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Polens Botschafter Pawłoś: "Mit den Bösen verhandelt man nicht"


Polens Botschafter
"Mit den Bösen verhandelt man nicht"


Aktualisiert am 08.03.2023Lesedauer: 6 Min.
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Dariusz Pawłoś: "Solidarität mit der Ukraine ist kein Wettbewerb."Vergrößern des Bildes
Dariusz Pawłoś: "Solidarität mit der Ukraine ist kein Wettbewerb." (Quelle: Robert Recker)

Das deutsch-polnische Verhältnis ist angespannt, nicht erst seit dem Ukraine-Krieg. Der polnische Botschafter in Deutschland sieht aber durchaus Verbesserungen.

Dariusz Pawłoś hat nicht viel Zeit, er eilt an einem Mittwoch Anfang März von einer Touristikmesse in Berlin zu seinem Botschaftssitz, einer Gründerzeitvilla im Grunewald. Kurz darauf trifft ein Amtskollege ein, der Botschafter von Monaco. Dazwischen nimmt sich der 53-Jährige Zeit, t-online Rede und Antwort zu stehen. Pawłoś zeigt sich gut gelaunt und bestimmt – und spricht besonders bei einem Thema Klartext.

t-online: Sie sind seit etwas mehr als drei Monaten polnischer Botschafter in der Bundesrepublik. Was haben Sie über Deutschland gelernt, was Sie vorher nicht wussten?

Dariusz Pawłoś: Als Germanistikstudent habe ich sowohl die DDR als auch die BRD besucht. Ich erinnere mich noch an das geteilte Deutschland und habe im kommunistischen Polen gelebt. Was ich heute beobachte, ist eine neue Aufgeschlossenheit, seitens Polen und seitens Deutschland.

Die deutsch-polnischen Beziehungen gelten trotzdem als unterkühlt.

Unsere Beziehungen sind in der Tat angespannt, aber ganz Europa ist momentan angespannt. Trotzdem haben wir im deutsch-polnischen Handelsvolumen im vergangenen Jahr einen Rekord aufgestellt. Diese Zahlen lügen nicht – und sie sind eine Errungenschaft unserer beiden Staaten. Es gibt auch innerhalb unserer Gesellschaften viele Initiativen, die gut zusammenarbeiten, etwa Schul- oder Städtepartnerschaften.

(Quelle: Robert Recker)

Zur Person

Dariusz Pawłoś (53) ist seit vergangenem November polnischer Botschafter in Deutschland. Der Germanist war zuvor unter anderem als Deutschlehrer, in der Stiftung "Polnisch-Deutsche Aussöhnung" und im polnischen Außenministerium tätig. Vor seiner Arbeit als Botschafter war er Geschäftsführer des Deutsch-Polnischen Jugendwerks.

Politisch sieht es allerdings anders aus: Sie haben sich kürzlich darüber beklagt, dass der Draht ins Kanzleramt nicht der beste ist.

Wir brauchen gemeinsame Regierungskonsultationen, Runde Tische oder das deutsch-polnische Forum. Solche Formate werden kaum noch genutzt. Das ist schade. Aber unsere Regierungsvertreter konnten sich kürzlich auf der Münchner Sicherheitskonferenz austauschen. Und ich selbst saß dort mit Verteidigungsminister Boris Pistorius an einem Tisch.

Hat sich mit dem neuen Minister die Verständigung in Verteidigungsfragen verbessert?

Schon, aber seine Handynummer habe ich nicht. Er hat sich bereits persönlich vor seiner Zeit als Bundesminister für die deutsch-polnischen Beziehungen eingesetzt. Er kennt unsere Situation und hat seinen Amtskollegen in Polen besucht. So ein Draht ist wichtig.

War das mit seiner Vorgängerin Christine Lambrecht anders?

Es gab Situationen, in denen nicht miteinander gesprochen wurde, sondern über die Medien. Etwa beim Flugabwehrsystem Patriot. Zum Glück konnten wir das klären. Die Systeme stehen mittlerweile in Ostpolen und tragen dazu bei, dass unser Land sicherer ist.

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat sich in Deutschland einiges bewegt. Zunächst wollte man Kiew gar keine schweren Waffen schicken, nach Schützenpanzern sind wir nun bei Kampfpanzern angelangt.

