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Das denkt die Bundeswehr über ihre Chefin Christine Lambrecht


Bundeswehr
So denkt die Truppe über ihre Ministerin

  • Bastian Brauns
Von Miriam Hollstein, Bastian Brauns

Aktualisiert am 20.05.2022Lesedauer: 5 Min.
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Die Ministerin bei einem Besuch des Lufttransportgeschwader 62 im niedersächsischen Wunstorf. In der Truppe wünscht man sich noch mehr Präsenz.Vergrößern des Bildes
Die Ministerin bei einem Besuch des Lufttransportgeschwader 62 im niedersächsischen Wunstorf. In der Truppe wünscht man sich noch mehr Präsenz. (Quelle: localpic/imago-images-bilder)

Christine Lambrecht wehrte sich im t-online-Interview gegen Vorwürfe an ihrer Amtsführung: Sie habe in wenigen Monaten bereits viel Gutes erreicht. Doch was denken die Soldaten über ihre Chefin?

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat Vorwürfe an ihrer Amtsführung zurückgewiesen. Sie bekomme "vor Ort von den Soldatinnen und Soldaten etwas völlig anderes gespiegelt als von den Medien", sagte sie im Interview mit t-online.

Sie sei auch nicht die Erste, die einer solch massiven Kritik ausgesetzt sei. "Wenn ich mir anschaue, was über meine Vorgängerinnen geschrieben wurde, habe ich nicht den Eindruck, dass es mit meiner Person zu tun hat", sagte sie. Und mit Blick auf das Verteidigungsministerium: "Es gibt leider bei einigen wenigen eine gewisse Unkultur, mit Gerüchten, Klatsch und Flurfunk die Medien zu füttern."

In Soldaten-Chatforen kursieren Spottbilder

Alles nur eine Kampagne? Das sehen nicht alle in der Truppe so. Dort hat die Ministerin den Ruf, sich nicht wirklich für die Belange der Soldatinnen und Soldaten zu interessieren und auch ein überschaubares Interesse für die Strukturen aufzubringen.

In Chatforen von Soldaten kursieren zahlreiche Memes, bearbeitete Videos und Bilder, die sich über die Ministerin lustig machen. Auf einem ist Lambrecht zu sehen, wie sie mit ihrem Sohn telefoniert. Es ist eine Anspielung auf den Vorfall, dass Lambrecht unlängst ihren Sohn im Bundeswehrhelikopter mitnahm.

Nach wie vor herrscht auch Verdruss darüber, dass die Ministerin und ihr Umfeld als abgeschottet wahrgenommen werden. Bis heute hat weder eine Leitungsklausur noch die Bundeswehrtagung stattgefunden. Im Ministerium heißt es, Lambrecht habe angeordnet, ihren Terminkalender mit nicht zu vielen Truppenbesuchen vollzupacken. Tatsächlich wundern sich langjährige Mitarbeiter aus dem Leitungsstab über die überschaubare Anzahl an Besuchen.

Hinzu kommen Stilfragen wie bei der Reise der Ministerin nach Mali, zum größten Auslandseinsatz der Bundeswehr. In den Medien wurde Lambrecht dafür verspottet, dass sie dort mit Absatzschuhen auftrat.

Tatsache ist, dass für Soldaten und Soldatinnen im Einsatz allein aus Sicherheitsgründen strenge Kleidungsvorschriften gelten. Auch Parlamentarier und Journalisten, die mit der Ministerin ins Einsatzgebiet fahren, werden aufgefordert, festes Schuhwerk zu tragen. Da wirkt es eher befremdlich, wenn die Ministerin demonstrativ darauf verzichtet – auch wenn ihr das im stark hierarchisierten System der Bundeswehr niemand so ins Gesicht sagen würde.

Wer sich aber mit Soldaten unterhält, bekommt Sätze zu hören wie "Mali ist kein Parkett, sondern eine Konfliktregion". Es sei ohnehin schwierig, Politiker bei Besuchen davon zu überzeugen, "wenigstens Funktionskleidung zu tragen". Dies nicht zur Kenntnis zu nehmen und bewusst auch noch Absatzschuhe zu tragen, wirke wie der Gipfel der Ignoranz.

Für noch mehr Getuschel in der Truppe sorgte jedoch, dass Lambrecht auf den geplanten Truppenbesuch in der Weihnachtszeit zunächst verzichtete und so mit einer langjährigen Tradition brach. Die neuen Chefs und Chefinnen im Ministerium hatten immer zeitnah nach Amtsantritt jenen Ort besucht, an dem die meisten deutschen Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz waren.

Die Verteidigungsministerin hat eine Vorbildfunktion

Lambrechts Vorgängerin, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), reiste Anfang Dezember 2019 zum deutschen Camp im afghanischen Mazar-i-Sharif. Auch ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) traf bereits fünf Tage nach ihrem Amtsantritt dort ein, würdige die Leistung der Truppe am Hindukusch und ließ sich öffentlichkeitswirksam dabei ablichten, wie sie sich in die Essensschlange in der Kantine einreihte.

Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nahm zu seinem Truppenbesuch sogar seine Ehefrau und den TV-Moderator Johannes B. Kerner mit. Das fanden dann doch einige zu viel des Guten. Bei der Truppe kam es hingegen gut an, genauso wie zu Guttenbergs Entscheidung, die Zustände in Afghanistan entgegen aller politischen Gepflogenheiten als "kriegsähnlich" zu bezeichnen.

