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Ukraine-Affäre und Impeachment-Krise: Donald Trumps Wut ist auch sein Plan


Post aus Washington
Trumps Wut, Trumps Plan

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 04.10.2019Lesedauer: 5 Min.
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Donald Trump auf der Pressekonferenz: Wütend, aber kalkuliert.Vergrößern des Bildes
Donald Trump auf der Pressekonferenz: Wütend, aber kalkuliert. (Quelle: Kevin Lamarque/reuters)

wo die Woche geprägt war von Trumps Wutausbrüchen – Sie werden’s mitbekommen haben.

Doch die Schlagzeilen, dass Trump die Nerven verliere, erzählen nur die halbe Geschichte.

Kommen Sie für diese Hälfte einmal mit in den feierlichen East Room ins Weiße Haus, wo uns vor den samtverhangenen Fenstern und unter voluminösen Kronleuchtern der US-Präsident warten lässt. Zehn Minuten, zwanzig Minuten. Am anderen Ende des Weißen Hauses, im Westflügel, zeigt ihm sein Vize Mike Pence nämlich einen selten erfreulichen Artikel, der eine Frage zum Vorgehen des Whistleblowers und der Demokraten aufwirft (mit dem Ausdruck wird Trump gleich triumphierend wedeln).

Um 14.25 Uhr am Mittwochnachmittag kommt er dann mit Finnlands Präsidenten im Schlepptau zu einer Pressekonferenz, die staatstragend beginnt, mit unerhörter Kritik des Gastes weitergeht und dann zur großen Wut-Performance des Präsidenten eskaliert.

Wirklich bemerkenswert war die Rolle des Gastes. Sauli Niinistö begann die PK hiermit: Er habe ja etwas Freizeit gehabt am Vormittag, sagte er in hemdsärmeligem, aber unaufgeregtem Englisch, da habe er die tollen Museen Washingtons besichtigt. "Mr. President, Sie haben hier eine großartige Demokratie. Sorgen Sie dafür, dass das so bleibt." Trump blickte ihn nur kurz an.

Dieser Sauli Niinistö wiederholte das später noch einmal, mahnte Trump zwei Mal, mehr auf das transatlantische Verhältnis zu geben, und sprach vom Klimawandel. So habe ich noch keinen Staatsgast im Weißen Haus erlebt, nicht die Kanzlerin, nicht Macron, niemanden.

In der "Post aus Washington" berichtet unser Korrespondent Fabian Reinbold von der Arbeit im Weißen Haus und seinen Eindrücken aus den USA unter Donald Trump. , der noch weitere Einblicke und Einschätzungen aus Washington enthält und einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Wie Trump die Spitzen wahrnahm und ob überhaupt, wissen wir nicht. Sein Tunnelblick richtet sich auf die Ukraine-Affäre.

Sein neuester Hauptfeind im Kongress ist Adam Schiff, der Mann, der für die Demokraten die Impeachment-Untersuchung führen soll (mehr über ihn hier). Trump degradiert ihn auch im feierlichen Rahmen des East Room zum "Shifty Schiff", also durchtriebenen Schiff, und Lügner.

Sein alter Hauptfeind im Allgemeinen sind natürlich die Medien. Als ein Kollege von Reuters ihm die naheliegende Frage stellte, was er denn vom ukrainischen Präsident genau gewollt habe, verlor Trump die Fassung.

Der geschätzte Kollege Jeff Mason blieb cool. Trump hingegen nahm die finnische Bemerkung über die "großartige Demokratie" als Antwort auf diese Weise auf: "Wir wären eine noch viel großartigere Nation, hätten wir nicht die CNNs dieser Welt, die korrupte Leute sind." Sprach's und rauschte ab.

Die Pressekonferenz brachte Trumps Strategie im Umgang mit der Impeachment-Untersuchung auf den Punkt. Sie besteht aus diesen Pfeilern:

  • Ablenken, indem er seine Ukraine-Affäre zu einer Affäre Joe Bidens uminterpretiert.
  • Angreifen, indem er seine politischen Gegner bedroht und verächtlich macht.
  • Eskalieren, indem er jetzt gar öffentlich China auffordert, ebenfalls die Bidens zu untersuchen.

In alldem zeigt sich nicht unbedingt unkontrollierte Wut, die viele Trump jetzt unterstellen, sondern Taktik: das ständige Nachlegen, bis die Öffentlichkeit nicht mehr durchblickt, mit den Schultern zuckt und die eigentliche Affäre in einem Haufen neuer Ungeheuerlichkeiten und Auseinandersetzungen in den Hintergrund tritt. Die große Operation Abstumpfung.

Zumindest in der Vergangenheit hat sie funktioniert. Ob das auch in der neuesten Krise, die sich von Tag zu Tag verschärft, so ist: abwarten. Trump ist nicht dafür bekannt, seine Taktik zu ändern.

Was vielen Kollegen an Trumps Auftritt aufstieß, war dies: Der Präsident hat seine Medienbeschimpfung "Fake News" nun in "Corrupt News" eskaliert. Das kam mir allerdings schon bekannt vor …

… denn ich war schon am Vorabend der PK noch einmal hinabgestiegen in die Parallelwelt von Fox News. Schließlich ist Fox News Trumps mächtigster Verbündeter beim Dreikampf Ablenken, Angreifen, Eskalieren.

