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Australien: Die Liebe zur Kohle – bringt der Klimagipfel die Wende?


"Werden uns nicht belehren lassen"
Australiens unerschütterliche Liebe zur Kohle

Von Anna-Lena Janzen, Gold Coast

04.11.2021Lesedauer: 7 Min.
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Ein Bagger in einem Kohlehafen in New South Wales: Australien gehört zu den drei größten Kohleexporteuren der Welt.Vergrößern des Bildes
Ein Bagger in einem Kohlehafen in New South Wales: Australien gehört zu den drei größten Kohleexporteuren der Welt. (Quelle: Daniel Munoz/reuters)

Die Welt verabschiedet sich von fossilen Brennstoffen – und verhandelt darüber beim UN-Klimagipfel in Glasgow. Australien hält trotz internationalem Druck an der Kohle fest. Warum?

Australien, das ist das Land der Kängurus und Koalas, der tropischen Regenwälder, weißen Sandstrände und Korallenriffe. Oder?

Seit etwa zwei Jahren drängt sich auch ein anderes Bild auf: das eines Landes, das in Flammen aufgeht; von Feuerwalzen, die Tiere und Menschen bedrohen und Landstriche verwüsten. Von Koalas und Kängurus mit Bandagen um ihre verkohlten Pfoten.

Der fünfte Kontinent ist stark von der Klimakrise betroffen. Sie bereitet den Nährboden für diverse Probleme: extreme Hitze, Dürre, Buschfeuer, Überschwemmungen, Korallenbleiche, Küstenerosion. In der Gesellschaft ist das spätestens seit den verheerenden Bränden 2019 angekommen.

Schon nach der Feuerkatastrophe fühlten sich viele Australier von ihrer Regierung im Stich gelassen. Premierminister Scott Morrison hatte versucht, einen Zusammenhang zwischen dem Inferno und der Erderwärmung herunterzuspielen.

Der Grund: Australien ist auch das Land der Kohle, des Bergbau- und Infrastruktur-Booms. Noch vor Indonesien und Russland ist es der größte Kohleexporteur der Welt. Auch zuhause setzt es hauptsächlich auf fossile Energieträger, hat eine der höchsten CO2-Emissionsraten pro Kopf.

Klimabösewicht Australien

Raus aus der Kohle, wie etwa Deutschland? Für die australische Regierung undenkbar. In letzter Minute, rund eine Woche vor dem Weltklimagipfel in Glasgow, konnte das Land sich zwar zu einem Null-Emissionsziel bis 2050 durchringen. Die Regierung hält aber weiterhin am umstrittenen Zwischenziel des früheren erzkonservativen Premierministers Tony Abbott fest: 26 bis 28 Prozent Reduzierung unter dem Niveau von 2005 bis 2030.

Zum Vergleich: Die EU will bis 2030 um 55 Prozent reduzieren, die USA wollen ihre Emissionen bis dahin halbieren. Die Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen schon bis 2030 gilt Experten zufolge als entscheidend, um rechtzeitig gegen die Klimakrise vorzugehen.

"Wir werden uns nicht von anderen belehren lassen, die Australien nicht verstehen", ließ Morrison dazu verlauten. "Wir wollen, dass unsere Schwerindustrien und der Bergbau offen und wettbewerbsfähig bleiben und sich anpassen, damit sie so lange lebensfähig bleiben, wie es die globale Nachfrage erlaubt", erklärte der Regierungschef.

Der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat es deutlich ausgedrückt: Australiens derzeitiges Ziel stehe nicht im Einklang mit seinen eigenen Bundesstaaten, seinen Handelspartnern und vergleichbaren Nationen. Es sei "unzureichend, um Australiens Verpflichtungen zum Pariser Abkommen zu erfüllen", so Moon.

Bislang hatte Australien versucht, bei Klimagesprächen möglichst unter dem Radar zu bleiben. Mit Donald Trump als US-Präsident hatte es einen starken Verbündeten, um sämtliche Klimabemühungen zu schwänzen. So stieg es gemeinsam mit den USA aus dem Grünen Klimafonds der UN aus. Mit der Biden-Regierung dürfte es weitaus schwieriger werden, sich aus der Verantwortung zu ziehen.

Zudem machen die Nachbarn im Pazifik Druck. Inselstaaten wie Tuvalu und Fidschi drohen regelrecht unterzugehen, sollte der Meeresspiegel weiter steigen. Am ersten Tag des COP26-Gipfels hat die Morrison-Regierung zusätzliche 500 Millionen Dollar für die internationale Klimafinanzierung angekündigt. Das Geld werde für Projekte im indopazifischen Raum verwendet und nicht über den UN-Klimafonds verteilt werden.

