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Neue Corona-Regeln: Ein Kompromiss mit zwei großen Schwächen


Regelchaos droht
Ein Sieg für Karl Lauterbach

  • Annika Leister
Von Annika Leister

Aktualisiert am 03.08.2022Lesedauer: 3 Min.
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Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP): Der Gesetzesentwurf zu den neuen Coronaregeln für den Herbst soll heute im Bundestag verabschiedet werden.Vergrößern des Bildes
SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach und FDP-Justizminister Marco Buschmann: Ihre Ministerien kämpften heftig um neue Regeln zum Infektionsschutz. (Quelle: bildgehege/imago images)

Das Streiten ist beendet, die Ampelregierung hat neue Corona-Regeln festgelegt. Das Ergebnis überrascht zum Teil positiv – hat aber auch Defizite.

Das Kräftemessen zwischen FDP-Justizminister Marco Buschmann und SPD-Gesundheitsminister Lauterbach hat ein Ende: Die Bundesregierung hat endlich neue Corona-Regeln festgelegt, die ab dem 1. Oktober gelten sollen. Der gefundene Kompromiss hat Schwächen (mehr dazu unten). Tatsächlich taugt das Ergebnis insgesamt dennoch als Beispiel dafür, dass heftiger Streit zwischen zwei Extremen im parlamentarischen Betrieb fruchtbar enden kann.

Desaster abgewendet

Das war nicht zu erwarten, über Monate schien ein Desaster wahrscheinlich. Seit Beginn des Sommers hatte die Ampelkoalition sich über den neuen Maßnahmenkatalog zerfleischt. FDP und SPD, unterstützt von den Grünen, stritten öffentlich erbittert, setzten sich mit Forderungen unter Druck und überzogen sich mit Kritik.

Die Positionen lagen scheinbar weit auseinander: In der FDP wollte man gern ganz zurück zu Normalität und Freiheit. Sogar den Nutzen der Maskenpflicht – von Experten unisono anerkannt – zweifelte Buschmann im Juni noch an, mitten in einer Corona-Sommerwelle. Lauterbach, den eine strenge Corona-Haltung ins Ministeramt beförderte, warnte und mahnte hingegen wie in vorangegangenen Jahren. Schulschließungen solle es nicht mehr geben – viel mehr wollte der Gesundheitsminister an harten Maßnahmen nicht ausschließen.

Keine Lockdowns mehr, aber die Maskenpflicht bleibt

Herausgekommen ist am Ende ein klassischer Kompromiss, der sowohl der durch Impfungen veränderten Corona-Lage als auch dem veränderten Lebensgefühl auf Deutschlands Straßen gerecht werden könnte: Neben Schul- soll es auch keine Betriebsschließungen mehr geben, Lockdowns sind damit ausgeschlossen. Auch die umstrittenen 2G- und 3G-Regelungen zur Zutrittsbeschränkung im öffentlichen Raum werden fast ganz aus dem Katalog gestrichen.

Die Maskenpflicht aber bleibt den Deutschen erhalten. Im Fern- und Flugverkehr und zum Betreten von Krankenhäusern und Altenheimen legt der Bund sie fest, im ÖPNV und in öffentlich zugänglichen Räumen können die Länder wie bisher üblich die Pflicht erlassen. In einer Zeit, in der Regierungen – wie zuletzt in Frankreich – reihenweise die Masken fallen lassen: ein deutlicher Sieg für Lauterbach, zumal auch der vor Kurzem noch skeptische Justizminister Buschmann auf den Kurs der Wissenschaft einschwenkte: Auch er betonte am Mittwoch das Maskentragen als wichtigstes Instrument, um Infektionen in Innenräumen zu vermeiden.

Ist Deutschland damit nun hervorragend gewappnet für den Herbst, die Bevölkerung politisch so gut vor Infektionen geschützt wie nur möglich? Nein – denn zwei entscheidende Schwachpunkte bleiben.

Regel-Chaos in den Ländern droht

Schwachpunkt Nummer 1: Bundeseinheitliche Regeln sind weiterhin nicht zu erwarten. Außer der Maskenpflicht in Verkehrsmitteln, die Ländergrenzen überschreiten, hat die Bundesregierung wenig gesetzgeberische Handhabe. Die Landesregierungen sind entscheidend. Sie müssen den Großteil der vom Bund nur als Optionen gestellten Regeln für Schulen, Betriebe, Sport, Kunst, Kultur und Gastronomie einsetzen – wenn sie, so die Vorgabe, eine Überlastung des Gesundheitssystems oder der kritischen Infrastruktur durch Krankmeldungen befürchten.

Dabei gibt es dank der vom Bund zurückgeschraubten Testmöglichkeiten für sie keinen aussagekräftigen Inzidenzwert mehr, an dem sie sich orientieren könnten. Neue Grenzwerte aber gibt der Bund nicht vor. Es wird also ganz im Ermessen jedes Landesparlaments, jeder Landesregierung liegen, ab wann härtere Corona-Regeln gelten sollen. Massive Unterschiede zwischen Hamburg und München, Dresden und Berlin sind wahrscheinlich – das haben die vergangenen zwei Jahre zuhauf bewiesen.

Das Regel-Chaos dürfte so kein Ende finden – und das Verständnis und die Bereitschaft zur Umsetzung in der Bevölkerung leiden.

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Unklare Vorgaben für den Freizeitbereich

Schwachpunkt Nummer zwei ist ausgerechnet die Regelung zur Gastronomie, zu Sport- und Kultur-Einrichtungen, die der Bund den Ländern ermöglicht. Ein hochsensibler Bereich – im Freizeitbereich ist die Infektionsgefahr besonders hoch. Auch hier soll, wenn von den Ländern für nötig befunden, deswegen eigentlich eine Maskenpflicht gelten.

Die aber erhält Ausnahmen: Wer frisch geimpft, frisch genesen oder frisch getestet ist und das nachweisen kann, der soll die Maske auch in Innenräumen ablegen dürfen. Wer einen solchen Nachweis nicht erbringen kann, darf trotzdem rein – aber mit Maske. Eine 3G-Regel also – jetzt nur nicht als harte Zugangsbeschränkung, sondern als Befreiung von der Maskenpflicht.

Bars, Clubs und Fitnessstudios, in denen ein Teil der Besucher Maske trägt, die anderen nicht? In den Ministerien hofft man darauf, dass die Betriebe das entweder in ihren Räumen permanent kontrollieren oder den Eintritt eigenverantwortlich umstellen – dann eben doch wieder hin zum harten 3G-Betrieb. Dass Betreiber, die in der Pandemie massive Einbußen verzeichnen mussten, den Ministern diesen Wunsch erfüllen, ist allerdings in der Breite nicht zu erwarten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Pressemitteilung und Informationen aus Gesundheits- und Justizministerium
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