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Bangen in Schweinfurt: Terrorismus-Anklage – Vater in Venezuela in Haft


Missglückter Umsturzversuch?
Bangen in Schweinfurt: Vater als Söldner in Venezuela in Haft

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 12.05.2020Lesedauer: 7 Min.
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Familienbild aus guten Tagen: Airan Berry mit seiner Frau Melanie, Tochter und Sohn. Die Familie bangt um ihn, nachdem der frühere US-Elitesoldat in Venezuela unter dem Verdacht verhaftet wurde, an Putschplänen beteiligt gewesen zu sein.Vergrößern des Bildes
Familienbild aus guten Tagen: Airan Berry mit seiner Frau Melanie, Tochter und Sohn. Die Familie bangt um ihn, nachdem der frühere US-Elitesoldat in Venezuela unter dem Verdacht verhaftet wurde, an Putschplänen beteiligt gewesen zu sein. (Quelle: privat)

In Venezuela haben Behörden zwei Amerikaner angeklagt, die eine Entführung von Staatschef Nicolas Maduro geplant haben sollen. Um einen der beiden bangen in Schweinfurt Ehefrau und zwei Kinder.

Die Nachricht bekam Melanie Berry aus Schweinfurt aus dem Internet: Von einem gescheiterten Putschversuch in Venezuela war die Rede, von der Festnahme zweier früherer Elitesoldaten. Auf Fotos waren sie zu sehen, und der eine, bärtig, dunkelhaarig, ist ihr Mann. Jetzt drohen ihm viele Jahre Haft in einem Gefängnis in Venezuela, Terrorismus ist der zentrale Anklagepunkt.

"Wir standen unter Schock, als wir das gesehen haben", sagt Berry, die wie die beiden gemeinsamen Kinder die deutsche und die amerikanische Staatsangehörigkeit hat. Wie wurde ein 41-Jähriger aus Schweinfurt zu einer zentralen Figur im dilettantisch gescheiterten Versuch eines Staatsstreichs, für den Venezuelas Präsident Nicolas Maduro auch US-Präsident Donald Trump verantwortlich machen will? (Eine englische Fassung des Textes finden Sie hier).

"Unsere Kinder sind erschüttert"

Der autoritäre Staatschef liefert sich seit über einem Jahr einen erbitterten Machtkampf mit dem selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó, der von den USA und der EU unterstützt wird. Eine Sicherheitsfirma hat bestätigt, dass der Ex-Soldat aus Schweinfurt Teil des Plans war, Maduro in die USA zu bringen. Doch wie kam es dazu? Das bleibt auch dann ein Rätsel, wenn man seine Frau fragt.

Für Melanie Berry und ihre beiden Kinder im Teenageralter sind Hintergründe und große Politik nicht die vordringlichen Frage. "Vor allem unsere Kinder sind erschüttert und sehr traurig – sie wollen ihren Vater zurückhaben." Der Familienvater soll gesund zurückkommen oder zurück nach Hause geholt werden. "Mein Mann Airan und ich sind seit 19 Jahren verheiratet. Er bedeutet mir und unserer ganzen Familie alles, und er ist mein bester Freund."

Im Hafen der 30.000-Einwohner-Stadt La Guaira, die rund 20 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Caracas auch als "Pforte Venezuelas" gilt, endet für den 41-Jährigen am 4. Mai in einem kleinen Boot seine Mission vorzeitig: Es warten bereits bewaffnete Kräfte, ein Hubschrauber steht in der Luft, und Airan Berry liegt Minuten später mit dem Gesicht im Staub, die Hände auf dem nackten Rücken gefesselt.

Appell an die US-Regierung

Ein paar Stunden vorher ist ein Foto entstanden, das ihn in einem Boot zeigt, neben ihm reckt ein Mann den Daumen nach oben: Das ist Luke Denman. Auch der 34-jährige Denman liegt am 4. Mai verschnürt auf der Straße, und das ist ein Triumph für den sozialistischen Präsidenten des krisengeschüttelten Venezuelas. Sein Militär vermeldet die Verhaftung von zwei Söldnern, die früher Green Berets waren, amerikanische Elitesoldaten.

Melanie Berry steht derzeit in Kontakt mit der Familie von Luke Denman. "Wir hoffen, dass die US-Regierung alle ihre Ressourcen nutzen wird, um meinen Mann Airan und Luke Denman nach Hause zu bringen", schreibt sie t-online.de. Gute Männer seien das, "die es wert sind, dass man nun auch sie schützt, unterstützt und ihnen die Hilfe zukommen lässt, die sie so oft für die anderen geleistet haben".

