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Lützerath | Kampf ums Kohledorf: "Die Besetzung ist ein Unding"


Kampf ums Kohledorf
"Die Besetzung ist ein Unding"


Aktualisiert am 11.01.2023Lesedauer: 1 Min.
Meinung
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Lützerath: Der Bürgermeister richtet einen eindringlichen Appell an die Protestierenden.

In Lützerath liefern sich Klimaaktivisten und Polizei heftige Auseinandersetzungen um das Kohleabbaugebiet. Ist die Räumung des besetzten Dorfes richtig?

Seit den frühen Morgenstunden läuft die Räumung des verlassenen Dorfs Lützerath, wo der Energiekonzern RWE künftig Braunkohle abbauen will. Hunderte Aktivisten stellen sich der Polizei in den Weg. Sie wollen verhindern, dass RWE die Kohle aus dem Boden holt – weil auch deshalb Deutschland seine Klimaziele verfehle.

Die Einsatzkräfte rechnen damit, dass sich die Räumung der Häuser mehrere Tage, womöglich sogar Wochen hinziehen könnte. t-online diskutiert: Ist die Räumung von Lützerath richtig?

Pro
Florian SchmidtFlorian SchmidtLeiter Hauptstadtbüro

Ja, die Räumung ist recht und billig

"Toxischer Deal", "David gegen Goliath", "Pure Machtdemonstration" – an scharfen Überschriften und knalligen Sprüchen mangelt es nicht dieser Tage. Dabei ist die Räumung von Lützerath, das Abbaggern der Kohle im Tagebau Garzweiler doch vor allem eines: recht und billig.

Denn die Fläche, um die es geht, ist Eigentum des Energiekonzerns RWE. Und der darf damit machen, was er will.

Lützerath liegt weder in einem Naturschutzgebiet, noch hat der Konzern die rund 100 Menschen, die einst hier lebten, mit Gewalt aus ihren Häusern geprügelt. Die Landesregierung in Düsseldorf hat den Kohleabbau ganz offiziell genehmigt, mehrere Gerichte haben das Vorgehen bestätigt. Kurz: Alles wurde im Vorhinein ordentlich und sauber geregelt.

Selbst wenn der Abbau der Kohle womöglich aus Gründen der Energiesicherheit nicht unbedingt nötig sein mag – die Räumung des Geländes ist es damit allemal. Wo kämen wir hin, wenn in Deutschland nicht das Gesetz, konkret: das Eigentumsrecht, regelte, was geht und was nicht, sondern Aktivisten das täten?

So hehr die Ziele Letzterer auch sein mögen: Die Besetzung von Lützerath ist ein Unding. Die nun notwendige Räumung des Geländes kostet die Steuerzahler viel Geld und bindet Hunderte Polizeibeamte, die ihren Dienst an anderer Stelle weit sinnvoller verrichten könnten.

Hinzu kommt: RWE wird nicht zuletzt wegen der Erlaubnis, Kohle in Lützerath zu fördern, weit früher aus der Kohleverstromung aussteigen, als noch vor einem Jahr gedacht. Statt 2038 ist nun schon 2030 Schluss mit dem Einsatz des fossilen Energieträgers. 280 Millionen Tonnen Kohle bleiben dadurch im Boden.

Jeder Normalbürger würde sagen: Acht Jahre früher, Chapeau, ein großer Schritt, na immerhin. Nicht so die Aktivisten, die immer noch mehr wollen, immer bis zum Äußersten gehen müssen. Salopp möchte man ihnen zurufen: Irgendwann ist auch mal gut!

Kontra
Theresa CrysmannTheresa CrysmannRedakteurin für Nachhaltigkeit

Nein, die Räumung schafft Unrecht

Nur weil etwas legal ist, ist es noch lange nicht legitim. Nirgends wird das in Deutschland aktuell deutlicher als in Lützerath.

Das nordrhein-westfälische Dorf an der Abbruchkante des Braunkohletagebaus Garzweiler soll heute geräumt werden, im Zweifel mit Gewalt. Jahrelang hatten Dorfbewohner für den Erhalt ihrer Häuser und Gärten, ihrer Kirche und Bauernhöfe gekämpft. Als der Energiekonzern RWE auch den letzten Landwirt zum Verkauf seines Anwesens gedrängt hatte, sind Klimaaktivistinnen und -aktivisten in die verlassenen Gebäude gezogen. Auch in letzter Minute versuchen sie nun, das Dorf zu schützen. Denn: Die Räumung und das Abbaggern von Lützerath mögen rechtens sein, doch sie schaffen Unrecht.

Bei RWE liegt alles parat: Grundbuch- und Flurstücksauszüge, die dem Konzern ganz Lützerath zusprechen, die Abbaugenehmigung für Hunderte Millionen Tonnen Braunkohle unterhalb des Dorfes, die Zusage der Polizei, störende Aktivisten aus dem Weg zu räumen. Und die Rechtfertigung, dass das Abbaggern des Dorfes eine "energiewirtschaftliche Notwendigkeit" sei. Auch die NRW-Landesregierung sieht das so. Doch diese Behauptung ist mehr als wackelig.

Das Team, das die offiziellen Gutachten geschrieben hat, stützt sich auf Zahlen von RWE, seine drei Bewertungen bauen teils aufeinander auf. Nach eigener Aussage hätten die Gutachter auch unter enormem Zeitdruck gestanden, nicht alle Punkte hätten sich ausreichend prüfen lassen.

Kein Wunder, dass eine umfassende Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Frühjahr 2022 zu einem anderen Fazit gelangt: Trotz Energiekrise ist die Stromversorgung in Deutschland gesichert. Und zwar auch ohne die Lützerather Braunkohle. Energieexperten vom Thinktank Aurora kommen zum selben Ergebnis. Bleibt der Schluss: RWE sorgt sich allein um seine Profite. Dabei steht hier viel Wichtigeres auf dem Spiel: In Lützerath entscheidet sich, ob Deutschland seine Klimaziele aufgibt.

Denn: Braunkohle ist der klimaschädlichste aller fossilen Brennstoffe. Werden die Vorkommen unter dem Dorf verbrannt, wird auch die Chance der Bundesrepublik verheizt, die eigenen Treibhausgasemissionen wie geplant – und gesetzlich vorgeschrieben – zu senken. Deutschlands Beitrag dazu, die globale Erderhitzung bei 1,5 Grad Celsius Temperaturanstieg zu stoppen? Futsch. Auch das belegt das DIW. Und Berechnungen von Aurora zeigen: Ab 2030 dürfte der steigende CO2-Preis das Kohlegeschäft für RWE ohnehin unwirtschaftlich machen. Dem Energiekonzern mit der Abbauerlaubnis für Lützerath einen vermeintlich vorgezogenen Kohleausstieg abzuringen, war eine Mogelpackung.

Die Hundertschaften, die sich in und um Lützerath positioniert haben, gehen schon jetzt hart gegen die Demonstranten vor. Doch ihre Gewalt richtet sich nicht nur gegen Sitzblockaden und Barrikaden: Mit Pfefferspray, Schlagstöcken und Schmerzgriffen knüppeln sie auch gegen das Recht auf zivilen Ungehorsam ein – und letztlich aufs Klima.

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