Ich habe mir an einem Abend die zentralen Meinungshows der Prime Time von 20 bis 23 Uhr gegeben. Diese Sendungen, die die Namen ihrer Moderatoren Tucker Carlson, Sean Hannity und Laura Ingraham tragen, haben mit Nachrichtenfernsehen nichts gemein. Sie sind pure Meinungsmache – und sie haben mit Abstand die höchsten Einschaltquoten – im Vergleich zum sonstigen Programm bei Fox und im Vergleich zu den anderen Nachrichtensendern. Sie prägen also die Sicht auf die Affäre bei ihren Zuschauern.

Am Dienstagabend geht es drei Stunden lang um Trump, das auch, aber vor allem um Biden, genau: Punkt Ablenken.

Tucker Carlson, ein Mann, dessen Gesichtszüge stets Entsetzen über die politische Lage ausdrücken, sagt: "Je tiefer man gräbt, desto widerlicher wird es." Er meint die Ukraine-Affäre, aber bei ihm bedeutet das Bidens Ukraine-Affäre. Ein Autor ist zu Besuch, der in einer russischen Zeitung erfahren haben will, dass einem Geschäftspartner von Bidens Sohn eine Einreisesperre in die USA erlassen worden sei. Carlson: "Absolut bemerkenswert!"

Impeachment? Klar, darum geht es auch, aber nur als Impeachment-Irrsinn.

Wechsel zu Sean Hannity, der in seinem Eröffnungsmonolog sagt: "Alle Freiheitsliebenden, ihr müsst aufwachen. Falls der korrupte Medienmob von Demokraten und Medien sich durchsetzt, werden sie alles zerstören, wofür diese Nation steht." Ja, Hannity fängt mit einem Erdbeben an und steigert sich dann langsam. "Die Linke hat jeder Spur von Wahrheit, Logik, Vernunft und gesundem Menschenverstand abgeschworen."

Trump pflegt einen engen Draht zu Hannity, dem Quotenkönig. Heute sind Trumps persönlicher Anwalt Jay Sekulow und eine Medienfigur namens Geraldo Rivera zu Gast, der den Gastgeber lobt: "Du bist der Unterschied zwischen Richard Nixon und Donald Trump." Soll heißen: Ohne Verteidiger wie dich wäre Trump am Ende.

Auch bei ihm wird die Ukraine-Affäre optisch stets bei Biden verankert.

Eine häufige Bauchbinde bei Hannity lautet: Impeachment "Inquiry". Hier wird also selbst die Tatsache, dass es eine richtige Impeachment-Untersuchung gibt, in Zweifel gezogen. Es ist keine Untersuchung, sondern nur eine mit Anführungsstrichen entwertete "Untersuchung".

Um 22 Uhr, nach einer Stunde Hannity, schwirrt mir der Kopf, aber jetzt kommt noch Laura Ingraham. Sie beginnt mit der "wahren Wahleinmischung 2016" (Es waren die Demokraten!), dann zählt sie "Fakten" auf, warum die Demokraten nichts von Demokratie halten. Ich kann da nicht mehr ganz folgen, aber irgendwann kommt der erste Gast: Es ist Rudy Giuliani, Trumps Anwalt und Trumps Mann für Angelegenheiten wie die Ukraine.

Er ist quasi jeden Abend in einer der Shows zu Gast. Giulianis Rolle ist zugleich die von Trumps eifrigstem Verteidiger und die der zentralen Figur in der Affäre selbst. Heute redet er wie immer im Schwall, ist siegesgewiss bis zum Gehtnichtmehr. "Das ist ja einfacher als Mueller", sagt er im Vergleich von Ukraine- zu Russland-Affäre, "weil das alles so absurd ist."

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Er überlegt dann laut, ob er im Namen Trumps nicht die Kongressabgeordneten verklagen wolle, die die Bürger- und Verfassungsrechte des Präsidenten mit Füßen treten würden. Einen Tag später lässt Trump diesen Gedanken dann bei seiner Pressekonferenz fallen.

So bekommt Trumps Wählerbasis Abend für Abend die Ukraine-Affäre präsentiert: Der wahre Skandal betrifft Biden, die Demokraten, die Medien. Trump? Hat alles richtig gemacht und ist das Opfer einer weiteren Intrige. Wer Fox News schaut, wird also von der Ukraine-Affäre nicht im Geringsten erschüttert, sondern bestätigt in Welt- und Feindbild. Und Trump wiederum verbreitet das, was ihm seine Lieblingsmoderatoren servieren, allzu gern weiter.


Unter Washingtons Politikexperten wird in diesen Tagen ein Umstand diskutiert: Dass Trump keinen "War Room" eingerichtet habe, also kein Lagezentrum, in dem sich Anwälte und Spin-Doktoren ausschließlich um die Strategie und Taktik in der Impeachment-Untersuchung kümmern. Bill Clinton hatte dafür einst ein eigenes Team vom Tagesgeschäft abgezogen.

Doch der Befund ist nicht ganz zutreffend. Trump hat sehr wohl einen "War Room" und dieser tagt allabendlich in vollster Öffentlichkeit auf Fox News.

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