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Impfpflicht in Pflegeheimen: "In einigen Häusern droht die Katastrophe"


Impfpflicht in Pflegeheimen
"In einigen Häusern droht die Katastrophe"


26.01.2022Lesedauer: 3 Min.
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Pflegerin und Seniorin (Symbolbild): Es gebe jetzt schon Ankündigungen, dass Beschäftigte die Unternehmen verlassen werden, sagt Schraml vom BKSB. (Quelle: Ridofranz/getty-images-bilder)

Bald greift die Impfpflicht für Pflegepersonal. Zuletzt machten Impfgegner mit gefälschten Annoncen bei dem Thema Stimmung. Doch tatsächlich ist die Lage angespannt – Heimbetreiber fürchten Schließungen.

Am Wochenende sorgten deutschlandweit viele Stellengesuche von ungeimpftem Pflegepersonal für Wirbel – zum großen Teil ausgedachte Fälle, koordiniert von Impfgegnern in Telegram-Gruppen, wie Recherchen zeigen. Die Gesuche sollten mit dem Szenario eines drohenden Personalmangels Stimmung gegen die Impfpflicht in der Pflege machen. Doch welches Bild ergibt sich tatsächlich, wenn man sich in Einrichtungen umhört? Wird es bald zu einer Notlage in Pflegeeinrichtungen kommen? t-online hat mit führenden Verbänden in der Branche gesprochen.

"Die Stimmungslage ist sehr durchwachsen", sagt Alexander Schraml, Vorsitzender des Bundesverbandes der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB) t-online. Es gebe jetzt schon Ankündigungen, dass Beschäftigte die Unternehmen verlassen werden. Und: Das Beschäftigungsverbot könne dazu führen, dass viele Beschäftigte ab Mitte März von heute auf morgen etwas Neues suchen. Schraml beobachtet zudem, dass es in manchen Regionen derzeit viel weniger Bewerber für die Pflegeausbildung als noch vor einem Jahr gibt. In Würzburg und Unterfranken haben zwei Pflegeheime wegen des Personalnotstands bereits ganz schließen müssen.

Das Problem bestätigt auch Ulrike Döring, Präsidiumsmitglied des Deutschen Pflegerats (DPR). "Der Arbeitsmarkt ist in Deutschland leergefegt", so Döring zu t-online. Doch die Lage in den Pflegeeinrichtungen sei schon vor Einführung der Impfpflicht katastrophal gewesen, viele Träger berichteten ihr von Kündigungen wegen schlechter Bedingungen. "Die Pflegekräfte können nicht mehr, sie sind am Ende." Aktuell sei die Situation aufgeheizt, möglicherweise werde die Impfpflicht bei einer Kündigung vorgeschoben.

"Wir brauchen jede Pflegekraft"

Der BKSB berate derzeit, was unternommen werden könne, wenn es viele Kündigungen im Pflegebereich gebe, sagt Schraml. Im schlimmsten Fall könnten Einrichtungen den Ausfall nicht kompensieren. Außer der Schließung bleibe dann nur noch eine Möglichkeit: "Im Zweifel können wir keinen mehr aufnehmen und müssen Heimverträge kündigen. Die Gefahr besteht, dass wir Pflegebedürftige auf die Straße setzen müssen, wenn wir die Pflegekräfte verlieren", so Schraml.

Der BKSB wolle eine Stellungnahme abgeben und die Gesundheitsämter auffordern, von einer im Gesetz verbrieften Ausnahmemöglichkeit Gebrauch zu machen: Wenn es zu wenig Personal in einer Einrichtung gibt, kann demnach von einem Beschäftigungsverbot für Ungeimpfte abgesehen werden. "Wir brauchen jede Pflegekraft bei uns im Pflegeheim", so der Vorsitzende. "Das Gesundheitsamt trägt dann die Verantwortung, wenn es zu einer Notlage kommt."

Einige Bundesländer besonders betroffen

Die angespannte Lage bestätigt auch Christina Wandel-Sucker, Sprecherin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), auf Anfrage von t-online. Insbesondere Einrichtungen der Pflege in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg seien betroffen, so Wandel-Sucker. Schraml sagt dazu: "Es ist nicht überall gleich schlecht, aber es ist überall angespannt. In einigen Häusern droht die Katastrophe. Ich höre von keinem meiner Kollegen aus anderen Bundesländern, dass es unproblematisch ist."

Die Impfpflicht belaste die Arbeit in Pflegeheimen weiter, wenn externe Kräfte wie Reinigungspersonal oder Handwerker keinen Nachweis vorlegen könnten, kritisiert Wandel-Sucker scharf. Im Hinblick auf Externe fehle bislang ein Auskunftsrecht. Kontrolle und Diskussionen blieben dann zusätzlich an den Leitungen und dem Pflegepersonal hängen: "Die Verantwortung zur Umsetzung der Impfpflicht wird den ohnehin stark belasteten Einrichtungen überlassen."

Ein "absolut gesellschaftliches Problem"

Dass es die Diskussion um die Impfpflicht überhaupt gibt, sei ein "absolut gesellschaftliches Problem", so Döring vom DPR. Bei der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht gegen Masern habe es diese Diskussion beispielsweise so gar nicht gegeben. Die Impfung gegen das Coronavirus sei relativ neu und das sorge für größere Impfskepsis und Impfsorgen.

Doch es gibt auch gute Nachrichten. Nicht überall zeichnet sich schon jetzt eine dramatische Lage ab – bei Einrichtungen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) beispielsweise. "Uns sind bislang keine Fälle bekannt, wonach Pflegekräfte aufgrund der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ihre Arbeit in unseren Einrichtungen aufgeben wollen", so eine Pressesprecherin des ASB-Bundesverbandes auf Anfrage von t-online.

Verlässliche Zahlen zu Kündigungen im Pflegebereich gebe es noch nicht, sagt Frank Vollgold, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit in Sachsen, zu t-online. Statistische Auswertungen seien im Moment noch nicht aussagekräftig, weil seit der Veröffentlichung der Verordnung erst wenig Zeit vergangen sei. Für eine erste Bewertung sei es daher noch zu früh. Sollte es in den kommenden Wochen zu vermehrten Kündigungen kommen, kann das laut Vollgold aber verschiedene Ursachen haben, beispielsweise die Belastbarkeit, Sorge vor dem Infektionsrisiko oder familienspezifische Gründe.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Ulrike Döring am 25. Januar 2022
  • Gespräch mit Alexander Schraml am 25. Januar 2022
  • Anfrage an das Deutsche Rote Kreuz
  • Anfrage an den Arbeiter-Samariter-Bund
  • Anfrage an die Bundesagentur für Arbeit Sachsen
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