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"Mädchen mit den grünen Augen": Unfreiwillige Berühmtheit? Was aus ihr wurde


Umstrittenes Kriegsporträt
Was aus dem "Mädchen mit den grünen Augen" wurde


Aktualisiert am 17.04.2024Lesedauer: 5 Min.
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Das weltberühmte Porträt von Sharbat Gula: 17 Jahre kannte der Fotograf ihren Namen nicht.Vergrößern des Bildes
Das weltberühmte Porträt von Sharbat Gula: 17 Jahre lang kannte der Fotograf ihren Namen nicht. (Quelle: Anadolu/imago-images-bilder)

Sie ist bis heute bekannt als "Das Mädchen mit den grünen Augen": Sharbat Gula. Ihr Porträt löste weltweit Debatten aus – aber was wurde aus der Afghanin?

Sharbat Gula ist zwölf Jahre alt, als ein Porträt von ihr um die Welt geht. Sie trägt ein rotbraunes Tuch, ihr Blick durchdringt die Kamera. Der Mittelpunkt: ihre intensiv grünen Augen, die weit aufgerissen sind. 1985 ziert das Foto das Cover des Magazins "National Geographic". Der Urheber ist Steve McCurry. Er fotografierte damals Menschen in Pakistan, die aus Afghanistan geflüchtet waren. Darunter auch Gula, die im Flüchtlingslager Nasir Bagh lebte, weil die Sowjetunion ihr Heimatland besetzte.

Gula wurde als das "Afghan Girl" ("afghanisches Mädchen") beziehungsweise "Das Mädchen mit den grünen Augen" bekannt. Ihr Foto sollte das Leid der afghanischen Bevölkerung zu dieser Zeit widerspiegeln. Die Bildunterschrift: "Haunted eyes tell of an Afghan refugee's fears" (zu Deutsch: "Verfolgte Augen erzählen von den Ängsten eines afghanischen Flüchtlings"). Während der Name des Mädchens zum Zeitpunkt der Magazinveröffentlichung nicht bekannt war, gewann McCurry durch das eindrückliche Foto zunehmend an Berühmtheit. Das Bild des geflüchteten Kindes brachte ihm bei Auktionen mehrere Tausend Euro ein.

Aber was wurde aus Sharbat Gula?

"Sie erinnert sich an ihre Wut"

2002 hatte sich Fotograf McCurry mit einem "National Geographic"-Team auf die Suche nach Sharbat Gula gemacht. Auch er wusste damals ihren Namen nicht. In einer weiteren Titelstory berichtete er über die Suche – und wie er Gula schließlich gefunden hatte. Gula lebte inzwischen wieder in Afghanistan.

In einem Interview mit dem Magazin äußerte sich die damals etwa 29-Jährige erstmals zu dem ikonischen Foto – und zu den Umständen, unter denen es aufgenommen wurde. Laut dem Bericht von "National Geographic" erinnerte sich Gula an den Moment, als McCurry sie ablichtete. "Sie erinnert sich an ihre Wut", hieß es in der Reportage. "Der Mann war ein Fremder. Sie war noch nie zuvor fotografiert worden."

Bis sich Gula und McCurry 2002 wiedertrafen, soll sie ihr weltberühmtes Porträt nie gesehen haben. In diesen 17 Jahren war das Foto bereits tausendfach gedruckt worden, auf Mauern gemalt, in Museen ausgestellt. Gula war zur Ikone geworden – während sie vor dem Krieg flüchtete. McCurry sagte damals über das Wiedersehen: "Sie kann nicht verstehen, wie ihr Bild so viele Menschen berührt hat. Sie kennt die Macht dieser Augen nicht."

Kritik an McCurrys Arbeit

Über den Moment der Aufnahme gibt es jedoch unterschiedliche Berichte. Der US-amerikanische Fotograf Tony Northrup kritisierte 2019 in einem YouTube-Video, dass es nicht die Angst vor dem Krieg war, die in Gulas grünen Augen zu lesen war – sondern die Angst vor dem Fotografen Steve McCurry. Northrup zufolge soll es für Gula eine Ausnahmesituation gewesen ein, weil ein fremder Mann Blickkontakt zu ihr herstellte. Sie soll ihr Gesicht zunächst verschleiert haben, als sie ihn sah. McCurry seien jedoch die grünen Augen aufgefallen und er habe Gulas Lehrer um Erlaubnis für ein Foto gefragt.

