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Innenstädte Deutschlands in der Krise: Was passiert hier?


Tagesanbruch
Was passiert hier?

MeinungVon Camilla Kohrs

Aktualisiert am 15.03.2023Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Galeria Karstadt Kaufhof schließt 52 Filialen: So reagieren die Betroffenen. (Quelle: Glomex)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

gehören Sie zu den Menschen, die Galeria Karstadt Kaufhof hinterhertrauern? Ich nicht. Verstehen Sie mich nicht falsch: Für die Angestellten, die nun um ihren Job bangen, ist es ein Desaster, in das sie unverschuldet hineingeraten sind. Dem Konzept von Deutschlands größter Kaufhauskette an sich aber weine ich keine Träne nach.

Wie bei den allermeisten Deutschen hat sich auch mein persönliches Einkaufsverhalten verändert. Den alltäglichen Krams besorge ich etwa im Internet. Ein neues Ladekabel? Klick, bestellt. Ein Handyvertrag? Klick, abgeschlossen. Socken? Klick, morgen in meinem Briefkasten.

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Nun könnte man über die Vor- und Nachteile des Onlinehandels diskutieren, die Paketflut, die Müllbelastung. Fakt ist allerdings, dass es mir wie vielen Deutschen geht. Mehr als 70 Prozent der Verbraucher in Deutschland kaufen mindestens einmal pro Monat im Netz ein, wie der Digitalverband Bitkom in einer Umfrage feststellte. Kaum vorstellbar, dass diese Entwicklung sich demnächst umkehrt.

Natürlich liegt die jetzige Misere auch daran, dass Galeria Karstadt Kaufhof den Einstieg in den Internethandel verpasst hat. Aber das ist nur ein Teil des Bildes. Denn die Zeiten sind für viele große Ketten rau: Media Markt und Saturn schließen seit Jahren Filialen, H&M ebenso, der Moderiese Peek & Cloppenburg Düsseldorf hat ein Schutzschirmverfahren beantragt. Um nur einige Beispiele zu nennen.

Das sind nicht bloß schlechte Nachrichten für die jeweiligen Firmen und deren Angestellten. Sondern auch für die Innenstädte, zumindest auf den ersten Blick. Denn deren Dreh- und Angelpunkt war in den vergangenen Jahrzehnten die berühmt-berüchtigte Fußgängerzone – die überall gleich aussieht: Ein Karstadt, ein paar Bekleidungsketten, dazwischen Telefonanbieter, Imbisse, die Pizzastücke verkaufen.

Ein trostloser Anblick, den sicherlich auch Sie schon seit Längerem beobachten. Und die Pandemie hat diese Entwicklung noch einmal beschleunigt. Und nun?, möchte man fragen. Lässt sich das noch umkehren oder ist die Innenstadt dem Untergang geweiht?

Die Antwort auf die letzten beiden Fragen lautet: Nein und Nein. Wieso, das erklärt Ihnen Ricarda Pätzold, die beim Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) seit Jahren zur Entwicklung der Innenstädte forscht.

Frau Pätzold, ist die Innenstadt noch zu retten?

Ricarda Pätzold: Auf jeden Fall. Gerade diese enorme Welle der Aufmerksamkeit rund um die Schließungen der Galeria-Kaufhaus-Filialen zeigt doch, wie sehr die Innenstadt vielen am Herzen liegt. Sie ist weit mehr als nur ein strauchelndes Shopping-Paradies. Wo geht man mit Besuch hin, wo trifft man Menschen? Wo ist das Standesamt, in dem man heiratet? Wo wird demonstriert? Natürlich sehen wir, dass einige Funktionen verschwinden, wie etwa Banken. Die Innenstadt bleibt aber der Mittelpunkt der Stadt, an dem sich die Wege Kreuzen, und damit auch ideell wichtig.

Eine ganze Reihe von Ketten schließen derzeit Filialen, die zuvor feste Bestandteile der Fußgängerzone waren. In welche Richtung verändern sich diese Orte?

Dieser Umbau der Innenstädte zur heutigen Form ist eine jüngere Entwicklung. In den vergangenen Jahrzehnten sind viele Fachgeschäfte rausgegangen, dafür kamen große Textilketten. Das war zu Beginn noch etwas Neues, eine Attraktion, aber führte schließlich dazu, dass fast jede Stadt die gleichen Läden hatte. So ein Konzept nutzt sich irgendwann aus und an diesem Punkt sind wir angelangt.

Heißt das im Umkehrschluss, dass die Läden wieder spezialisierter werden müssen?

Das wäre zumindest ein Weg, denn gerade die standardisierten Waren verkaufen sich sehr gut über das Internet. Die Städte haben hier aber nur begrenzte Möglichkeiten, da ihnen die Handelsflächen in der Regel nicht gehören. Von daher appelliere ich an die Unternehmerschaft, kreativ zu werden. Eine funktionierende Innenstadt muss allerdings größer gedacht werden als nur über den Handel, sonst ist sie nach Ladenschluss leer.

Wie?