Am Anfang ging es um Helme. Mittlerweile will Deutschland seine besten Kampfpanzer liefern. Niemand, der die Ukraine unterstützt, zieht noch rote Linien.

Polen hatte auf die Kampfpanzer gedrängt – mit Erfolg. Will Ihr Land Führungsmacht in Europa werden?

Polen hat keinen Anspruch auf eine Führungsrolle in diesem Krieg. Wir wollen, wie fast alle, das Ende dieses Krieges. Die Ukraine kämpft nicht nur für die eigene Unabhängigkeit, sondern für die Werte, die wir in der Europäischen Gemeinschaft vertreten. Wir müssen diese russische Aggression stoppen. Aber was auch stimmt: Als Nachbar der Ukraine ist Polen geografisch und politisch prädestiniert, eine wichtige Rolle zu spielen.

Aber das geht nur gemeinsam. Nach dem 24. Februar 2022 war Polen vorbereitet: Seit diesem Tag haben fast elf Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer die Grenze zu uns überschritten. Wir erleben die größte Flüchtlingswelle seit dem Zweiten Weltkrieg. Und Polen ist nicht nur ein Transitland für diese Menschen, sondern auch ein langfristiger Zufluchtsort.

Polen nimmt mehr Geflüchtete auf als Deutschland. Und hat als erstes Land Kampfpanzer geliefert. Ihr Land ist doch schon mittendrin in der Führungsrolle.

Also, nein. Die Solidarität mit der Ukraine ist kein Wettbewerb. Wir wollen niemanden überholen. Wir möchten leisten, was geht und nötig ist. Aber Russland war schon immer imperialistisch. Alle ehemaligen Sowjetrepubliken wissen das. Nur manchmal müssen wir einige unserer westlichen Partner davon überzeugen.

1939 hat uns niemand geholfen. Hätten uns damals die Westalliierten unterstützt, hätten wir nicht die Grausamkeiten des Zweiten Weltkrieges erlebt: die Verschiebungen der Grenze, Millionen Opfer, auch der russischen oder sowjetischen Politik. Das darf sich im 21. Jahrhundert in Europa nicht wiederholen.

Mittlerweile ist eine Panzerallianz mehrerer Staaten herangewachsen. Doch nach vielen Worten sind zurzeit vor allem Polen und Deutschland darin aktiv. Das muss Sie doch enttäuschen.

Von Enttäuschung kann keine Rede sein. Diese Lieferungen sind ein Prozess. Das ist nicht irgendein Laden, in dem wir etwas bestellen und dann bekommen wir die Ware am selben Tag. Das sind große logistische Herausforderungen. Gut ist, dass dieser Prozess jetzt angestoßen ist. Die Schulungen der ukrainischen Soldaten werden im März abgeschlossen sein. Ja, Deutschland wird liefern und Polen hat symbolisch die ersten Panzer geliefert. Aber natürlich können nicht alle Partner sofort liefern.

Müssen bald auch Kampfjets folgen?

Polen hat Kampfflugzeuge bereits am Anfang dieses Krieges thematisiert. Das war natürlich zunächst überhaupt nicht realistisch. Aber auch jetzt schließt die polnische Regierung Kampfjets nicht aus. Allerdings nur im Bündnis, so was wird Polen nicht im Alleingang machen. Denn, um effizient zu helfen, braucht die Ukraine nicht nur Kompanien, sondern Bataillone, größere Einheiten, größere Formationen. Polen hat ein paar Dutzend Flugzeuge aus russischer, also sowjetischer Produktion. Ukrainische Soldaten könnten diese Maschinen fliegen.

Polen will mittelfristig bis zu fünf Prozent seines Bruttoinlandsproduktes in seine Verteidigung investieren. Die Armee soll auf 300.000 Mann wachsen. Es wäre das drittgrößte Heer innerhalb der Nato – und Polen neue Militärmacht.