Für die Aufnahme habe McCurry Gula an einen anderen Ort der Flüchtlingsschule gebracht – mit besserem Licht und geeignetem Hintergrund. "Er posierte sie wie ein Glamour-Foto der 80er-Jahre", kritisierte Northrup in seinem Video, auf das sich das Portal "The Wire" in einem Bericht bezog. "Schulter zur Kamera geneigt, Stirn nach vorne, schönes Licht, um die Augen zu beleuchten, und direkter Augenkontakt – etwas, das sie niemals tun würde", so Northrup.

Lehrer soll Gula überredet haben

McCurrys Anwälte gingen gegen das Video vor, Northrup musste eine Korrektur veröffentlichen, in der er sich auf Aussagen Gulas bezog, die besagten, sie sei inzwischen glücklich über die Veröffentlichung des Fotos. In einem Interview mit FORA.tv sagte McCurry später, dass er Gula nicht habe in Verlegenheit bringen wollen, aber dass er gewusst habe, dass er genau dieses Foto unbedingt machen wollte.

Dem Fotografen zufolge soll der Lehrer Gula "überredet" haben, beim Fotografieren nicht schüchtern zu sein, und ihr gesagt haben, sie solle ihr Gesicht zeigen, damit "die Welt es sieht und ihre Geschichte kennt". Später kursierte ein weiteres Foto von Gula, auf dem sie ihren Mund verschleierte.

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Fotos für Profit?

Zugleich kam Kritik an McCurrys Arbeit auf, weil Gula bis 2002, als ihr Name bekannt wurde, keine finanzielle Beteiligung an der Vervielfältigung ihres Porträts erhalten hatte. Dem Fotografen wurde unter anderem in sozialen Medien Doppelmoral vorgeworfen: Er soll die Bilder der Geflüchteten nicht gemacht haben, um auf das Leid aufmerksam zu machen, sondern um Profit daraus zu schlagen.

McCurry veröffentlichte damals eine neue Aufnahme von Gula, inzwischen Ende 20, die sie in ähnlicher Pose zum ersten Porträt zeigte. "National Geographic" rief wenig später den "Afghan Girl's Fund" ins Leben, um den Zugang von Mädchen zu Bildung zu verbessern. 2022 berichtete die italienische "Repubblica", Gula habe nach dem Treffen 2002 "etwas Geld" erhalten. Wie viel, ist nicht bekannt. Genauso wenig, ob die Afghanin auch heute noch finanzielle Unterstützung erhält. Unterstützer McCurrys betonten jedoch, dass es nicht die Pflicht des Fotografen sei, Gula Geld zukommen zu lassen.

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Gula in Pakistan verhaftet

2016 kam Gula erneut in die Schlagzeilen: Sie war in Pakistan, wo sie sich zwischenzeitlich wieder aufgehalten hatte, verhaftet worden – wegen angeblichen Besitzes falscher Papiere. Sie saß rund zwei Wochen im Gefängnis und wurde dann nach Afghanistan abgeschoben.

Gula gab ihrem weltberühmten Porträt die Schuld für das strenge Handeln der pakistanischen Regierung. Der britischen BBC sagte sie damals: "Das Foto hat mehr Probleme als Vorteile gebracht. Es hat mich berühmt gemacht, aber es hat mich auch ins Gefängnis gebracht." McCurry und das "National Geographics"-Team sollen Berichten zufolge damals Druck auf die Behörden zur Freilassung Gulas ausgeübt haben.

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Nach dem Vorfall sah sie dann doch einen Vorteil in ihrer Berühmtheit. "Davor war ich eine Dorfbewohnerin, ich mochte das Foto und die Medien nicht. Nun bin ich sehr glücklich, dass es mir Ehre gebracht und mich bekannt unter den Menschen gemacht hat. Die Einnahmen durch das Foto haben vielen Witwen und Waisen geholfen. Nun bin ich stolz darauf."

BBC zufolge soll Gula bereits mit 13 Jahren verheiratet worden sein. Sie bekam vier Kinder. Die älteste Tochter und ihr erster Ehemann sind inzwischen verstorben. 2021 wurde die inzwischen Ende 40-jährige Gula im Zuge der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan nach Italien evakuiert.

Im Dezember 2022 äußerte sich Gula im Gespräch mit "Repubblica": "Als die Taliban kamen, war mir klar, dass es für mich schwierig werden würde, zu bleiben: Ich bin in Afghanistan zu bekannt. Mehrere Regierungen haben uns Hilfe angeboten, ich habe mich für Italien entschieden (...)." Dort fühle sie sich willkommen. "Bis jetzt weiß fast niemand, wer ich bin, und für mich ist das in Ordnung", so Gula damals. "Ich fühle mich glücklich." Seither ist es um "Das Mädchen mit den grünen Augen" still geworden.

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