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Anschlag im Iran | Rund 100 Tote nach Explosionen – was bisher bekannt ist


Verheerender Anschlag im Iran
Diese Explosion kann die ganze Region erschüttern


Aktualisiert am 04.01.2024Lesedauer: 5 Min.
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Aufnahmen sollen den Angriff auf die Gedenkfeier zeigen. (Quelle: reuters)

Rund 100 Menschen sind bei verheerenden Explosionen im Iran getötet worden. Die Hintergründe sind noch unklar. Was bisher über den Anschlag bekannt ist.

Es ist der bisher schwerste Anschlag seit Bestehen der Islamischen Republik Iran. Am Mittwoch sind bei Explosionen in der Stadt Kerman mehr als 80 Menschen getötet worden. Zudem gab es mehr als 200 Verletzte, viele von ihnen waren in der Nacht noch in kritischem Zustand. Die Zahl der Todesopfer könnte also weiter steigen.

Noch am Tag des Anschlags begann die Suche nach den Verantwortlichen. Das Regime in Teheran sprach von einer Terrorattacke. Sowohl die USA als auch Israel sind Vorwürfen ausgesetzt, für die Explosionen verantwortlich zu sein, weisen dies jedoch von sich. Ein Überblick darüber, was bisher zu dem Vorfall bekannt ist – und was nicht.

Was ist passiert?

Am Mittwoch sind Tausende Menschen zu einer Trauerfeier anlässlich des vierten Todestages des mächtigen iranischen Generals Ghassem Soleimani in dessen Heimatstadt Kerman zusammengekommen. Laut Aussagen iranischer Regierungsvertreter in den Staatsmedien sind entlang einer Straße, auf der sich eine Prozession Trauernder gebildet hatte, Bomben in Tüten platziert worden. Die Menschen waren auf dem Weg zu Soleimanis Grab.

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Im Abstand von etwa 15 Minuten soll es dann zu zwei Explosionen gekommen sein, die mindestens 84 Menschen in den Tod rissen. Zunächst hatten iranische Behörden die Opferzahl mit 103 angegeben, korrigierten diese später jedoch. Einige Namen von Opfern waren offenbar mehrfach gezählt worden. Immer noch befänden sich rund 30 Patienten in kritischem Zustand, sagte Gesundheitsminister Bahram Eynollahi am Mittwoch. Der Chef des nationalen Rettungsdienstes, Dschafar Miadfar, gab die Zahl der Verletzten am Donnerstag mit 284 an. Der iranische Innenminister Ahmad Wahidi sagte, die meisten Menschen seien bei der letzten der zwei Explosionen ums Leben gekommen.

Wer ist General Ghassem Soleimani?

Ghassem Soleimani war ein mächtiger General und hatte die Al-Kuds-Brigaden befehligt, die für Auslandseinsätze zuständige Abteilung der iranischen Revolutionsgarden. Soleimani war am 3. Januar 2020 durch einen Luftangriff des US-Militärs im Irak getötet worden.

Der General galt bis zu seinem Tod als zweitmächtigster Mann im Iran. Viele Menschen in dem Land verehrten ihn als Held. Soleimanis Grab befindet sich in der Saheb-al-Saman-Moschee in seiner Heimatstadt Kerman. Seit seiner Tötung gilt Soleimani als Märtyrer. Auch deswegen hatten sich anlässlich seines vierten Todestags Tausende versammelt.

Wer ist für den Anschlag verantwortlich?

Das iranische Regime sprach direkt nach den Explosionen von einer Terrorattacke. Bisher hat sich jedoch weder eine Terrorgruppe noch ein staatlicher Akteur zu der Tat bekannt. Die genauen Hintergründe würden laut Angaben aus Teheran nun untersucht. "Unsere Polizeikräfte sind wachsam und werden diejenigen, die dieses Verbrechen begangen haben, zur Rechenschaft ziehen", erklärte Innenminister Wahidi.

Der iranische Präsidentenberater Mohammad Dschamschidi hat Israel und die USA für den Anschlag verantwortlich gemacht. "Washington sagt, die USA und Israel hätten keine Rolle bei dem Terroranschlag in Kerman, Iran, gespielt. Wirklich?", schrieb Dschamschidi am Mittwoch im Onlinedienst X (vormals Twitter). Die "Verantwortung für dieses Verbrechen" liege "bei den USA und dem zionistischen Regime und der Terrorismus ist nur ein Werkzeug".

Es gebe keinen Grund zu der Annahme, dass Israel daran beteiligt sei, sagte hingegen der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. Auch die USA hätten nichts damit zu tun. Israel und der Iran sind Erzfeinde. Das Regime in Teheran gilt als einer der wichtigsten Unterstützer der palästinensischen Terrororganisation Hamas.

Internationale Experten vermuten eine Terrorgruppe hinter dem Anschlag. Besonders sunnitische Terrorgruppen wie der "Islamische Staat" (IS) haben in den vergangenen Jahren in der Region immer wieder Anschläge verübt. Der Iran war davon bisher weniger betroffen. Dennoch steht das schiitische Land weit oben auf der Feindesliste des IS.

