Tage vor Russlands Angriff auf die Ukraine, am Moskauer Flughafen Scheremetjewo festgenommen worden. In ihrem Handgepäck waren zuvor Vape-Kartuschen mit Cannabis-Öl gefunden worden. Noch bevor ein Gericht sie Anfang August zu einer neunjährigen Haftstrafe wegen Drogenbesitzes und -schmuggels verurteilte, hatten russische Staatsmedien einen Tausch gegen Waffendealer But ins Gespräch gebracht.

Rückholung war Chefsache im Kreml

Bereits 2012 hatte Russlands Außenminister Sergej Lawrow angekündigt, dessen Freilassung zur Chefsache machen zu wollen. Der Kreml werde alles tun, um But nach Hause zu holen, so Lawrow damals.

Ein New Yorker Gericht hatte den berüchtigten Geschäftsmann kurz zuvor wegen Waffenhandels, der Verschwörung zur Tötung von US-Bürgern und -Regierungsmitarbeitern sowie zum Abschuss von Flugzeugen zu einer 25-jährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Mehr als ein Jahrzehnt hatte But zuvor Waffen in Kriegs- und Krisengebiete weltweit geliefert.

Auch Terroristen und Diktatoren sollen zu seinen Kunden gehört haben, weshalb er unter dem Spitznamen bekannt wurde, dem ihm der ehemalige britische Minister Peter Hain einst verpasst hatte: "Merchant of Death", zu Deutsch "Händler des Todes".

Angaben über Buts Kindheit und Jugend weichen teilweise voneinander ab, die meisten Quellen gehen jedoch davon aus, dass er 1967 in Tadschikistan geboren wurde. Nach seiner Ausbildung an einer Moskauer Kaderschmiede für Übersetzer, an der er Englisch, Französisch, Portugiesisch, Arabisch und Persisch lernte, studierte But Wirtschaft.

Im Anschluss arbeitete er als Militärübersetzer für die Sowjetarmee in Angola. Auf Kontakte, die er dort aufbaute, konnte er auch später für seine Geschäfte zurückgreifen. Buts Wandel vom Übersetzer zum Waffenhändler begann mit dem schrittweisen Kollaps der Sowjetunion: Seine Ware bekam er billig von den schrumpfenden Truppen und verkaufte diese in Krisenregionen weltweit.

Der Kauf von rund 60 alten Militärflugzeugen der Sowjetarmee ermöglichte es ihm, seine Geschäfte eigenständig und über Mittelsleute abzuwickeln. Als Umschlagplatz nutzte er dafür eine Basis in den Vereinigten Arabischen Emiraten, er selbst hatte seine Geschäftszentrale im Emirat Schardscha am Persischen Golf.

Bei ihm kauften Warlords, Terroristen – und die US-Regierung

Zu den Kunden des russischen Waffendealers soll unter anderem der einstige liberianische Warlord und Präsident Charles Taylor gehört haben. But soll jedoch ebenso dessen Konkurrenten mit Kalaschnikows beliefert haben.

Auch in Afghanistan soll er zeitweise beide Konfliktparteien versorgt haben: einerseits die Taliban, andererseits die prowestliche Nordallianz. Buts Lieferungen sollen außerdem in den Kongo und zu der islamistischen Rebellengruppe Abu Sayyaf auf die Philippinen gegangen sein.

Die Flugzeugflotte des Waffenhändlers wurde allerdings auch von Regierungen und internationalen Organisationen genutzt. So ließ But sich bereits in den 1990er Jahren dafür bezahlen, UN-Friedenstruppen nach Somalia zu fliegen, und übernahm auch Logistik-Dienstleistungen für den britischen NATO-Einsatz im Kosovo. Selbst die US-Regierung beauftragte But für Transportaufträge.

Sein Milliardengeschäft war der Tod

In den frühern 2000ern war But durch seine Machenschaften zum meistgesuchten Mann der Welt avanciert. Hollywood ließ sich von seiner Geschichte zum satirischen Filmdrama "Lord of War" inspirieren, in dem Nicolas Cage in seine Rolle schlüpfte. Auch sein Spitzname "Händler des Todes" stammt aus dieser Zeit.

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Im Jahr 2002 erließ die belgische Regierung einen internationalen Haftbefehl wegen Diamantenschmuggels und Geldwäsche gegen ihn, die UN erste Sanktionen. Um einer Festnahme zu entgehen und eine Auslieferung zu vermeiden, kehrte But in dieser Zeit nach Russland zurück. Nach Inkrafttreten der Sanktionen beauftragte die US-Regierung Buts Logistik-Firma dennoch für einige Zeit weiter – 2004 versuchte George W. Bush sogar, die Sanktionen aufheben zu lassen.

But saß 10 Jahre seiner 25-jährigen Strafe ab

Doch Wiktor Buts Karriere kam 2008 zu einem abrupten Halt: In einem Bangkoker Luxushotel lief er in eine Falle, die ihm die thailändische Polizei und die US-Drogenbehörde gemeinsam gestellt hatten. Als kolumbianische FARC-Rebellen getarnt, gaben die US-Beamten vor, Waffen kaufen zu wollen.

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Mit Kameras nahmen sie auf, wie But ihnen 100 Boden-Luft-Raketen anbot, um US-Truppen anzugreifen. Die thailändische Polizei griff daraufhin zu und lieferte But nach zweijährigem Hin-und-Her in die USA aus, wo ihn vor einem New Yorker Gericht die 25-jährige Haftstrafe ereilte. Außerdem musste er 15 Millionen US-Dollar Geldstrafe zahlen.

Die Verurteilung und das Strafmaß belasteten die Beziehungen zwischen den USA und Russland bereits damals deutlich. Wiederholte Versuche der russischen Regierung, Buts Freilassung zu erwirken, waren erfolglos. Bis jetzt.

Fragwürdiger Deal der US-Regierung

In den USA regt sich Unmut nach Bekanntwerden des Deals. Kritiker monieren, die Biden-Administration habe schlecht verhandelt: Ein berüchtigter Waffenhändler und Schwerverbrecher gegen eine Sportlerin, die wegen ein paar Gramm Hanföl sitzt, sei ein schlechter Deal, kritisieren etwa US-Republikaner. Vor allem, weil ein zweiter US-Bürger in russischer Gefangenschaft zunächst Teil des Austauschs sein sollte.

Der frühere Soldat der US-Marines, Paul Whelan, wurde 2018 wegen Verdachts auf Spionage in Russland festgenommen. "Vor über vier Jahren wurde er eingesperrt. Wie lange soll seine Familie noch warten?" schreibt etwa der republikanische Kongressabgeordnete Adam Kinzinger an die Adresse von US-Präsident Biden. Es gebe keinen Platz für Schwäche, wenn es um das "Leben unschuldiger Amerikaner gehe".

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Auch die Frage, warum der Kreml But unbedingt freibekommen wollte, könnte der US-Regierung noch auf die Füße fallen. Der Ex-Waffenhändler soll über vorzügliche Kontakte in den internationalen Waffenhandel verfügen, die sich die russische Führung vielleicht zunutze machen könnte. Dass der Ukraine-Krieg die Arsenale der russischen Armee teils geleert hat, ist bekannt. Zudem kann der Kreml die Heimkehr des Schmugglers als Sieg verbuchen: But soll in der russischen Elite gut vernetzt sein, Putins Deal wird in dortigen Kreisen sicher auf Wohlwollen stoßen.

Was der Kremlchef genau mit But vorhat, womöglich sogar im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, muss sich noch zeigen.

Verwendete Quellen
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