"Die Zusage Australiens ist ein Anfang. Ich habe Scott Morrison nun dringend aufgefordert, uns einen konkreten Plan zur Halbierung der Emissionen bis 2030 vorzulegen", schrieb Fidschis Premierminister Frank Bainimarama dazu auf Twitter. Er habe seinem australischen Kollegen ein Exemplar des fidschianischen Gesetzes zum Klimawandel als Leitfaden mitgegeben.

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Doch von der Kohleliebe wird der internationale Druck die australische Regierung wohl nicht abbringen. Das zeigen auch Nachrichten aus den vergangenen Wochen:

  • Nur wenige Wochen vor dem UN-Klimagipfel bringt Australiens Regierung vier neue Kohleprojekte auf den Weg.
  • Scott Morrison will zunächst nicht am Gipfel teilnehmen (auf der Gästeliste: mehr als 100 Staats- und Regierungschefs, die Queen und der Papst). Er habe dieses Jahr wegen der Corona-Pandemie schon “viel Zeit” in Quarantäne verbracht. Das irritiert sogar Prinz Charles. In einem Interview mit der BBC kann der Monarch es kaum glauben. Auch innerhalb der Bevölkerung sorgt die Nachricht für Ärger. Morrison überlegt es sich schließlich anders, er werde doch anreisen. Im Land munkelt man, die Queen habe ihm die Leviten gelesen.
  • Mehrere Länder haben offenbar versucht, den jüngsten UN-Klimareport zu entschärfen. Demnach sollen sich Saudi-Arabien und Australien dafür eingesetzt haben, dass Forderungen nach einem raschen Ende für fossile Brennstoffe abgeschwächt oder gestrichen werden.

Scott Morrisons Liebe zum schwarzen Gold

Die Lovestory von Scott Morrison und seiner liberal-nationalen Regierungskoalition mit der Kohle geht bis 2013 zurück, als das Bündnis an die Macht kam. Damals unter Premierminister Abbott wurde als eine der ersten Maßnahmen die 2011 eingeführte CO2-Steuer für Unternehmen abgeschafft. Zudem wurde der Chef der unabhängigen Klima-Kommission gefeuert. Sie wurde später als Non-Profit-Organisation "Climate Council" wiederbelebt und lebt seither von Spendengeldern. Die Kommission übt regelmäßig scharfe Kritik an der Klimapolitik der Regierung.

Als Scott Morrison 2018 den Posten als Premier übernahm, beseitigte die Koalition den vergleichsweise fortschrittlichen Energieplan seines Vorgängers Malcolm Turnbull, der nach einer Revolte innerhalb des konservativen Teils der Liberalen abserviert worden war.

Ein Jahr zuvor hatte Morrison einen legendären Auftritt im Parlament, damals als Parteischatzmeister. Zur Sitzung brachte er ein großes Stück Kohle. "Das ist Kohle. Haben Sie keine Angst davor. Es wird Ihnen nicht schaden", rief er den Abgeordneten entgegen. Die Stromversorgung im Land sei durch den Abbau der Kohlevorkommen gesichert.

Lang lebe König Kohle!

Mit australischen Überraschungen war bei der Klimakonferenz also kaum zu rechnen: Das Land wird an der Kohle noch lange festhalten. Der "neue Plan" zur Bekämpfung der Klimakrise, den Morrison mit nach Glasgow genommen hat, baut neben günstiger Solarenergie und dem Handel mit CO2-Zertifikaten zu einem großen Teil auf die erfolgreiche Entwicklung von Zukunftstechnologien und dass deren Preise stark sinken. Statt komplett auf erneuerbare Energien zu setzen, will die Regierung zudem in einen weiteren fossilen Brennstoff als Übergang für eine emissionsärmere Zukunft investieren: Gas.

In Glasgow haben sich mehr als 80 Staaten einer Initiative der USA und EU angeschlossen, um den Ausstoß des Treibhausgases Methan bis 2030 um 30 Prozent zu verringern. Australien mit seinen vielen Viehfarmen ist nicht dabei. Der einzige Weg, um das zu erreichen, sei "sich ein Gewehr zu schnappen, rauszugehen das Vieh zu erschießen", hatte Vizepremier Barnaby Joyce zuvor zu dem Ziel verlauten lassen.

Viele Experten äußerten die Kritik, der Plan der australischen Regierung sei weder neu noch ausreichend, um die gesteckten Klimaziele überhaupt zu erreichen. Bill Hare, Klimawissenschaftler bei der europäischen Denkfabrik Climate Analytics, etwa meint, eigentlich sei es gar kein Plan. "Er scheint eine Reihe von Grafiken und Diagrammen ohne viel Substanz zu sein", so Hare.

"Der australische Weg ist es eigentlich, ehrlich, direkt und praktisch zu sein, sich den schwierigen Problemen mit Stärke, Intelligenz und Mut zu stellen, Dinge zu erledigen, auch schwierige Dinge, ohne viel Aufheben darum zu machen und Solidarität mit Freunden zu zeigen. Nichts von alledem findet sich in Morrisons Plan." Premierminister Morrison dagegen beteuerte: "Unser Plan ist ein fairer Plan, es ist ein praktischer Plan, es ist ein verantwortungsvoller Plan".

