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Tagesanbruch: Brexit-Debakel – Eine nationale Katastrophe für Großbritannien


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 16.01.2019Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Alexis TsiprasVergrößern des Bildes
Alexis Tsipras (Quelle: Petros Giannakouris/ap-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Es gibt unterschiedliche Abstufungen von Niederlagen. Die gestrige war vernichtend. Debakel, Reinfall, Fiasko: Worte reichen kaum aus, um zu beschreiben, was Theresa May und ihren wenigen verbliebenen Verbündeten im britischen Parlament widerfahren ist. "Die größte Regierungsniederlage aller Zeiten", posaunt das Boulevardblatt "Daily Mail". "NO F-ING MAY!" brüllt die "Sun" und hat das u, das c und das k wohl weniger aus Anstand denn aus Schadenfreude weggelassen. Mit 432 zu 202 Stimmen haben die Abgeordneten Mays Brexit-Plan in der stickigen Luft des House of Commons zerrissen.

Wie geht es jetzt weiter? Völlig offen. Der kleingeistige Labour-Chef Jeremy Corbyn hat sogleich das nächste Misstrauensvotum gegen die Premierministerin angekündigt. Schon heute Abend will er darüber abstimmen lassen. Wie es ausgeht, steht ebenso in den Sternen wie die Folgen. Nur eines steht schon jetzt fest: Großbritannien wird sich noch monate-, wohl jahrelang mit sich selbst beschäftigen. Die Wunden, die der Brexit-Prozess gerissen hat, sind so tief, dass sie kaum rasch verheilen werden. Sie klaffen im Parlament, in den Parteien, in der gesamten politischen Kaste, in der Wirtschaft, in der Bevölkerung, wo Nachbarn sich auf offener Straße gegenseitig anbrüllen und zum Teufel wünschen. Eine nationale Katastrophe. That’s how it is.

Aber wo Schatten ist, glimmt immer auch Licht, zumindest ein kleines. Denn ein Großbritannien, das politisch gelähmt ist, kommt auch nicht auf die Idee, andere Länder zu attackieren. Der Einmarsch in den Irak an der Seite der USA, das Bombardement Libyens ohne Folgestrategie: Sicher, man soll Äpfel nicht mit Birnen vergleichen, aber zu solchen außenpolitischen Abenteuern wäre der Londoner Affenzirkus heute gar nicht mehr in der Lage.

Und da glimmt noch ein Licht. Auch viele andere Länder Europas haben in den vergangenen Jahren damit kokettiert, die EU zu verlassen: Grexit, Dexit, Italoexit, Sowienochexit. Angesichts des Brexit-Dramas dürfte jedem halbwegs verantwortungsvollen Bürger klar geworden sein, wie riskant das wäre. Und wie fahrlässig. "Europa ist ein großes Glück, trotz all seiner Probleme", kommentiert unsere Wirtschaftskolumnistin Ursula Weidenfeld. That’s how it is.

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WAS STEHT AN?

Alexis Tsipras hat eine Verwandlung durchgemacht wie kaum ein anderer Politiker unserer Zeit. Gestartet als Rächer der Geknechteten und Gottseibeiuns deutscher Sparfüchse, ist er im Amt zum verantwortungsvollen Staatsmann gereift, der sein Land von Grund auf reformieren will, zu einem verlässlichen Partner der Merkel-Regierung. Einst beschimpfte er sie, heute umarmt er sie. Und die Kanzlerin hat ihn für seinen Reifeprozess gerade mit einem Besuch belohnt.

Doch schon wenige Tage später steht der griechische Ministerpräsident vor dem Aus. Nicht wegen der Schulden, nicht wegen seiner Reformen – sondern wegen Mazedonien. Oder genauer: Nordmazedonien. So soll der nördliche Nachbarstaat künftig heißen, damit er nicht mehr mit der gleichnamigen griechischen Provinz Mazedonien verwechselt werden kann. Nach einem fast 30 Jahre langen, erbitterten Streit hat sich Tsipras mit der Regierung in Skopje auf diese Lösung verständigt. Das ist hinreichend vernünftig, sollte man meinen – doch das finden die Betonköpfe in der Partei der Unabhängigen Griechen gar nicht. In ihren Augen sind sich die beiden Namen immer noch zu ähnlich – weshalb Verteidigungsminister Kammenos zurückgetreten und seine Partei aus der Regierungskoalition marschiert ist. Tsipras musste deshalb im Parlament die Vertrauensfrage stellen. Seit gestern läuft die Debatte, heute Nacht soll abgestimmt werden, und es ist alles andere als sicher, dass Tsipras gewinnt. Vielleicht könnte er mit einer Minderheitsregierung weitermachen, vielleicht nicht. Platzt seine Regierung, gäbe es vorgezogene Wahlen, bei denen sich die Christdemokraten große Hoffnung machen können. In den Umfragen liegen sie vorn. Sie haben allerdings angekündigt, nicht nur den Deal mit Skopje, sondern auch die Spar- und Reformpolitik grundsätzlich zu überprüfen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ein kleinlicher Namensstreit in Südosteuropa könnte dazu führen, dass uns bald wieder ein griechisches Schuldendrama bevorsteht. Wenn Sie das bizarr finden, widerspreche ich Ihnen nicht.