Der Schlüssel liegt darin, Menschen in die Stadt zu holen. Wenn man Schulen in der Innenstadt hält, könnte das schon helfen, den Eisladen im Sommer und die Schlittschuhbahn im Winter zu finanzieren. Lebendige Wochenmärkte sind ein anderes Mittel, Räume für Beratungsangebote wie etwa Streetworker ein weiteres. Denn auch die soziale Dimension ist wichtig, also die Innenstadt als einen Ort zu etablieren, an dem Menschen aus verschiedenen Wohnquartieren zusammenkommen. Und wir müssen radikal überdenken, was vermeintlich in eine Stadt gehört und was nicht. Warum soll etwa der schönste Spielplatz der Stadt nicht in der Innenstadt liegen?

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Innenstadt von morgen wird also eine andere sein als die City von heute. Das muss nichts Schlechtes sein, denn es öffnet Raum für kreative Möglichkeiten. Das zeigen die Pläne, die einige Städte laut dem Deutschen Städtetag schon für leer stehende Kaufhäuser angeschoben haben.

In Herne etwa sanierte ein Investor ein altes Hertie-Kaufhaus, mittlerweile ist es voll vermietet mit Büros, Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistungen. Lübeck plant, in einem ehemaligen Karstadt-Gebäude Schulräume für die Innenstadt-Gymnasien zur Verfügung zu stellen. Und Saarbrücken baut derzeit ein früheres Kaufhaus in ein Senioren- und Pflegeheim um, inklusive Urban-Gardening-Projekt und Bar auf dem Dach.

Das ist natürlich kein Selbstläufer. Vor allem Städte in Regionen, die durchgehend an Bevölkerung verlieren, werden es schwer haben. Denn ein Konzept kann so gut sein, wie es will: Es ist angewiesen auf die Menschen, die mitgestalten, die Geschäfte aufmachen, die Gastronomie betreiben. Und auf eine öffentliche Kasse, die in der Lage ist, diese Transformation anzuschieben. Ohne wird es nicht funktionieren.

Zum Schluss noch eine Frage an Sie: Was macht für Sie einen idealen Innenstadtbesuch aus? Für mich das: Geschäfte, in denen ich Außergewöhnliches entdecke sowie das ein oder andere Schnäppchen, eine Kneipe mit guter Musik, ein Park, in dem ich die Abendsonne genießen kann.

Sie werden vielleicht ganz andere Vorstellungen haben. Vielleicht sind es für Sie tatsächlich die schnellen Besorgungen. Vielleicht ist es das Café mit Blick auf den Markt, in dem der Kuchen gut schmeckt. Oder es ist der Skatepark, in dem Sie gern Ihre Nachmittage verbringen. Die Bedürfnisse gehen weit auseinander – welcher Ort aber außer der Innenstadt hat das Potenzial, das alles miteinander zu verbinden? Das Internet kann das noch lange nicht.


Daumen drücken für die Bundeswehr

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Es gibt immer wieder Studien, die das bestätigen, was eh jeder annimmt. So verhielt es sich gestern mit der Vorstellung des Wehrberichts. "Die Bundeswehr hat von allem zu wenig", sagte die Wehrbeauftragte Eva Högl da. Kasernen seien teilweise in einem "erbärmlichen Zustand": undichte Fenster, Wasserschäden und zweifelhafte Hygiene in den Küchen. Mit Sorge blickt Högl auch auf den Nachwuchs, denn die Bundeswehr wird im Schnitt immer älter. Eine gute Nachricht gab es noch: Generell sei die Bundeswehr einsatzbereit.

Högls Fazit: Es brauche dringend mehr Tempo in der Modernisierung. Dafür soll nun Verteidigungsminister Boris Pistorius sorgen, der unlängst mehr Geld für die Armee forderte. Högl blieb nur zu sagen: "Ich drücke die Daumen, dass er sich durchsetzt." Das hoffen die Soldaten in den maroden Kasernen wohl auch.


Die Termine

Die Ampel streitet über den Haushalt. Bislang konnten sich die Koalitionäre noch nicht auf die Eckpunkte verständigen, Finanzminister Lindner verschob bereits den Termin. Heute diskutiert das Kabinett erneut, im Anschluss wird Lindner eine Pressekonferenz geben. Mein Kollege Tim Kummert hat die Hintergründe für Sie zusammengetragen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht heute Estland. Im Mittelpunkt steht das Militärische: Er besucht unter anderem eine Luftwaffenbasis, trifft deutsche Soldaten, besichtigt einen Eurofighter in Wartung und tauscht sich anschließend mit dem Staatspräsidenten Alar Karis aus.


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Klimaschützer liefen Sturm, trotzdem ist nun die Genehmigung da: US-Präsident Joe Biden hat neue Ölbohrungen in Alaska genehmigt. Damit bricht er seine Versprechen, berichtet meine Kollegin Sonja Eichert.


Der Hamburger Amokläufer Philipp F. offenbarte in einem Buch seine krude Weltsicht. Doch obwohl es bei Amazon und auf seiner Website erhältlich war, konnte die Hamburger Polizei es nicht finden. Meine Kollegen Carsten Janz und Gregory Dauber haben weitere Details.


Sieg und Niederlage liegen am Oscarabend aus deutscher Sicht nah beieinander. Am Ende bleibt die Erkenntnis einer vergebenen Chance, kommentiert mein Kollege Steven Sowa.


Was amüsiert mich?

Schlimmer geht's immer.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Morgen schreibt Ihnen mein Kollege Tim Kummert.

Herzliche Grüße

Ihre

Camilla Kohrs

Camilla Kohrs
Stellvertretende Politikchefin
Twitter: @cckohrs

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