Wir haben wirklich nicht den Anspruch, eine Weltmacht zu sein. Diese Verteidigungsaufstockung ist der aggressiven Politik aus dem Osten geschuldet. Derzeit sehen wir: Unsere bisherigen drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Armee reichen nicht aus. Wir wissen ganz genau, dass auch Belarus bedroht ist, obwohl das dortige Regime Russland unterstützt. Wir wissen, dass Moldau bedroht ist und auch Nato-Staaten wie das Baltikum. Die Armee, die Polen aufbaut, darf nicht nur auf dem Papier stehen, sie muss einsatzfähig sein.

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Sie halten einen russischen Angriff auf einen Nato-Staat für realistisch?

Im Moment sind wir abgesichert, aber diese Sicherheit resultiert nur aus den Verträgen, die wir in der Nato haben. Aber damit diese Verträge etwas zählen, dürfen wir uns nicht hinter Paragrafen und Klauseln verstecken. Wir müssen tatsächlich in der Lage sein, uns gegen Russland zu verteidigen. Denken Sie an Georgien: Russland hatte 2008 keine Hemmungen, das Land anzugreifen. Ohne das entsprechende Militär können wir Russland nicht die Stirn bieten.

Polen und andere Staaten in Ost- und Mitteleuropa hatten lange vor einer russischen Bedrohung gewarnt. War Deutschland im Umgang mit Russland naiv?

Es ist nie zu spät, die eigene Politik zu revidieren, wenn sie falsch ist. Wir haben der Bundesregierung aber nie Naivität unterstellt. Im Gegenteil: In der Außenpolitik hat jeder seine eigenen Interessen. Solange etwas gut läuft, ist auch jeder zufrieden. Für Deutschland war das im Verhältnis zu Russland lange der Fall.

Wie kann Deutschland Vertrauen in Ost- und Mitteleuropa zurückgewinnen?

Viele Polen glauben, dass die Bundesregierung nicht ihr Potenzial bei der Unterstützung der Ukraine abruft. Aber auch historische Tatsachen haben Einfluss auf unser Verhältnis: Wir haben deutlich formuliert, dass Polen weiter Entschädigungsansprüche gegenüber Deutschland hat.

Ihre Regierung fordert 1,3 Billionen Euro von Deutschland, um die Schäden des Zweiten Weltkriegs zu begleichen. Die Bundesregierung hat dem eine Absage erteilt. Mehrmals. Können Sie verstehen, dass das in Berlin zu Unmut führt?

Es heißt an vielen Jahrestagen, dass Deutschland Verantwortung übernehmen will. Aber was heißt das denn? Wir können diese historischen Schulden nicht einfach vergessen. Deshalb haben wir in Polen erstmals einen komplexen wissenschaftlichen Bericht veröffentlicht, der die Kriegsschäden auflistet.

Uns geht es nicht nur um finanzielle Entschädigungen. Der Bericht ist komplexer. Ende des Monats soll er auch auf Deutsch erscheinen, und der polnische Vize-Außenminister Arkadiusz Mularczyk, Herausgeber des Berichts, wird nach Berlin kommen, um die deutsche Öffentlichkeit darüber zu informieren.

Sie warnen nachdrücklich vor der russischen Aggression. Irritiert Sie da als Pole die deutsche Debatte nach Friedensverhandlungen mit Russland?

Ich glaube, mit Frau Wagenknecht oder Frau Schwarzer zu reden, hätte keinen Zweck. Dafür sind sie zu sehr von ihrer Meinung überzeugt. Wichtiger ist, was unsere Regierungen sagen. Dort sind wir uns absolut einig: Mit den Bösen verhandelt man nicht. Russland hat die Ukraine nicht für Verhandlungen angegriffen, sondern um sie zu beseitigen. Wir müssen den Russen ihren Platz zeigen. Erst dann können Verhandlungen beginnen. Wann das ist, entscheidet allein die Ukraine.

Sind solche Gespräche mit dem russischen Präsidenten Putin denkbar oder braucht es dafür erst eine Nachfolge?

Mit Putin sind absolut keine Verhandlungen vorstellbar. Aber auch sein Nachfolger wird kein lupenreiner Demokrat werden. Erst wenn sich eine demokratische Bürgergesellschaft in Russland formiert, kann man wieder mit den Russen sprechen.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit dem polnischen Botschafter Dariusz Pawłoś am 7. März 2023
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