Offenbar um diesen Appell an die Öffentlichkeit zu bringen, hat sie sich darauf eingelassen, t-online.de Fragen zu beantworten. Öffentlichkeit könnte ihrem Mann helfen. Dass sie nicht alle Fragen beantwortet, könnte daran liegen, dass falsche Antworten ihren Mann im venezolanischen Gefängnis vielleicht in Gefahr bringen. Oder sie weiß es wirklich nicht und wusste auch nicht, worauf sich ihr Mann da eingelassen hat.

Ehefrau: Er arbeitete nach der Army als Handwerker

Als Handwerker habe er in Deutschland in den vergangenen Jahren gearbeitet, nachdem er nach 17 Jahren 2013 bei der Army ausgeschieden ist. In Schweinfurt wurden sie sesshaft, weil sie dort beruflich bereits Fuß gefasst hatte. Er hat dort auch Freunde tätowiert, "das Tätowieren ist sein Hobby, er ist künstlerisch sehr begabt", erklärt Melanie Berry. Von einer örtlichen Sprachschule gab es auf Facebook Fotos, die ihn bei Kursen zeigen und beim Empfang des Abschlusszertifikats im Sommer 2019. "Er wollte seine Deutschkenntnisse vertiefen."

Und dann, irgendwann, war da dieses Jobangebot. "Es war sein erster Einsatz für eine private Sicherheitsfirma", erklärt Melanie Berry. Die Firma heißt Silvercorps USA und wird geleitet von Jordan Goudreau, einem Ex-Soldaten. "Mein Mann kannte ihn aus der gemeinsamen Zeit im Irak und vertraut ihm." Auf ihrer Homepage behauptet die Firma, auch das deutsche Kommando Spezialkräfte trainiert zu haben. Dort wird das nicht kommentiert.

Soldaten waren alle in Deutschland stationiert

Goudreau hat auf Instagram ein Foto aus Stuttgart vom Dezember 2018 veröffentlicht. In Deutschland kennt er sich ein bisschen aus. Goudreau, Denman und Berry waren allesamt beim in Deutschland stationierten 1. Bataillon der 10. Special Forces Group. Die Soldaten sind ausgebildet, um verdeckt einheimische Widerstandsgruppen oder Milizen auszubilden und zu unterstützen sowie Guerilla-Aktionen tief im Feindesland durchzuführen. Berry ist mit zwei Bronze-Star-Orden für heldenhaften Einsatz ausgezeichnet worden.

"Nach all den Jahren, die Airan im Einsatz war, um die Sicherheit der Amerikaner zu gewährleisten, verdient er jede mögliche Ressource, um ihn sicher zu seiner Familie nach Hause zu bringen", fordert seine Frau.

Das hat US-Außenminister Mike Pompeo inzwischen versprochen. Die USA würden jedes Mittel nutzen, die Rückkehr der Amerikaner sicherzustellen, wenn diese in Venezuela festgehalten würden. Aktuell gibt es nicht einmal eine US-Botschaft in dem Land, alle konsularischen Dienste sind im März 2019 eingestellt worden.

Familie erhält kaum Informationen

So bekommt auch Familie Berry quälend wenig Informationen: "Seit wir von der Verhaftung erfahren haben, wenden wir uns ständig an verschiedene Stellen und Organisationen, haben aber im Moment keine Details", so Melanie Berry.

Die Nachricht, dass ihrem Mann Terrorismus vorgeworfen wird, ging am Sonntag durch die Medien. Die Generalstaatsanwaltschaft von Venezuela hat Anklage erhoben, Verschwörung und illegaler Waffenhandel stehen auch noch auf seiner Liste. Es sind Vorwürfe, auf die 25 bis 30 Jahre Haft stehen.

Berry und Denman haben so etwas wie Geständnisse abgelegt, und Venezuela hat sie öffentlich gemacht. Die Gefangenen werden in jedem Schritt vorgeführt, sogar die Barmer-Versichertenkarte von Berry hatte die Justiz präsentiert.

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Die Videos sind mehrere Minuten lang, viele Aussagen, die aneinander geschnitten sind. Airan Berry trägt auf einem Teil des Materials ein Hemd, auf einem anderen ein Shirt mit "Moscow"-Aufdruck. Er wirkt entweder völlig übermüdet oder wie unter dem Einfluss starker Medikamente.

"Das Video war eine Erleichterung"

Seine Frau will das nicht kommentieren. "Ihn auf dem Video zu sehen, war eine Erleichterung." Sie und die Familie von Luke Denman seien sehr froh über das Lebenszeichen. "Wir hoffen, dass Airan und Luke gemäß den internationalen Menschenrechtsnormen behandelt werden." Denman bejaht eine entsprechende Frage, aber ein Experte will in seinen Augenbewegungen ein verschlüsseltes Dementi entdeckt haben, berichtet das "Wall Street Journal".

