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Trotz Corona-Krise: Libyen – an diesem Ort herrscht weiterhin Gewalt


Mission "Irini"
Unser Libyen-Engagement ist richtig – aber nur ein erster Schritt

MeinungEin Gastbeitrag von Gabriela Heinrich

Aktualisiert am 17.04.2020Lesedauer: 3 Min.
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Kämpfe in Libyen: Es muss noch mehr geschehen, um dem kriegsgeplagten Land zu helfen, meint SPD-Politikerin Gabriela Heinrich.Vergrößern des Bildes
Kämpfe in Libyen: Es muss noch mehr geschehen, um dem kriegsgeplagten Land zu helfen, meint SPD-Politikerin Gabriela Heinrich. (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)

Das Coronavirus legt die Welt still, andernorts herrscht aber weiter Gewalt. So wie in Libyen. Die Mission "Irini" soll helfen, kann aber nur ein erster Schritt sein.

Auch in Zeiten der Corona-Krise schweigen die Waffen leider nicht überall: In Libyen etwa geht das Töten dieser Tage weiter – trotz der Ergebnisse der wichtigen Libyen-Konferenz Anfang des Jahres in Berlin.

Als sich im Januar hochrangige Delegationen aus zehn Ländern in Berlin auf gemeinsame Schlussfolgerungen einigten, gab es so etwas wie Zuversicht für das seit Jahren vom Krieg gebeutelte Libyen. Die Teilnehmer bekannten sich zum libyschen Friedensprozess unter der Ägide der Vereinten Nationen. Auch Schlüsselländer wie Russland und die Türkei sicherten zu, sich nicht mehr in den bewaffneten Konflikt und die inneren Angelegenheiten Libyens einzumischen. Und sie verpflichteten sich, das von den Vereinten Nationen gegen Libyen verhängte Waffenembargo in vollem Umfang einzuhalten und umzusetzen.

Kämpfe gehen weiter

Seither gab es Fortschritte: Beide libysche Konfliktparteien haben ein Waffenstillstandsabkommen entworfen, ein erster politischer Dialog fand statt. Aber es ist auch wahr, dass das Abkommen noch nicht angenommen wurde. Waffen und Söldner finden unvermindert ihren Weg nach Libyen. Die Kämpfe gehen weiter, trotz der Vereinbarungen, trotz der Pandemie.


Gabriela Heinrich, Jahrgang 1963, ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion (Bild: Susie Knoll).

Die EU und mit ihr auch die Bundesregierung haben richtig gehandelt, jetzt Verantwortung zu übernehmen und mit der Mission "Irini" auf See die Umsetzung des Waffenembargos der Vereinten Nationen kontrollieren zu wollen. Wir sollten die Mission wirksam unterstützen. Aber es gibt weiteren Handlungsbedarf, vor allem in dreierlei Hinsicht.

Erstens: Die Mission setzt das Embargo auf dem Seeweg um. Das trifft de facto vor allem die international anerkannte Regierung in Tripolis, die ihren Nachschub hauptsächlich über See abwickelt. Ihr Gegner im Konflikt, die Truppen der "Libyschen Nationalen Armee" unter General Haftar versorgen sich insbesondere über Land oder den Luftweg.

Mit der Mission "Irini" wird also der Versorgungsweg nur einer der Konfliktparteien unterbrochen. Aus diesem Grund müssen die Vereinten Nationen dringend eine geeignete Mission zur Überwachung ihres Embargos auch auf dem Land- und dem Luftweg auf den Weg bringen.

Einen gewissen Beitrag kann die EU-Mission "Irini" leisten: Im Rahmen des Mandats lassen sich über Satelliten, den internationalen Luftraum oder seegestützte Einheiten Informationen über die Bewegungen an den Landesgrenzen Libyens sammeln. Trotzdem sind die Vereinten Nationen gefragt, um zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union eine Überwachung des Embargos auch auf dem Landweg sicherzustellen.

Zweitens umfasst das neue Mandat – ähnlich wie bei der Vorgängermission "Sophia" – die Ausbildung der libyschen Küstenwache. Das ist sinnvoll, gerade weil staatliche Strukturen in Libyen befähigt und gestärkt werden müssen. Zudem ist es gut, dass die Ausbildung die Grundlagen des Völkerrechts und der Menschenrechte umfasst. Allerdings muss angesichts der Vorwürfe gegenüber einzelnen Mitgliedern der libyschen Küstenwache, denen Nähe zu Menschen- und Waffenschmugglern nachgesagt wird, das umfangreiche UN-Sanktionsregime zu Libyen voll zur Anwendung gebracht werden.

Es geht darum, Individualsanktionen, wie schon geschehen, konsequent zu verhängen – gerade auch gegen Angehörige der Küstenwache, wenn diese nachweislich etwa in Menschenschmuggel verwickelt sind. Hier sollten gerade die EU beziehungsweise ihre Mitgliedsstaaten vorangehen und dem Libyen-Sanktionsausschuss des UN-Sicherheitsrates alle zur Verfügung stehenden Informationen zu verdächtigen Einzelpersonen zukommen lassen.

Die Ausbildung der libyschen Küstenwache durch die Mission "Irini" ist ein wichtiger Aspekt, aber sie darf nicht Menschenrechtsverletzer ertüchtigen und damit zu einer Bürde für das Ansehen der Mission und der EU insgesamt in Libyen werden. Gegen Straftäter muss konsequent vorgegangen werden.

Drittens endet mit der Umsetzung des Mandats hoffentlich eine beschämende und unwürdige europäische Entscheidungsfindung. Die Regierungen Österreichs und Ungarns hatten wegen vermeintlicher "migrationspolitischer Pull-Faktoren" die Diskussionen innerhalb der EU aus innenpolitischen Gründen blockiert. Dies hat erneut gezeigt, dass wir eine grundsätzliche Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik und des gemeinsamen Asylsystems brauchen.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung könnte während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft bei den laufenden Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen unternommen werden: Für diejenigen EU-Mitgliedstaaten, aber auch Kommunen, die Solidarität bei der Aufnahme von Migrantinnen und Migranten zeigen, sollte die EU finanzielle Anreize schaffen.

Die Mission "Irini" ist ein wichtiger Schritt, das UN-Waffenembargo gegen Libyen durchzusetzen. Ich bin froh, wenn der Bundestag nächste Woche ein präzises Mandat für diese wichtige EU-Mission in erster Lesung berät. Eine starke Rolle der Vereinten Nationen in und um Libyen ist jedoch gefragter denn je.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten spiegeln die Meinung des Autors wider und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online.de-Redaktion.

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