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"Einen Ölboss als Klimachef, das gab es noch nie"


Weltrettung ade?
"Ihr bekommt Öl und Gas von uns, solange ihr wollt"

  • Theresa Crysmann
InterviewVon Theresa Crysmann

Aktualisiert am 23.01.2023Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Sultan al-Dschabir bei einer Pressekonferenz: Die UN-Klimakonferenz 2023 findet in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt. Den Vorsitz hat der 49-jährige al-Dschabir, Chef des staatseigenen Ölkonzerns.Vergrößern des Bildes
Sultan al-Dschabir: Er soll die UN-Klimakonferenz 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten leiten. (Quelle: IMAGO/Sergei Savostyanov)

Ein Ölboss wird die nächste Weltklimakonferenz leiten. So skandalös das scheinen mag: Es ist auch pragmatisch, sagt Experte David Ryfisch im Interview.

Es geht von einer Wüste in die nächste: Der wohl wichtigste Gipfel der Welt findet 2023 am Persischen Golf statt. Genauer: in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), zu denen auch Dubai und Abu Dhabi zählen. Das Land übernimmt als Gastgeber der UN-Weltklimakonferenz von Ägypten; die Vorbereitungen auf Dubais Expogelände laufen längst. Erst seit Kurzem ist allerdings bekannt, wen die Emirate als offizielles Gesicht, Streitschlichter und Mutmacher für das Treffen auserkoren haben: Sultan Ahmed al-Dschabir – eine höchst umstrittene Wahl.

Denn al-Dschabir ist amtierender Geschäftsführer des größten Ölkonzerns der VAE, der staatseigenen Abu Dhabi National Oil Company.

Dennoch: Der 49-Jährige soll beim diesjährigen UN-Klimatreffen den Konferenzvorsitz übernehmen. Für die einen ist die Personalie ein Skandal, für den Ölstaat eine Chance zu sagen: Die Kohle mag gehen, das Erdöl bleibt. Im Interview mit t-online erklärt David Ryfisch, Experte für internationale Klimapolitik bei der NGO Germanwatch, wieso Kritik berechtigt ist und die Entscheidung der Emirate dennoch clever.

t-online: Der CEO eines Ölkonzerns wird die Weltklimakonferenz 2023 leiten. Ist das so fatal, wie es klingt?

David Ryfisch: Es ist zwar schon vorgekommen, dass der Vorsitzende einer UN-Klimakonferenz eine Vergangenheit im Ölgeschäft hatte. Aber einen aktiven Ölboss als Klimachef, das gab es noch nie. Das ist in etwa so, als würde ein Zuckerproduzent die Gesundheitspolitik entwerfen.

Sultan al-Dschabir hat wiederholt klargemacht, dass sein Land in Zukunft noch mehr Öl fördern will. Wie groß ist das Risiko, dass er als Konferenzleiter stärkeren Klimaschutz ausbremsen könnte, statt diesen anzuschieben?

Natürlich überschattet das Profil des Sultans die Vorbereitungen. Es wäre aber falsch, jetzt schon davon auszugehen, dass die Erdöl- und Erdgas-Lobby die kommende Klimakonferenz dominieren wird. Es gibt viele progressive Länder und zivilgesellschaftliche Akteure, die sich für einen schnelleren Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen starkmachen. Ich hoffe, da entsteht genug Gegendruck.

Vermittelt ein ölverliebtes Gastgeberland da nicht genau das falsche Signal?

Einerseits haben die Vereinten Nationen bei der Wahl des Veranstaltungsorts nicht viel zu sagen, da entscheidet das Rotationsprinzip. Dieses Jahr ist die Regionalgruppe Asien an der Reihe, in der Südkorea seine Bewerbung zugunsten der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zurückgezogen hat. Dafür wollen die VAE wohl Südkoreas Kandidatur für die Expo 2030 unterstützen. Andererseits gilt auch: Der Wohlstand der Emirate stammt zwar vom Öl, aber einen Tunnelblick hat man dort trotzdem nicht.

Das heißt?

Man darf das Land nicht zu eindimensional betrachten. Da wird nicht nur in Öl und Gas, sondern auch massiv in erneuerbare Energien und klimafreundliche Technologien investiert.

Woran machen Sie das fest?

In Dubai ist beispielsweise eines der größten Solarkraftwerke der Welt am Netz. Der grüne Strom der Anlage ist unschlagbar günstig – eine Kilowattstunde kostet teilweise nur 2,4 Cent. Das benachbarte Emirat Abu Dhabi hat ebenfalls eine der größten Photovoltaikanlagen weltweit. Und die VAE beteiligen sich mit einer Milliardeninvestition an einem gigantischen Windkraftprojekt in Ägypten, in der Nähe von Kairo.

Gleichzeitig gehören die VAE zu den Ländern mit dem höchsten Treibhausgasausstoß pro Kopf weltweit.

Absolut, aber auch dort steht klimatisch wie finanziell viel auf dem Spiel: Die durchschnittlichen Schattentemperaturen liegen im Sommer bereits bei mehr als 40 Grad und werden durch den Klimawandel weiter steigen. Und die riesigen Profite aus dem Öl- und Gasgeschäft werden sich nicht halten – das goldene Zeitalter von Öl und Gas ist laut Internationaler Energieagentur schon vorbei. In der Region gehören die Emirate daher auch zu den Vorreitern bei der Energiewende.

Der Ölstaat finanziert sich die eigene Energiewende also durch klimaschädliche Brennstoffexporte in den Rest der Welt?

Die Vision für den Wechsel zu erneuerbaren Energien ist auf jeden Fall da. Aber eben auch das Ziel, noch möglichst lange aus den Öl- und Gasfeldern Kapital zu schlagen, und zwar vor allem durch Exporte. Ein Satz aus der Rede der VAE-Delegation bei der Klimakonferenz 2022 ist bei mir besonders hängengeblieben: "Wir werden euch so lange mit Öl und Gas versorgen, wie ihr wollt." Es geht darum, die eigene Wirtschaft möglichst zukunftsfest zu machen – unabhängig von der globalen Wirkung dieses Verhaltens. Darin liegt die große Gefahr.

(Quelle: Taisiya Borshigova/ Imago)

Sultan Ahmed al-Dschabir

Der 49-jährige ist Minister für Industrie und Fortschrittstechnologien, Sonderbeauftragter für Klimaschutz der Vereinigten Arabischen Emirate und Geschäftsführer der Abu Dhabi National Oil Company. Bei der 28. UN-Weltklimakonferenz wird al-Dschabir den Vorsitz übernehmen. Der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon berief ihn einst in sein Beratergremium für Energie und Klimawandel.

Das ist genau die Art von Pragmatismus, für die laut Klimaforschern keine Zeit mehr ist. UN-Generalsekretär António Guterres hat mit Blick auf den Gipfel in den Emiraten gesagt, er werde keine Schönredner und Bremser dulden. Ist das überhaupt zu schaffen?

Die internationalen Klimaverhandlungen sind immer auch ein Raum für Zugeständnisse. Aber für faule Kompromisse haben wir einfach keine Zeit mehr. Der verpasste Klimaschutz in diesem Jahrzehnt wird sich rächen. Deswegen ist es wichtig, dass Guterres von ganz oben weiter versucht, den Ton zu setzen: Es gibt keine Zukunft für Öl und Gas. Ich hoffe, bis zur Konferenz Ende November wird sich das auch in der Position der Gastgeber noch widerspiegeln.

Verwendete Quellen
  • Interview mit David Ryfisch, Referent für internationale Klimapolitik bei der Nichtregierungsorganisation Germanwatch
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