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Polen: Aufruhr nach Selbstmord von Kind – Missbrauch


"Schock und Wut"
Suizid eines Kindes bringt Polens Regierung in Erklärungsnot

Von t-online, mk

Aktualisiert am 07.03.2023Lesedauer: 3 Min.
imago images 194036996Vergrößern des BildesPiS-Chef Jarosław Kaczyński: "im Namen dreckiger, zynischer Politik". (Quelle: IMAGO/Beata Zawrzel)
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In Polen hat sich der Sohn einer Oppositionspolitikerin das Leben genommen. Der Junge war missbraucht worden – und ein staatsnaher Sender machte seine Identität öffentlich.

Nach dem Selbstmord eines Teenagers gerät Polens rechtsgerichtete Regierungspartei PiS massiv in die Kritik. Der 15-Jährige war das Kind einer Oppositionspolitikerin der liberalen Partei Bürgerplattform (PO) und wurde 2020 Opfer eines Pädophilen. Der Reporter eines PiS-nahen Radiosenders ging dem Fall nach und gab in seinem Bericht die Identität des Jungen preis – kurz darauf nahm dieser sich das Leben, wie seine Mutter am Freitag öffentlich machte. Nicht nur Polens Opposition ist entsetzt, viele werfen der Regierungspartei eine Racheaktion vor.

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Denn nicht nur Magdalena Filiks, die Mutter des missbrauchten Jungen, ist Parteimitglied der Bürgerplattform, sondern auch der 2021 verurteilte Täter. Krzysztof F. war angestellt in der PO-geführten Regionalverwaltung von Westpommern, Filiks engagierte sich in Stettin gegen die Justizreform der PiS. Den Missbrauch beging F., als er auf Filiks zwei Kinder aufpassen sollte. Der PiS-kontrollierte Staatsender Polskie Radio machte den Fall wohl nur deshalb öffentlich, weil darin zwei Oppositionspolitiker verstrickt waren – eine Steilvorlage für die regierende PiS ("Recht und Gerechtigkeit").

PiS schlachtet Missbrauchsfall aus

Als der Bericht Ende Dezember erschien, warf Erziehungsminister Przemysław Czarnek der oppositionellen Bürgerplattform vor, den Fall vertuscht zu haben: "Dieselben Leute, die so laut rufen nach einem Kampf gegen Kindesmissbrauch, verschleiern jetzt die Tatsache, dass sie selbst Pädophile in ihren Reihen haben", so Czarnek damals im Sender tvp:

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Der PiS kam der Missbrauchsfall auch deshalb gelegen, weil sich der Täter Krzysztof F. beruflich und privat für die Rechte von homosexuellen und trans Menschen engagiert. Die 2001 von Lech und seinem Zwillingsbruder Jarosław Kaczyński gegründete Partei hetzt seit Jahren massiv gegen die LGBTQI-Gemeinde in Polen und befeuerte einen Kulturkampf beispielweise gegen Pride-Paraden. Gerade auf dem Land verfingen die Kampagnen - viele Orte erklärten sich zeitweise zu "LGBT-freien Zonen". Doch die propagandistische Ausschlachtung eines Missbrauchsfalles ging vielen zu weit.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Erziehungsminister Czarnek habe sich "an der erneuten Vergewaltigung des Kindes beteiligt, indem an der Hetzjagd auf die Eltern eines Missbrauchsopfers teilnahm", schrieb beispielsweise der bekannte Publizist Tomasz Terlikowski. Czarnek drohte Terlikowski daraufhin zu verklagen, sollte er seine Aussagen nicht zurücknehmen. Nach dem Tod des Jungen sprach Terlikowski jetzt von "Schock und Wut, angesichts des Leids eines Kindes, das erst den furchtbaren sexuellen Missbrauch erlebte und dann zum zweiten Mal zum Opfer gemacht wurde im Namen dreckiger, zynischer Politik." Für die PiS ist Terlikowskis Kritik auch deshalb bitter, weil sich der konservativ-katholische Autor nicht als ideologisch motivierter "Feind Polens" hinstellen lässt.

Kritik kam nach Bekanntwerden des Selbstmordes aber auch aus der polnischen Opposition. PO-Chef Donald Tusk schrieb auf Twitter, seine Partei werde die PiS zur Verantwortung ziehen für jede Schandtat, jeden menschlichen Schaden und jede Tragödie, die sie in ihrer Regierungszeit verursacht hat." Szymon Hołownia von der Partei Polska 2050 sagte, es werde "zweifellos die Zeit der Abrechnung kommen, für die, deren Worte den Tod bringen". Die Abgeordnete Joanna Scheuring-Wielgus von der Partei Die Linke kündigte an, bei Anzeige zu erstatten gegen die Senderverantwortlichen für die Berichterstattung. Die Staatsanwaltschaft in Stettin bestätigte, dass sie Ermittlungen im Fall des Selbstmordes aufgenommen haben.

Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.

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