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Dabei gibt es großes Potenzial für saubere, erneuerbare Energiequellen im Land. Tasmanien etwa, im Süden Australiens, hat schon 2015 die Netto-Null-Marke erreicht. Die riesigen Wälder des Inselstaates absorbieren jährlich mehr CO2 als ausgestoßen wird. Und seit vergangenem November wird Tasmanien dank seiner Wind- und Wasserkraftprojekte vollständig mit erneuerbarem Strom versorgt. Auch andere Bundesstaaten haben sich schon ehrgeizige Ziele auf dem Weg in eine emissionsärmere Zukunft gesetzt.

Um Ziele zu erreichen, muss auch gehandelt werden

Entscheidend für den weiteren Klimakurs Australiens werden laut Experten zwei Faktoren sein: der Einfluss der Wirtschaft, aber auch, wie sehr China in den nächsten Jahren beim Klimaschutz bremsen wird. "Im Gegensatz zu dem, was die politische Medienklasse denkt, sind nicht die konservativen Wähler die Hauptbedrohung für das Netto-Null-Ziel, sondern die Unternehmen und China", schreibt die Wissenschaftskolumnistin Jennifer Oriel in der Zeitung "The Australian".

Die Klimaziele der Unternehmen und ihr tatsächliches Handeln klaffen weit auseinander. Oriel spricht von "Greenwashing". Zwar hat etwas mehr als die Hälfte der 80 australischen ASX200-Unternehmen mit den höchsten Emissionen schon klimaneutrale Ziele festgelegt. Aber nur 16 Unternehmen haben sich tatsächlich verpflichtet, auf 100 Prozent erneuerbaren Strom umzustellen.

Immerhin: Die politische Diskussion über die Klimakrise ist in Australien nach vielen Jahren der Untätigkeit in Bewegung gekommen. Die Bevölkerung denkt um. Einer aktuellen Studie des "Australia Institute" zufolge unterstützt die Mehrheit der Australier ein Null-Emissionsziel – mit erneuerbaren Energien anstelle von Gas. Drei Viertel der Menschen sind demnach besorgt wegen der Klimakrise. Laut der Autoren ist es ein erstaunlich hohes Ergebnis, rückten doch zuletzt Ängste im Hinblick auf die Corona-Pandemie in den Fokus.

Historisches Gerichtsurteil

Auch die Justiz hat mit einem historischen Urteil den Druck erhöht. Der australische Bundesgerichtshof entschied im Mai, dass die Regierung bei der Genehmigung von Bergbauprojekten den Schutz junger Menschen vor dem Klimawandel berücksichtigen muss. Acht Teenager und eine 86-jährige Nonne hatten gegen die Genehmigung einer Kohlemine geklagt.

Das Urteil stoppte zwar den Ausbau nicht, der Richter machte aber deutlich, dass der "mögliche Schaden", den Kinder durch die Erderwärmung erleiden könnten, als "katastrophal" bezeichnet werden könne. Der Anwalt der Kläger erklärte später, es sei das erste Mal weltweit, dass eine solche Sorgfaltspflicht anerkannt worden sei.

Die Wirtschaft, die die aktuelle Regierung eigentlich schützen will, könnte künftig besonders leiden. In einem jüngsten Bericht warnte das "Climate Council", dass 70.000 Jobs in zwei Bundesstaaten allein wegen der Klimaträgheit der Politik gefährdet seien. "Die neue, kohlenstoffarme Wirtschaft wird kommen, und wir brauchen dringend einen Übergangsplan für die australischen Gemeinden und Arbeitnehmer", sagte Autorin Nicki Hutley zu dem Bericht, der die Überschrift "Jobkiller" trägt.

Das verstehen mittlerweile auch viele der Wähler, die im Bergbau oder in den Minenregionen beschäftigt sind. Im nächsten Jahr wird in Australien ein neues Parlament gewählt. Eine aktuelle Umfrage für "The Australian" ergab, dass die Unterstützung für die Koalition auf den niedrigsten Stand seit drei Jahren gefallen ist. Ob es für einen Regierungswechsel reicht, ist noch offen.

Egal: Erst mal wird weiter mit der Kohleindustrie geflirtet. Die Nationale Partei Australiens hat jüngst angekündigt, noch vor den Wahlen die Zustimmung für den Ausbau einer Zuglinie für den Kohletransport im Bundesstaat Queensland geben zu wollen. Ein Drei-Milliarden-Dollar-Projekt, das Aktivisten als "Trojanisches Pferd" bezeichnen. Das Vorhaben sei eine "Kohlenstoffbombe" und würde neun neue Bergwerke ermöglichen, die schätzungsweise weitere 150 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr freisetzen würden. Bis 2050 ist es ja noch lange hin.

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