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Asylpolitik der EU: Grünen-Basis schreibt Brandbrief an ihre Spitzenleute


EU-Migrationspolitik
Grünen-Basis schreibt Brandbrief an ihre Spitzenleute

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 06.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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Minister Baerbock, Habeck: Die Grünen müssen sich ändern, um erfolgreich zu sein.Vergrößern des Bildes
Annalena Baerbock und Robert Habeck: Die Basis setzt ihre Spitze in der Migrationspolitik unter Druck. (Quelle: Maja Hitij/Getty Images/Getty Images)

Die EU will das Asylrecht verschärfen. Bei den Grünen sind die Pläne hochumstritten. Die Basis ruft ihre Spitzenleute in einem Brandbrief zum Widerstand auf.

Die Basis der Grünen rebelliert gegen die Migrationspolitik ihrer Führungsriege. In einem internen Brief, der t-online vorliegt und über den zunächst der "Spiegel" berichtet hatte, stellt sich die Basis gegen die geplante Asylreform in der EU – und fordert ihre Spitzenleute auf, sich dafür einzusetzen, "dass Populismus nicht in Gesetzesform gegossen wird".

Der Brief, den innerhalb kurzer Zeit rund 730 Grüne unterzeichnet haben, ist am Montagabend verschickt worden. Adressiert ist er an Außenministerin Annalena Baerbock, Vizekanzler Robert Habeck, Familienministerin Lisa Paus, die Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour sowie die Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann.

Die Basis sieht die Grundsätze der Partei in Gefahr. "Wir stehen vor den gravierendsten Asylrechtsverschärfungen der vergangenen 30 Jahre", heißt es schon im Vortext der Initiatoren des Schreibens. "Wenn wir uns als Menschenrechtspartei verstehen, dann müssen wir jetzt klarmachen, was das für uns bedeutet."

In Brüssel wird derzeit über das Gemeinsame Europäische Asylsystem, GEAS, verhandelt. Eine zentrale Änderung würde die bisherige europäische Asylpraxis deutlich verschärfen. So sollen Menschen, die aus Ländern kommen, aus denen nur wenige Migranten Asyl erhalten, gar nicht mehr in die EU einreisen dürfen. Stattdessen soll es für sie ein Schnellverfahren an der EU-Außengrenze geben. Die Pläne sind hochumstritten.

Auch prominente Grüne haben unterschrieben

Neben vielen Grünen von der Basis haben den Brandbrief auch prominente Parteimitglieder unterzeichnet. Dazu gehören etwa die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina, die Fraktionsvorsitzende im Landtag Thüringens, Astrid Rothe-Beinlich, der Chef des Seenotrettungsvereins Sea-Eye, Gorden Isler, sowie der Grüne-Jugend-Chef Timon Dzienus.

Im Brief beklagen die Grünen, die Berichte über die Prioritäten der deutschen Bundesregierung bei der Reform hätten sie "erschüttert". Dabei trägt auch die Grünen-Führung die Pläne derzeit im Grundsatz mit. Die Basis beklagt, die Ausweitung sicherer Drittstaaten, schlechterer Rechtsschutz, verpflichtende Grenzverfahren in Haftlagern und eine massive Verschärfung des gescheiterten Dublin-Systems seien nur einige der Rechtsverschärfungen.

Die Grünen-Basis wirft der Bundesregierung mangelnde Ambitionen vor – und damit auch ihren eigenen Spitzenleuten. Eine verbindliche Verteilung von Schutzsuchenden unter den EU-Staaten werde "auch von Deutschland nicht mehr angestrebt, sodass in der praktischen Umsetzung des Reformvorschlags vor allem eine massive Beschneidung des Asylrechts übrig bleibt", heißt es im Schreiben. Dabei führten "Abschreckung und Abschottung" nicht zu weniger Geflüchteten, sondern "nur zu mehr Leid".

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner wünschen sich eine selbstbewusstere Haltung: "Auch wenn die Verhandlungssituation in Brüssel sicherlich schwierig ist und wir sicher sind, dass ihr für die Umsetzung des Koalitionsvertrags kämpft, so ist es doch schwer nachvollziehbar, warum die deutsche Verhandlungsposition nicht annähernd den Inhalten des Koalitionsvertrags entspricht."

Baerbock steht zur Reform

Außenministerin Annalena Baerbock, deren Haus maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt ist, hatte sich zuletzt grundsätzlich hinter die Reformpläne gestellt. Der Vorschlag der EU-Kommission sei die einzige Chance, auf absehbare Zeit zu einem "geordneten und humanen Verteilungsverfahren" zu kommen, sagte sie den Funke-Medien. "Deshalb verhandeln wir in Brüssel hart, um sicherzustellen, dass niemand länger als einige Wochen im Grenzverfahren steckenbleibt, dass Familien mit Kindern nicht ins Grenzverfahren kommen, dass das Recht auf Asyl im Kern nicht ausgehöhlt wird."

Grüne-Jugend-Chef Timon Dzenius hatte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" hingegen gesagt, die Pläne seien "unmenschlich und eine rechte Nebelkerze". Er erwarte von den grünen Bundesministern, dass diese "sich klar gegen Außengrenzverfahren stellen".

Ein Problem ist, dass die Reformpläne nicht nur unter den 27 EU-Mitgliedstaaten heftig umstritten sind – sondern auch innerhalb der Bundesregierung. Offenen Streit gibt es in der Ampelkoalition etwa darüber, ob Kinder von den Grenzverfahren ausgenommen werden sollen – und wer überhaupt als Kind gilt.

Im Ursprungsvorschlag der EU-Kommission heißt es: "Unbegleitete Kinder und Kinder unter 12 Jahren mit ihren Familienangehörigen sind vom Grenzverfahren ausgenommen, sofern keine Sicherheitsbedenken bestehen." So sehen es auch andere wichtige EU-Staaten wie Frankreich. Die Grünen hingegen wollen in der Bundesregierung durchsetzen, dass alle unter 18 Jahren sowie Familien mit Kindern kein Grenzverfahren durchlaufen müssen.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hingegen sagte dem "Tagesspiegel", wenn eine menschenwürdige Versorgung und eine effiziente Durchführung der Asylverfahren gewährleistet sei, "dann braucht es auch keine Debatte zu möglichen Ausnahmen, die eine Einigung in Europa wieder nur gefährden würden".

Debatte auf kleinem Parteitag der Grünen

Grünen-Chef Omid Nouripour kündigte am Montag Widerstand an: "Es ist sehr irritierend, dass es jetzt Stimmen gibt, die davon sprechen, dass jetzt auch Kinder an EU-Außengrenzen festgehalten werden dürfen", sagte er. "Wir werden uns dagegen stemmen." Man wolle zwar eine europäische Lösung, "aber nicht um jeden Preis".

Am Donnerstag werden die EU-Innenminister in Luxemburg über die Asylreform beraten. Ob es dort schon eine Einigung gibt, ist aber auch angesichts der tiefen Gräben in der EU fraglich.

Klar ist hingegen, dass die Migrationspolitik die Grünen in den nächsten Wochen weiter beschäftigen wird. Nach t-online-Informationen wird der Bundesvorstand der Grünen auf dem Länderrat der Partei in Bad Vilbel am 17. Juni einen eigenen Antrag zur Migrationspolitik diskutieren lassen. In Parteikreisen heißt es, dass auch in den Bundesarbeitsgemeinschaften der Grünen überlegt wird, einen Antrag für den kleinen Parteitag einzubringen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Gespräche
  • spiegel.de: Parteibasis rebelliert gegen Asylkurs der Grünenspitze
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