In den Videos sagen sie, dass sie in Kolumbien drei Gruppen von jeweils 15 bis 20 Mann ausbilden sollten. Im Januar seien sie dafür nach Kolumbien gereist. Sie sollten dann mit den Kräften in Venezuela den Flughafen von Caracas sichern, damit Präsident Nicolás Maduro ins Ausland gebracht wird.

Das eigentliche Geständnis hatten die Behörden schon auf dem Silbertablett bekommen – von Jordan Goudreau. Bereits bevor seine beiden Kameraden festgenommen wurden, gab es am 3. Mai ein Video von ihm und einem venezolanischen Exil-Militär: "Operation Gedeón" habe begonnen, eine "Mission tief in das Herz der venezolanischen Hauptstadt Caracas".

Firmenchef plauderte freimütig

Goudreau berichtete weiter: "Unsere Einheiten kämpfen, sie sind im Süden, Westen und Osten von Venezuela im Einsatz." Ein paar Stunden später wurden Berry und Denman festgenommen. Wenn Goudreaus Ankündigung auf Twitter andere Einheiten in Venezuela anspornen sollte, sich gegen Maduro zu erheben, dann ist der Versuch kläglich gescheitert. Auf eine Anfrage von t-online.de reagierte er nicht.

Silvercorp selbst heizte den Fall noch weiter an. Von einem 213-Millionen-Dollar-Deal mit der venezolanischen Opposition berichtete Goudreau gegenüber Journalisten, und lieferte den Vertrag direkt mit. In der Langfassung liegt er inzwischen der "Washington Post" vor.

Das Unternehmen bot eine "Operation zur Festnahme/Inhaftierung/Entfernung von Nicolás Maduro und zur Einsetzung des anerkannten venezolanischen Präsidenten Juan Guaidó". Das ist festgehalten im 41-seitigen Anhang zu einem Vetrag, den ein enger Berater von Guaidó unterschrieben hat, nicht aber Guaidó selbst. Guaidó hat allerdings den allgemein gehaltenen Rahmenvertrag unterzeichnet.* Bezahlt worden sei nichts, sagen beide Seiten.

Man habe Zweifel an der Ernsthaftigkeit bekommen und den Plan für erledigt gehalten, so Guaidó-Berater JJ Rendon, der inzwischen mit einem weiteren Top-Berater zurückgetreten ist*. Guaidó selbst sei in Details nicht eingeweiht gewesen. Beide Papiere sind laut den Unterlagen jedoch jeweils am 16. Oktober 2019 unterzeichnet worden.

USA haben auf Staatsführung 55 Millionen Kopfgeld ausgesetzt

Für Silvercorp hätte sich ein erfolgreicher Einsatz aber auch anders rechnen können: Für Maduro und vier weitere Spitzenpolitiker haben die USA 55 Millionen Dollar Kopfgeld aus einem Programm gegen Drogenhandel ausgelobt.

Maduro beschuldigte die US-Regierung, beteiligt zu sein. "Donald Trump ist der direkte Chef dieser Invasion", sagte er. US-Außenminister Pompeo wies das zurück. "Wenn wir beteiligt gewesen wären, wäre es anders gelaufen." Pompeo schmunzelte.

Venezuelas Geheimdienst war aber offenbar auch schon vorher informiert. Bereits am Tag vor dem für Berry verhängnisvollen Einsatz in der Hafenstadt hatte es Festnahmen gegeben. Mit den beiden Amerikanern wurden inzwischen insgesamt 31 Verdächtige festgenommen. Es ist eine Erfolgsgeschichte für die Regierung des heruntergewirtschafteten Landes, dem Millionen Menschen den Rücken gekehrt haben.

"Ich wusste nichts über einen Zeitraum"

Wie viel Geld die beiden Amerikaner bekommen sollten, ist unklar. Denman spricht in dem Video zu seinem Verhör von 50.000 bis 100.000 Dollar. Er wisse es nicht, erklärt Berry in seiner Vernehmung. Zwei Wochen habe seine Mission dauern sollen.

"Ich wusste definitiv nichts über einen Zeitraum", erklärt Melanie Berry. Ihr Mann hat sich demnach verabschiedet ohne zu sagen, wann er wiederkommt und wohin es geht? "Er konnte mir keine Informationen dazu geben; er hat ein Jobangebot angenommen, und das ist alles was ich weiß."

*An dieser Stelle haben wir korrigiert und präzisiert, dass Juan Guaidó nach den bisherigen Informationen den allgemein gehaltenen Vertrag unterschrieben hat, aber nicht den Anhang mit den Details. Aktualisiert ist die Information, dass Berater JJ Rendon zurückgetreten ist.

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