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Gepard-Panzer für die Ukraine | Experte warnt: "Es gibt ein riesiges Problem"


Experte warnt: "Es gibt ein riesiges Problem"

Von Liesa Wölm

Aktualisiert am 27.04.2022Lesedauer: 5 Min.
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Der Gepard-Panzer: Bei der Lieferung in die Ukraine gibt es Probleme.Vergrößern des Bildes
Der Gepard-Panzer: Bei der Lieferung in die Ukraine gibt es Probleme. (Quelle: Maurizio Gambarini/dpa-bilder)

Deutschland schickt schwere Waffen in die Ukraine: Der Gepard-Panzer soll zur Flugabwehr dienen. Aber bis die Fahrzeuge im Krieg einsatzbereit sind, könnte es Monate dauern. Ein Experte erklärt die Hindernisse.

Die Bundesregierung hat eine wegweisende Entscheidung getroffen: Die Ukraine soll im Krieg gegen Russland mit Gepard-Panzern unterstützt werden. Wochenlang hatten diverse Politiker die Lieferung schwerer Waffen gefordert – nun schreitet die Ampelkoalition zur Tat.

Aber wann sind die Panzer einsatzfähig? Und was bringen sie der Ukraine wirklich? Der Waffensachverständige und Rüstungsexperte Lars Winkelsdorf erklärt, dass eine Lieferung nicht ganz so einfach ist.

t-online: Herr Winkelsdorf, die Bundesregierung will Panzer des Typs Gepard an die Ukraine liefern. Wann sind die Geräte einsatzbereit?

Lars Winkelsdorf: Einsatzbereit ist da momentan überhaupt nichts. Diese Fahrzeuge wurden über Jahre im Freien gelagert und waren den Witterungseinflüssen vollständig ausgesetzt. Das Metall hat angefangen zu rosten, die Feuchtigkeit ist in die ganzen Systeme eingedrungen. Da gab es unterschiedliche Temperaturbelastungen, die so vom Hersteller nie vorgesehen waren. Sonneneinstrahlung hat unter Umständen Gummidichtungen zerstört. Was dort überhaupt funktionsfähig ist und was nicht, das muss der Hersteller erst einmal prüfen.

Die Ukraine bekommt jetzt nicht 30, 40 oder 50 gebrauchsfähige Panzer, sondern das Kriegsland kann Panzerwracks kaufen, die erst einmal wieder instand gesetzt werden müssen. Von einer einfachen Lieferung kann nicht die Rede sein.

Wie lange dauert diese Überprüfung und Instandsetzung?

Das hängt im Einzelfall davon ab, in welchem Zustand ein Panzer ist. Es kann sein, dass ein Gerät nur eine Woche wieder aufbereitet werden muss. Bei anderen Fahrzeugen dauert es hingegen vier bis sechs Wochen.

Die Technik wurde vor Jahrzehnten hergestellt. Wird das bei der Instandsetzung zum Problem?

Die ganze Elektrik, die Zielerfassung des Computers, die Radarsysteme, die an Bord sind, das ist eine relativ alte Technik, die mit Ersatzteilen gebrauchsfertig gemacht werden muss. Die wiederum müssen lieferbar sein und gegebenenfalls neu produziert werden.

Bis die Panzer also einsatz- und lieferbereit sind, werden mehrere Wochen vergehen. Wie kommen die schweren Waffen dann in die Ukraine?

Das ist tatsächlich weit weniger dramatisch, als man das vielleicht denken möchte. Die Fahrzeuge werden einfach hinten auf einen Lkw gepackt. Das ist ein regulärer Schwertransport.

Eine Herausforderung könnte aber die komplexe Handhabung des Gepard-Panzers darstellen.

Es gibt in der Tat ein riesiges Problem: Man hat schon damals, als es noch die Wehrpflicht in Deutschland gab, erkannt, dass die Ausbildung für die Nutzung des Gepard die komplizierteste, langwierigste und übungsintensivste war, die es für Wehrpflichtige gab.

Was bedeutet das?

Das war nicht einfach nur ein zweiwöchiger Lehrgang, sondern die Ausbildung dauerte mehrere Monate. Die ukrainischen Soldaten müssen beim Gepard eine hochgradig komplizierte Bordelektronik beherrschen – und das auch noch unter Gefechtsbedingungen. Bis die ukrainische Armee den Panzer also so nutzen kann, wie es vorgesehen ist, kann es mehrere Monate dauern.

Der Gepard hilft der Ukraine in der gegenwärtigen Notlage also nicht.

Richtig. Die Ukraine kann die Fahrzeuge nicht so zum Einsatz bringen, wie es beabsichtigt ist. Da gibt es zahlreiche andere Systeme, die deutlich weniger ausbildungsintensiv sind.

Zum Beispiel?

