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Kevin Kühnert bei Markus Lanz: "Scholz ist für Übergewinnsteuer zu haben"


"Markus Lanz" zu Gaskrise
SPD-General macht überraschende Scholz-Andeutung

Von Nina Jerzy

Aktualisiert am 17.08.2022Lesedauer: 4 Min.
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Kevin Kühnert bei "Markus Lanz" im vergangenen Jahr: Mittlerweile ist er zum SPD-Generalsekretär aufgestiegen.Vergrößern des Bildes
Kevin Kühnert bei "Markus Lanz" (Archivbild): Der SPD-General musste bei Lanz die Politik seines Kanzlers erklären. (Quelle: imago-images-bilder)

SPD-Generalsekretär Kühnert glaubt weiter an eine Übergewinnsteuer. Kanzler Olaf Scholz habe diese nur gewieft abgelehnt und eine Hintertür gelassen.

Wie gut kennt Kevin Kühnert Olaf Scholz? Diese Frage stellt sich zwischen einem Generalsekretär und dem Bundeskanzler aus derselben Partei eigentlich kaum. Allerdings hatte der Stratege einst geholfen, Scholz' Wahl als Parteivorsitzenden zu verhindern. Von der Antwort könnte mit abhängen, wie hart der Winter für die Ampelkoalition wird.

Denn obwohl Scholz in der Gaskrise öffentlich einer Übergewinnsteuer erst mal eine Absage erteilt hat, zeigte sich Kühnert am Dienstagabend bei "Markus Lanz" ziemlich sicher, dass der Regierungschef durchaus mit der Idee liebäugelt. "Ich verstehe ihn so, dass er dafür zu haben ist", sagte Kühnert.

Die Gäste

  • Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär
  • Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur
  • Karen Pittel, Energieexpertin vom Ifo-Institut
  • Kerstin Münstermann, Journalistin der "Rheinischen Post"

"Ihr Kanzler ist dagegen", hatte Lanz zuvor attestiert. "Nein, er hat darauf hingewiesen, dass das nicht im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Aber 100 Milliarden für die Bundeswehr waren auch nicht im Koalitionsvertrag vereinbart", erklärte Kühnert in der ersten Ausgabe der Talkshow nach der Sommerpause. Scholz habe zudem als gewiefter Regierungsvertreter gesagt, eine Übergewinnsteuer sei "momentan" oder "im Augenblick" nicht geplant. "Diese Aussage lässt alles Weitere offen und das ist auch richtig so", stellte der SPD-Generalsekretär klar.

Kühnert: Profiteure nicht davonkommen lassen

Laut Kühnert hat es auch etwas mit der "Selbstachtung als Gesellschaft" zu tun, Energiekonzerne mit enorm gestiegenen Gewinnmargen "nicht davonkommen" zu lassen. Die Krisenprofiteure ließen sich zudem gut abgrenzen von Unternehmen, die dank Innovationen in den vergangenen Jahren starke Umsatzzuwächse verzeichnen konnten, sagte er mit Blick etwa auf den Impfstoffhersteller Biontech.

Die Einnahmen aus einer Übergewinnsteuer könnten dem Staat laut einer Studie bis zu 100 Milliarden Euro bringen. Das Geld will Kühnert unter anderem für Entlastungen auch für mittelhohe Einkommen verwenden. Von Lanz nach konkreten Zahlen gefragt, nannte der Sozialdemokrat bis zu 3.000 Euro für Single-Haushalte und 4.000 bis 6.000 Euro für Paare. "Die leben nicht wie Gott in Frankreich. Die haben auch einen Entlastungsbedarf", unterstrich er. "Wir gucken hier nicht nur auf Menschen, die zuletzt bei der Tafel angestanden haben. Sondern wir sprechen über weite Teile der Gesellschaft."