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Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) richtet heute eine Konferenz zum Jemen-Krieg aus. Sie soll die jüngsten Fortschritte bei den Friedensverhandlungen zwischen den Huthi-Rebellen und der von Saudi-Arabien unterstützten Regierung unterstützen. Dass die Saudis ihre Bombardements deshalb schnell beenden, darf bezweifelt werden.

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Erinnern Sie sich noch an den Glyphosat-Streit? Das war vor ungefähr einem Jahr. Damals setzte das EU-Parlament einen Ausschuss ein, der neue Regeln für die Zulassung von Pestiziden definieren sollte. Die hat das Komitee vorgelegt, nun stimmt das Parlament darüber ab. Es wird wohl auf strengere Prüfmechanismen hinauslaufen – allerdings erst ab 2022.

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Die Ditib ist der größte islamische Dachverband in Deutschland – und stark umstritten. Weil sie de facto den Weisungen der türkischen Religionsbehörde unterliegt. Politiker aller Parteien fordern, die politische Einflussnahme aus dem Ausland zu unterbinden, notfalls per Gesetz. Dem will die Ditib zuvorkommen und sich mal eben turbo-reformieren. Wie das aussehen soll? Heute Mittag wissen wir mehr.

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Bundespräsident Steinmeier eröffnet heute die Feiern zum hundertjährigen Jubiläum des Bauhaus. Nein, da geht es nicht um einen Baumarkt. Mit Bauen hat es allerdings eine ganze Menge zu tun.

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Auf einer Digitalkonferenz in Texas begegnete ich vor einigen Jahren einem lustigen Mann. Er hieß Professor Hiroshi Ishiguro, stammte aus dem japanischen Osaka und begann gerade, über seine Forschungen an intelligenten Robotern zu erzählen, da stellte ich fest: Das war ja gar nicht Herr Ishiguro! Das war ja gar kein Mensch! Das Wesen, das da vor dem Publikum redete, das war: ein Roboter. Na gut, bei genauerem Hinsehen entpuppte sich das schwarze Haar als angeklebt, auch klang die Stimme etwas blechern. Trotzdem: Die Kopie ähnelte dem Professor verblüffend – und schien sogar menschliche Regungen zu zeigen. Sie gab schlagfertige Antworten auf Fangfragen, machte Kunstpausen, wenn sie nachzudenken schien und neckte ihr Gegenüber mit Komplimenten. Das war der Moment, in dem ich begriff, dass all die Berichte über Androiden, über menschenähnliche Mischwesen aus Algorithmen, Schaltkreisen und Materie, keine Science-Fiction mehr sind. Im alternden Japan gehören sie längst zum Alltag, dort arbeiten Roboter bereits in Seniorenheimen, plaudern mit den Bewohnern, lesen ihnen vor, kurz: ersetzen andere Menschen. Irgendwann werden sie auch im alternden Deutschland ankommen.

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Wenn Sie jetzt denken: Das ist der Untergang des Abendlandes, damit will ich nichts zu tun haben!, dann gebe ich zu bedenken: Selbst wenn man die Augen vor dem technologischen Fortschritt verschließt – er kommt trotzdem, wie uns die Menschheitsgeschichte zeigt. Deshalb mag es vielleicht doch besser sein, sich dafür zu interessieren und die Entwicklung der Robotik und der künstlichen Intelligenz aufmerksam (und kritisch) zu verfolgen. Heute bietet sich eine gute Gelegenheit dazu: In Tokio öffnet die RoboDex ihre Pforten, Japans wichtigste Roboterschau. Jede Wette: Herr Ishiguro ist auch dabei. Oder jemand, der wie er aussieht.

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Während die Japaner in die Zukunft schauen, schauen wir Deutschen in die Röhre. Oder besser: in die Kabel. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eröffnet heute die Bundeskonferenz Stadt.Land.Digital, auf der es um die "intelligente Vernetzung in Städten und Regionen" gehen soll. Da Deutschland bei diesem Thema gerade erst aus dem Pleistozän erwacht, wäre es vielleicht nicht schlecht, ein paar von Altmaiers Leuten würden sich stattdessen in den Flieger setzen und zur Nachhilfe nach Tokio jetten.

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WAS LESEN?

Wie kommt es, dass rechtsgerichtete und populistische Politiker einen Erfolg nach dem anderen feiern, in den USA, in Israel, in Ungarn? Könnte es sein, dass es dafür neben sozialen, politischen und wirtschaftlichen Erklärungen auch noch einen anderen Grund gibt? Könnte es sein, dass ein, zwei durchtriebene Männer mit einer ebenso brillanten wie perfiden Kampagne Lügen verbreiten, Hass schüren, politische Gegner diskreditieren, zigtausend Menschen an der Nase herumführen? Es klingt abenteuerlich – aber doch, das kann sein. Bei der Lektüre dieses Textes ist es mir kalt den Rücken runtergelaufen.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Die Eiskönigin, Hello Kitty, Minnie Maus, Superman, Transformers: Was haben alle diese Begriffe gemeinsam? Ganz klar: Fahrrad-Deko! Jedenfalls, wenn man in Malakka, Malaysia, mit dem Fahrrad-Taxi fährt – das blinkt, das funkelt, das leuchtet gerne auch mal pink. In Deutschland sind die meisten Taxis beige. Ich würde sagen, da geht noch was. Für 2019: Mehr Malakka!

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