Wer das Verteidigungsministerium führt, hat auch immer eine besondere Vorbildfunktion. Wie man dieser gerecht werden kann, hat eine andere Ministerin kürzlich vorgeführt. Als Außenministerin Annalena Baerbock Mali besuchte, signalisierte sie schon allein mit ihrer praktischen Kleidung – Boots, weißes Hemd und sandfarbene Hose –, dass sie nah bei der Truppe ist.

Auch über von der Leyen wurde gelästert

Recht hat Lambrecht mit dem Hinweis, dass auch ihre Vorgängerinnen massiver Kritik ausgesetzt waren. Von der Leyen verdarb es sich mit der Truppe, als sie nach Bekanntwerden von rechtsextremen Vorfällen der Bundeswehr pauschal bescheinigte, "ein Haltungsproblem" zu haben. Das nahmen ihr viele übel, die im Einsatz Leben und Gesundheit riskiert hatten. Und auch über von der Leyen wurde gelästert, dass für sie immer eine Extra-Kaffeemaschine auf Truppenbesuche mitgenommen werden musste, weil ihr einfacher Filterkaffee nicht genüge.

Entscheidend sind aber bei der Bundeswehr nicht die Äußerlichkeiten, sondern, was die jeweilige Führung für die Truppe erreicht. Doch auch hier gibt es unterschiedliche Ansichten über die vorläufige Bilanz von Lambrecht.

Die Bewaffnung der Drohnen, die sie im Interview mit t-online als einen ihrer Erfolge erwähnt, war ein Projekt, das ihre Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer bereits im Detail mit der SPD ausgehandelt hatte. In letzter Minute scheiterte es aber am Widerstand der Sozialdemokraten. Der damalige verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Fritz Felgentreu, war so wütend über seine Partei, dass er sein Sprecheramt niederlegte.

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Die Ampelpartner verständigten sich schließlich auf eine Bewaffnung der Drohnen. "Die politische Entscheidung ist durch den Koalitionsvertrag gefallen", sagt Felgentreu, der inzwischen die Politik verlassen hat, heute: "Christine Lambrecht hat die Vorlage aber durchs Parlament gebracht. Sie hat nicht gezaudert." Aber auch Felgentreu räumt ein, dass die inhaltliche Vorarbeit durch die Verhandlungen unter einer Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer geleistet wurde.

Auch die Nachfolgeregelung für die Tornado-Kampfflugzeuge, die Lambrecht sich auf die Fahnen schreibt, war schon in der letzten Legislatur ein Dauerbrenner. Dass es hier endlich eine Einigung gibt, soll aber maßgeblich am Kanzleramt gelegen haben, das schon sehr früh Gespräche mit Airbus führte.

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Lambrecht macht bei Beschaffungen Tempo

Im Beschaffungswesen, dessen Bürokratie für einen Teil der schlechten Ausstattung der Bundeswehr verantwortlich ist, macht Lambrecht hingegen selbst Tempo. Sie sorgte dafür, dass die Grenze, ab der Aufträge ohne Ausschreibung vergeben werden können, von 1.000 auf 5.000 Euro angehoben wurde. Das betrifft rund 20 Prozent aller Beschaffungsaufträge für Ausrüstung.

In der Truppe sieht man die Auswirkungen dieser Änderung allerdings skeptisch. Soldaten erzählen, dass es sich nach wie vor um Kleinstbeträge handele. Von einer wirklich effizienten Reform zu sprechen, sei jedenfalls nicht angebracht. Zwar heißt es, Einsatzkräfte seien inzwischen ausreichend ausgestattet worden, etwa mit Winterjacken. Doch auch Soldatinnen und Soldaten, die im Inland ihren Dienst verrichten, erwarten angemessene Ausstattung. Daran mangele es weiterhin. So sei etwa noch immer ein Jahrzehnte altes Modell einer "Unterziehjacke" im Umlauf.

Bizarr mutet mitunter der Streit zwischen Union und SPD an, wer für den schlechten Zustand der Bundeswehr verantwortlich ist. Im Interview mit t-online machte Lambrecht dafür wie zuvor bereits Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Union als Schuldigen aus. Die weist dies empört als "Geschichtsklitterung" zurück.

Richtig ist, dass die Union 16 Jahre lang die Führung des Verteidigungsministeriums stellte. Zutreffend ist auch, dass die Finanzierung der Bundeswehr ihren tiefsten Einschnitt im Zuge der Bundeswehrreform von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) erlebte.

Genauso zutreffend ist aber auch, dass die Trendwende unter seiner Nachfolgerin Ursula von der Leyen kam. Und dass die SPD sich öffentlich stets gegen eine Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels der Nato stemmte, also die Verpflichtung, zwei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung in Verteidigung zu investieren. Im Bundestagswahlkampf 2017 warb die SPD sogar mit dieser Haltung: "Das will die CDU: Teure Aufrüstung vom Panzer bis zur Drohne. Das will die SPD: Kostenfreie Bildung von der Kita bis zur Uni'." Damals war die Vorstellung, es könnte wieder Krieg in Europa geben, noch weit weg.

Für bessere Stimmung könnte Lambrecht in der Truppe sorgen, wenn sie ihre Ankündigung umsetzte, die Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten mit persönlicher Schutzausrüstung von 2031 auf 2025 vorzuziehen. Im Interview mit t-online sagte sie zudem, sie sei fest entschlossen, bis zum Ende der Wahlperiode im Amt zu bleiben. Dann bliebe noch viel Zeit für die Truppe, sich an die Ministerin zu gewöhnen – und umgekehrt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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