"Ich frage mich, ob Herr Lindner weiß, was Sie da planen", warf die Journalistin Kerstin Münstermann ein. Der Bundesfinanzminister habe zuletzt betont, an der Rückkehr zur Schuldenbremse festhalten zu wollen. Sie attestierte der Regierung bei der jetzt aus Brüssel verneinten Frage, ob die Gasumlage auch ohne Mehrwertsteuer erhoben werden kann, handwerkliche Fehler ("Das klärt man vorher") und zeigte sich zudem mit Blick auf die ersten Gasrechnungen im Herbst sicher: "Die Entlastungen werden nicht reichen."

Gaspreis vervierfacht?

Lanz konnte da eine Modellrechnung seiner Redaktion präsentieren. Demnach wird die jährliche Gasrechnung einer fünfköpfigen Familie inklusive Gasumlage von August 2021 zu August 2022 von 1.200 auf knapp 4.200 Euro steigen. Ökonomin Karen Pittel vom Ifo-Institut konnte aus ihrem Bekanntenkreis von Preissteigerungen beim Gas von 7 auf 25 Cent pro Kilowattstunde berichten.

Da sei die Mehrwertsteuer auf die Gasumlage mit 0,4 Cent ein "Tropfen auf den heißen Stein". Sie stellte eine andere Gerechtigkeitsfrage: Ist es fair, wenn nur Gaskunden für die Mehrkosten und für die Rettung der Stadtwerke bezahlen oder profitierten nicht alle Bürger von einer funktionierenden Gasversorgung, etwa beim Blick auf die Industrie oder auch die Fernwärme-Erzeugung?

Kühnert warnte vor sozialer Spaltung, sollten allen voran die Mineralölkonzerne nicht stärker zur Kasse gebeten werden: "Wir sollten nicht darauf warten, dass Menschen zu Tausenden mit Schildern auf die Straße gehen und sagen: Uns schröpft ihr, aber die Großen lasst ihr laufen." Pittel sah jedoch massive praktische Hürden, bei einer Übergewinnsteuer den tatsächlich nur wegen der Krise erzielten Gewinn zu ermitteln. "Gerechtigkeit kann nicht allein der Maßstab sein. Gerechtigkeit trifft irgendwann auf die Realität", sagte die Ifo-Expertin.

"Welche Temperatur können wir uns leisten?" – auf diese Frage wird es letztlich für viele Menschen im Winter hinauslaufen, prognostizierte Netzagenturchef Klaus Müller. Den von Lanz erwähnten Vorwurf der "Panikmache", weil Gasspeicher aktuell schneller gefüllt werden können als geplant, wies er zurück. Bei einigen Speichern, darunter der bundesweit größte, werde das Ziel eines 95-prozentigen Füllstandes verfehlt werden. Außerdem gelte: "Die Speicher würden ohne russisches Gas gerade mal zweieinhalb Monate reichen." Deshalb sei Sparen neben neuen Gaslieferanten entscheidend, um über den Winter zu kommen, appellierte er erneut an die Verbraucher.

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Soli gegen die Gaskrise

Mitten in der Hitzewelle scheinen Debatten um Frieren in nur wenig geheizten Wohnungen noch weitgehend theoretisch. Münstermann warnte die Regierung jedoch vor einer Grundsatzfrage, die im Herbst auf sie zukommen könnte, nämlich: Muss man vielleicht Russland doch mehr entgegenkommen? Schließlich habe Scholz stets betont, dass die Sanktionen Deutschland nicht mehr schaden dürften als dem Aggressor in der Ukraine.

Die Koalition brauche schon jetzt gute Ideen, um solche Forderungen zu kontern, forderte die Journalistin der "Rheinischen Post". Sie brachte unter anderem eine Umwidmung beziehungsweise Neuauflage des Solidaritätsbeitrags ins Spiel. "Denn sonst wird die Grundpolitik dieses Landes mit Blick auf Russland und die Einbindung in die westlichen Werte noch mal in eine Diskussion kommen, die die Politik so nicht haben will." Klar ist für die Politexpertin mit Blick auf die Priorisierung von Kohle- vor Personentransporten auf der Schiene aber auch: "Es wird sich für jeden etwas ändern."

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 16. August 2022
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