Der Iran-Verantwortliche bei der Nichtregierungsorganisation International Crisis Group, Ali Vaez, glaubt nicht an eine Beteiligung Israels. Der Anschlag in Kerman trage nicht die Handschrift Israels, zitiert ihn die "New York Times". Israel hat zwar in den vergangenen Jahren immer wieder verdeckte Operationen im Iran durchgeführt, dann aber gezielte Anschläge auf Wissenschaftler, Politiker oder Nuklearanlagen des Iran verübt.

Auch der Nahostexperte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sieht derzeit keine Hinweise auf eine israelische Beteiligung. Steinberg sagte am Donnerstag im Deutschlandfunk, dass der "modus operandi", also das Vorgehen bei dem Anschlag, nicht den Mustern früherer israelischer Anschläge entspreche. Dafür seien zu viele Zivilisten getötet worden, so Steinberg. "Das hier war doch eher ein terroristischer Anschlag im Stile des 'Islamischen Staates'", sagte der Experte. Möglich sei auch, dass Separatisten im Iran die Verantwortung tragen. Laut Steinbergs Einschätzung sei es weniger wahrscheinlich, dass der Anschlag unmittelbar mit dem Konflikt in Gaza zu tun habe.

Der Direktor des Center for Middle East and Global Order, Ali Fathollah-Nejad, schließt zudem nicht aus, dass das iranische Regime selbst für den Anschlag verantwortlich sein könnte. Es gebe jedoch keinerlei Gewissheit, wer hinter den Explosionen stecke, sagte Fathollah-Nejad am Mittwochabend in den ARD-"Tagesthemen". "Das iranische Regime versucht, das propagandistisch auszuschlachten", so der Experte.

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Wie fallen die Reaktionen auf den Anschlag aus?

Das Auswärtige Amt hat den Anschlag als Terrorakt verurteilt. "Wir sind zutiefst betroffen über die vielen Toten bei den heutigen Explosionen in #Kerman, darunter auch viele Kinder", schrieb das Auswärtige Amt am Mittwoch auf der Online-Plattform X. "Wir verurteilen diesen Terrorakt." Die Menschen im Iran hätten eine Zukunft in Frieden und Sicherheit verdient, hieß es weiter.

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Irans Präsident Ebrahim Raisi hat seinen ersten Staatsbesuch in der Türkei wegen des Anschlags abgesagt. Die eigentlich für Donnerstag geplante Reise nach Ankara werde verschoben, berichtete die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna am Mittwoch auf Telegram. Zudem ließ die iranische Regierung eine landesweite Staatstrauer ausrufen.

Irans Staatsoberhaupt und religiöser Führer Ajatollah Ali Khamenei hat nach der Terrorattacke eine scharfe Reaktion angekündigt. "Sie sollen wissen, dass diese katastrophale Tat eine harte Antwort nach sich ziehen wird, so Gott will", sagte der Religionsführer am Mittwoch laut einer Mitteilung, die in den Staatsmedien veröffentlicht wurde. Den Opfern und Familien sprach der 84-Jährige sein Mitgefühl aus.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat der Regierung im Iran sein Mitgefühl ausgedrückt. Er habe "diesen Terroranschlag auf das Schärfste verurteilt" und seine "Solidarität mit dem iranischen Volk ausgedrückt", schrieb Borrell nach einem Telefonat mit dem iranischen Außenminister Hossein Amir-Abdollahian in Onlinenetzwerken. Er habe Amir-Abdollahian sein "Beileid nach den schrecklichen Bombenanschlägen" übermittelt.

Welche Folgen könnte die Terrorattacke haben?

Angesichts der Spannungen im Nahen Osten wegen des Gaza-Kriegs wuchs nach dem Anschlag im Iran die Sorge vor einer Eskalation der Lage. "Mit Gottes Erlaubnis wird die Hand der göttlichen Rache zur rechten Zeit und am rechten Ort erscheinen", schrieb Präsident Raisi auf X.

Das Ziel des Anschlags habe offenbar darin bestanden, die Spannungen zwischen Israel und dem Iran in einer Zeit erhöhter Sensibilität zwischen beiden Seiten nach der Ermordung des Hamas-Anführers Al-Aruri weiter anzuheizen, schrieb das "Wall Street Journal" unter Berufung auf nicht genannte Personen, die mit Israels Vorgehen vertraut seien.

Erst am Montag war der führende Hamas-Kommandeur Saleh al-Aruri durch einen Luftangriff im Libanon getötet worden. Dahinter wird Israel vermutet – offiziell hat die israelische Regierung jedoch noch keine Verantwortung dafür übernommen. Als Reaktion drohte die vom Iran unterstützte Terrororganisation Hisbollah im Libanon Israel mit "Bestrafung". Mehr zu der Tötung al-Aruris lesen Sie hier.

Verwendete Quellen
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