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Ampelkoalition verliert die Nerven: Wie weit ist ihr Ende entfernt?


Tagesanbruch
Jetzt verlieren sie die Nerven


Aktualisiert am 20.03.2024Lesedauer: 6 Min.
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Robert Habeck, Olaf Scholz, Christian Lindner (v.l.n.r.): Die Ampelregierung verliert die Nerven. (Quelle: IMAGO/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es ist meist schwer zu sagen, wann genau ein Ende seinen Anfang nimmt. Das ist in Regierungen nicht anders als überall sonst im Leben. Oft ist der konkrete Anlass für einen Bruch eher klein und austauschbar. Der eigentliche Grund liegt tiefer.

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Wer noch gezweifelt hatte, kann es in diesen Tagen nicht mehr übersehen: Mit der Ampel geht es zu Ende. Die einzige Frage ist, wie lange das Ende noch dauert. Ob diese Koalition also vor ihrer Zeit zerbricht und noch irgendeinen Anlass dafür findet. Oder ob sie sich bis zur nächsten Wahl weiterquält, und zwar buchstäblich: sich weiter quält. Eine Neuauflage für vier weitere Jahre will niemand mehr ernsthaft.

Wer den Grund für das Ende sucht, der kann den viel zitierten Klassiker nehmen: Die drei Partner passen einfach nicht zueinander. Und es stimmt, SPD, Grüne und FDP ergänzen sich vor allem darin gut, sich in wechselnden Konstellationen gegenseitig zu blockieren. Immer kann irgendjemand eine Grundüberzeugung finden, die leider, leider einen Kompromiss unmöglich macht. Wenn er nur lange genug sucht.

Das Problem an dieser Erklärung: Sie gilt für alle Koalitionen seit Anbeginn der Zeit. Wenn zwei oder mehr Parteien zusammen regieren, werden sie nicht immer einer Meinung sein. Sie werden streiten, mal mehr, mal weniger. Es braucht deshalb mindestens einen weiteren Grund, und der lässt sich in diesem Fall auf ein Datum bringen: den 24. Februar 2022, Putins Angriff auf die Ukraine.

Ohne den Krieg wäre vielleicht nicht alles einfacher gewesen für die Ampel, aber eben doch vieles. Das sagen auch klügere Regierungsmitglieder, und sie haben bei allem selbst verschuldeten Chaos einen Punkt. Krieg ist zuallererst furchtbar für die Menschen, die direkt von ihm betroffen sind, die sterben, verletzt werden, fliehen müssen, Verwandte und Freunde verlieren. Auch für Deutschland wächst die Bedrohung, die Bundesregierung muss damit umgehen. Das ist schwierig genug.

Für die Ampel ist der Krieg aber auch deshalb so folgenreich, weil er ihr genommen hat, womit sie ihre Differenzen vorher gut kaschieren konnte: das Geld. In kürzester Zeit musste sie Milliarden für die Bundeswehr, für Wirtschaftshilfen, für Entlastungen ausgeben. So viel Geld, dass sie nun nicht mehr genug davon hat, um einfach jedem Partner seine Wünsche zu erfüllen. Oder sich nicht mehr genug Schulden dafür gönnen möchte. Spätestens, seit das Bundesverfassungsgericht weitere Milliarden hat verschwinden lassen, reiben sich SPD, Grüne und FDP in Verteilungskämpfen auf. Wer kriegt wofür noch wie viel?

Die Ampel verliert die Nerven. Sie ist endgültig in ihrer "Wildsau"-und-"Gurkentruppe"-Phase angekommen. Sie erinnern sich, Anfang der 2010er-Jahre, als Union und FDP zusammen regierten und sich im ewigen Streit diese Kosenamen gaben. Zimperlich ging es auch zwischen SPD, Grünen und FDP nie zu. Die vielen kleinen und größeren Streits und Blockaden sind immer noch da. Doch seit einigen Tagen ist eine neue Qualität erreicht.

Es ist kein Zufall, dass es dabei auch um die Ukraine geht, vor allem um den Taurus. Es ist nicht mehr nur ein Anton Hofreiter, der seinem Kanzler vorwirft, ein "Sicherheitsrisiko" zu sein, weil der die Marschflugkörper nicht liefern will. Inzwischen gehen so ziemlich alle aufeinander los.

Da ist der zurückhaltende SPD-Außenpolitiker Nils Schmid, der Koalitionskollegen auf einmal "dämlich" nennt, weil sie für den Taurus-Antrag der Union stimmen. Da ist die weniger zurückhaltende FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die den SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich für "verantwortungslos" hält, weil der den Ukraine-Krieg "einfrieren" will, statt Taurus zu liefern. Da ist Rolf Mützenich, der wiederum seine Koalitionskollegen von FDP und Grünen "unredlich" und "bösartig" findet. Da ist die Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger, die im Bundestag sagt, die Grünen ließen sich "auch nicht vom Bundeskanzler" absprechen, dass man sich der Tragweite solcher Entscheidungen bewusst sei. Und da ist Olaf Scholz selbst, der gleich die ganze Debatte für "an Lächerlichkeit nicht zu überbieten" und "peinlich für unser Land" hält, wie er am Dienstag sagte. Wohlgemerkt: Hier spricht ein Kanzler über eine Debatte, die seine eigene Koalition führt.