Deutschland sollte weiterhin leichte Waffensysteme liefern, wie es bereits mit vielen Panzerabwehrhandwaffen geschehen ist – um eine unmittelbare Hilfe leisten zu können. Mittel- bis langfristig kann Deutschland Ausbildungsmöglichkeiten schaffen und Fahrzeuge instand setzen, die dann der Ukraine übergeben werden können – inklusive der erforderlichen Ersatzteile und Munition. Das sind allerdings Probleme, die nicht nächste oder übernächste Woche gelöst werden können.

Lars Winkelsdorf (*1977) arbeitet als Schießlehrer und selbstständiger Fachdozent in der Sicherheitsbranche. Seit 2005 ist er legitimierter Waffensachverständiger. Außerdem ist er Autor eines Fachbuches zur Schießausbildung. Seit 2003 arbeitet er als freier Journalist für Politmagazine, unter anderem für Frontal 21 (ZDF), Report München und die Tagesschau (ARD).

Welche Probleme gibt es noch?

Deutschland kann nur in Einzelfällen Ersatzteile für den Gepard liefern, zum Beispiel für den Antrieb. Und wenn es darum geht, dass die Waffenanlage oder Antriebsanlage instand gesetzt werden muss, kann das die Ukraine sicher nicht leisten. Und auch bei der Bundeswehr ist das fraglich. Aus genau diesen Gründen wurde eine Wiedereinführung des Gepard in der Bundeswehr abgelehnt. Man hat festgestellt, dass die Ersatzteile nicht lieferbar sind und es Probleme in der Waffenanlage gibt.

Warum setzt die Bundesregierung dennoch auf den Gepard?

Es macht den Anschein, dass von politischer Seite ein Signal gesendet werden musste. Man hat sich aber mit der Frage, ob es Sinn ergibt oder nicht, vorher noch gar nicht beschäftigt. Die Lieferung des Gepard ist eher ein politisches Placebo, gerichtet an unsere Alliierten, weniger an die Ukraine. Es ist keine qualifizierte Hilfeleistung für Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet. Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Aber Tatsache ist, dass die Ukraine jede Hilfe braucht, die sie kriegen kann, auch perspektivisch.

Was macht den Gepard technisch so besonders?

Er ist optimiert auf die Flugabwehr. Der Gepard hat durch seine zwei Maschinenkanonen die Möglichkeit, sehr viele Schüsse in sehr kurzer Zeit im Nahbereich abzugeben. Diese haben auch eine exzessiv hohe Wirkung auf Luftfahrzeuge. Das unterscheidet ihn von Fahrzeugen wie dem Marder. Der Marder hat auch eine Maschinenkanone, aber die ist eher dafür vorgesehen, leicht gepanzerte Bodenziele zu bekämpfen, teilweise auch Soldaten und ungepanzerte Fahrzeuge.


Zudem hat der Gepard eine hochtechnisierte Zielerfassung, basierend auf mehreren Radarsystemen, die andere Panzer nicht haben – eben um schnelle Luftfahrzeuge treffen zu können. Er ist allerdings auch ausgezeichnet im Erdkampf einsetzbar. Er kann gegen leichtgepanzerte Fahrzeuge und mitunter sogar Kampfpanzer eingesetzt werden. Seit 2012 in der Bundeswehr komplett auf den Gepard zu verzichten, war für mich deshalb eine glasklare Fehlentscheidung.

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Wenn der Gepard einsatzbereit ist: Wird er die Lufthoheit in der Ukraine zurückgewinnen können?

Nein. Es ist ein Waffensystem, das einen relativ tieffliegenden Feind ausgezeichnet bekämpfen kann. Aber wenn hochfliegende Bomber unterwegs sind und Raketensysteme einfliegen, dann kann der Gepard so oder so nur einer der Bausteine in einem Luftabwehrsystem sein. Das wird mit Raketensystemen und eigener Luftwaffe ergänzt. Alleine kann der Gepard kein Gamechanger in der Ukraine sein.

Russland warnt die Nato-Staaten davor, in den Krieg einzugreifen. Wie wird der Kreml auf die schweren Waffenlieferungen reagieren?

Russland beklagt sich zwar über diese Waffenlieferungen, aber es ist klar, dass Wladimir Putin nichts dagegen unternehmen wird. Wir sehen weder innerhalb noch außerhalb der Ukraine zielgerichtete Angriffe auf diese Lieferungen. Die russischen Beschwerden sind also in erster Linie ein Säbelrasseln, in der Hoffnung, diese Hilfen politisch zu unterbinden. Aber eine direkte Kriegsteilnahme oder einen Weg Deutschlands in diesen Krieg sehe ich dadurch nicht.

Herr Winkelsdorf, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Lars Winkelsdorf am 26. April 2022
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