Es ist nur noch wild.

Interessanterweise sind es die Grünen, die beim Taurus besonders hartleibig bleiben. Einerseits, weil sie eine Lieferung für wirklich wichtig halten, das darf man ihnen glauben. Andererseits aber auch, weil sie der Vorwurf des Kanzlers, dass sie sich um die Risiken zu wenig scheren, wirklich getroffen hat. Es rührt an ihr Trauma, von manchem auch heute noch als die Partei gesehen zu werden, denen man zwar Seeadler und Feldhamster anvertrauen kann, aber nicht Panzer und Haubitzen. Das wollen sie nicht auf sich sitzen lassen. Obwohl sie wissen, dass der Kanzler schwer umzustimmen ist.

Nicht auszuschließen also, dass sich der Streit hochschaukelt und irgendwann irgendjemand irgendwas sagt, das die Koalition zerbrechen lässt. Angesichts der Worte, die sich die Ampel jetzt schon an den Kopf wirft, scheint es aber eher noch mehr zu brauchen für den Bruch. Und so landet man am Ende doch wieder: beim Geld.

Der Haushalt 2025 hat das Potenzial, die Ampel zu sprengen. Nicht nur, weil mehr als 25 Milliarden Euro fehlen und der Ampel deutlich schmerzhaftere Spardebatten drohen als beim vorangegangenen Etat. Sondern auch, weil der Ukraine-Krieg erneut mit reinspielt. SPD und Grüne sind eigentlich schon jetzt dafür, die Schuldenbremse wegen der Kriegskosten erneut auszusetzen. Die FDP ist bislang strikt dagegen. Das Aussetzen könnte wohl einen höheren zweistelligen Milliardenbetrag bringen, was die Verteilungskämpfe entspannen würde. Doch womit lässt sich die FDP überzeugen, dass das wirklich nötig ist?

Am Ende vielleicht nur von einer Frage, die ausnahmsweise sehr wenig mit der Ukraine und sehr viel mit Machtpolitik zu tun hat: Hat die FDP den Eindruck, dass es ihr mehr nützt, mit der Ampel zu Ende zu regieren, als die Regierung vorzeitig zerbrechen zu lassen? Noch scheint die Antwort für die meisten Liberalen "Ja" zu lauten. Bei einer Partei, die um die Fünfprozenthürde kreist, könnte sich das aber schnell ändern. Mit schlechten Ergebnissen bei der Europawahl und den Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen zum Beispiel. Sobald sich jemand vom Bruch mehr erhofft als vom Regieren, kann es rasch vorbei sein.

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Die Koalition aus "Wildsau" und "Gurkentruppe" quälte sich übrigens die ganzen vier Jahre bis zum Ende 2013 weiter. Bis zum bitteren Ende, muss man sagen. Die FDP flog anschließend aus dem Bundestag.


Termine des Tages

Scholz erklärt sich: Vor dem EU-Gipfel hält Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) um 13 Uhr eine Regierungserklärung im Bundestag ab. Es dürfte vor allem um die Unterstützung der Ukraine und den Nahost-Konflikt gehen. Ab etwa 15 Uhr stellen sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) den Abgeordneten in einer Regierungsbefragung.


AfD will Chefposten: Die AfD will vor dem Bundesverfassungsgericht klären lassen, ob sie im Bundestag einen Anspruch auf den Vorsitz in Ausschüssen hat. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.


Fed verkündet Leitzins: Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) entscheidet über den weiteren Kurs in der Geldpolitik. Experten rechnen damit, dass sie den Leitzins weiter stabil halten wird – nämlich bei 5,25 bis 5,5 Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit mehr als 20 Jahren.


Historisches Bild

Für seine Hochzeit zog es John Lennon in die Ferne. 1969 heiratete er Yoko Ono. Mehr lesen Sie hier.


Lesetipps

Nach der Russland-Wahl und angesichts der militärischen Lage in der Ukraine fühlt sich Wladimir Putin in seinem Kriegskurs bestätigt. Dabei hat Russland bisher nicht wirklich etwas gewonnen. Putin freut sich zu früh, schreibt mein Kollege Patrick Diekmann.


Die Gerüchte reißen seit Tagen nicht ab. Wie geht es Prinzessin Kate, wann kehrt sie zurück? Ob der König jetzt eingreifen muss, beantwortet ein Adelsexperte im Interview mit meinem Kollegen Steven Sowa.


Die Nachfrage nach dem Fördergeld zum Heizungstausch ist groß: Binnen drei Wochen hat die KfW schon Tausende Anträge bewilligt, berichtet mein Kollege Florian Schmidt.


Zum Schluss

Morgen schreibt meine Kollegin Camilla Kohrs für Sie. Ich wünsche Ihnen einen schönen Mittwoch.

Ihr Johannes Bebermeier
Politischer Reporter
X: @jbebermeier
Bluesky: @jbebermeier.bsky.social

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Mit Material von dpa.

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