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SPD und Ukraine: Olaf Scholz macht mit Zickzackkurs Wahlkampf


Tagesanbruch
Es gibt auch den anderen Scholz

  • David Schafbuch
MeinungVon David Schafbuch

Aktualisiert am 22.03.2024Lesedauer: 6 Min.
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Olaf Scholz (SPD): In welche Richtung steuert die Partei des Kanzlers? (Quelle: IMAGO/Didier Lebrun/imago)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

manche Entscheidungen können einen wirklich fertigmachen. Oder, um es genauer zu sagen: der Weg dahin. Man kann stundenlang verschiedene Argumente abwägen und trotzdem wirkt keines vielversprechender als das andere. Am Ende steht dann häufig die Einsicht: Keine Lösung ist die beste Möglichkeit, ein Problem auszuräumen. Und doch: Wenn die Entscheidung dann getroffen ist, kann allein das schon befreiend wirken. So, als ob eine Last von einem abfällt.

Die Spitzenfunktionäre von Parteien stehen andauernd vor solch kniffligen Entscheidungen: Wo geht es mit der Partei hin? Welche Werte waren und sind uns wichtig und werden es auch in Zukunft bleiben? Und umgekehrt: Von welchen Ansichten müssen wir uns trennen, weil sie nicht mehr zeitgemäß und erfolgversprechend sind?

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Wer sich Stimmen von SPD-Politikern in den vergangenen Tagen und Wochen anhört, merkt schnell, dass die Partei sich gerade sehr laut viele dieser Fragen stellt. Dabei geht es vor allem um die Außen- und Verteidigungspolitik, mit besonderem Blick auf die Ukraine. Die einen, so scheint es, wollen die Zeit zurückdrehen und die SPD wieder zu dem machen, wofür sie aus ihrer Sicht einst stand: eine "Friedenspartei", angeführt von einem "Friedenskanzler", der Kriege "einfriert" und auf Verhandlungen statt auf Waffen setzt. Andere sprechen dagegen davon, Deutschland wieder "kriegstüchtig" zu machen oder die Ukraine so zu stärken, dass man Russland überhaupt erst an den Verhandlungstisch zwingen kann.

Beides zusammen kann nicht funktionieren. Die SPD und der Kanzler fahren in ihrer Haltung zur Ukraine zunehmend einen Zickzackkurs. Lange geht das nicht gut. Bleibt ein Machtwort aus, haben solche Diskussionen das Potenzial, Parteien schwer zu beschädigen. Die SPD täte deshalb gut daran, diesen Richtungsstreit zu beenden. Doch wer Bundeskanzler Olaf Scholz in diesen Tagen zuhört, muss vermuten, dass diese Richtungsdiskussion nicht so schnell endet. Scholz gibt den Sowohl-als-auch-Kanzler. Nützen wird das am Ende aber weder ihm noch der Partei – und schon gar nicht der Ukraine.

Die Konfliktlinien in der SPD verlaufen in etwa so: Da sind auf der einen Seite etwa der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich oder Ralf Stegner, der im Auswärtigen Ausschuss sitzt. Der Fraktionschef sorgte in der vergangenen Woche für Aufsehen, als er folgende Frage im Bundestag aufwarf: Müsse man in der Ukraine mittlerweile nicht nur darüber sprechen, "wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?". Stegner verteidigte in der Debatte vehement den Kanzler und die Nichtlieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine und beendete seine Rede mit den Worten: "Das gefällt Ihnen nicht, uns schon und Sie werden noch merken, der Bevölkerung auch."

"Einfrieren" mag nach Entspannung, nach Stillstand und Abkühlen der Gemüter klingen. Vergessen wird dabei, dass die Ukraine einen solchen Prozess nach der Annexion der Krim allerdings mit dem Minsk-Abkommen bereits hinter sich hat – und dass die russischen Truppen 2022 den Konflikt nicht nur wieder auftauten, sondern endgültig eskalieren ließen. Der russische Präsident Wladimir Putin machte zudem mehrfach deutlich, dass er nicht von seinen Maximalzielen abweichen wolle – schon gar nicht, wenn die Ukraine aktuell militärisch eher geschwächt ist.

Was die SPD dabei aber auch im Blick hat, sind die aktuellen Umfragen. Erhebungen von ZDF und ARD kamen zuletzt zu dem Ergebnis, dass etwa 60 Prozent der Bürger gegen eine Taurus-Lieferung sind. Innerhalb der Ampelparteien war laut ZDF die Ablehnungsquote bei den SPD-Anhängern am höchsten. Noch wichtiger ist allerdings, dass die Skepsis in Ostdeutschland besonders ausgeprägt ist. Dort also, wo im Herbst in drei Bundesländern Wahlen anstehen. In den Aussagen der beiden SPD-Politiker steckt möglicherweise auch eine gehörige Portion Wahlkampftaktik drin.

Doch es gibt ja auch andere Stimmen in der SPD. Michael Roth etwa, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses. Er entgegnete Mützenich, dass ganz Osteuropa ja mit eingefrorenen Konflikten gepflastert sei, "wie der Norden Sibiriens mit Permafrost". Oder auch Boris Pistorius: Der Verteidigungsminister fordert weiter, die Bundeswehr zu stärken, und antwortete Mützenich, dass ein "Einfrieren" des Konfliktes aktuell nur dem russischen Präsidenten nütze.

Und der Kanzler? Der versucht offenbar den Spagat zwischen beiden Positionen: So lange wie nötig, wird die Ukraine unterstützt, sagte Scholz zuletzt im Bundestag. Auf der internationalen Bühne trommelt er seit einigen Monaten laut dafür, dass auch andere Länder mehr für die Ukraine tun müssten. Deutschland sei ja schließlich hinter den USA das Land, das bisher am meisten getan habe.

Doch es gibt auch den anderen Scholz – der etwa seine Kritiker intern laut "Spiegel" schon als "Bellizisten" beschimpft haben soll. Zuletzt spottete er gar, dass die Taurus-Diskussion in Deutschland "an Lächerlichkeit nicht zu überbieten" sei.

Ob Scholz mit dieser Doppelstrategie Erfolg haben wird, ist fraglich. Von einem Wahlsieg sind die Sozialdemokraten in Brandenburg und Thüringen jedenfalls im Moment weit entfernt. In Sachsen droht gar das Ausscheiden aus dem Landtag. Das ukrainische Militär klagt dagegen immer lauter wegen knapper Munition.

Scholz wird an seiner Strategie wohl trotzdem festhalten. Bei der nächsten Bundestagswahl könnte er sich als der besonnene Kanzler inszenieren, der Deutschland aus dem Krieg herausgehalten hat. Ob das am Ende für ihn persönlich erfolgreich ausgehen wird, kann heute niemand wissen. Inkonsequent bleibt es in jedem Fall. Ein anderer Minister ist in seiner Politik dagegen deutlich stringenter: Vizekanzler Robert Habeck warnte zuletzt, dass Deutschland nicht auf eine Rückkehr des "Landkrieges" vorbereitet sei. Das müsse man jetzt ändern. Es war derselbe Robert Habeck, der sich bereits im Mai 2021 für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen hatte. Damals, rund neun Monate vor Beginn des russischen Angriffskriegs, hagelte es dafür noch jede Menge Kritik.

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Showdown im Bundesrat

Gleich mehrere wichtige Entscheidungen stehen heute im Bundesrat an. Zum einen könnte die Legalisierung von Cannabis heute ihre finale Hürde nehmen. Der Bundesrat muss hier eigentlich nicht zustimmen, kann das Gesetz allerdings noch mal in den Vermittlungsausschuss geben. Spekuliert wird, dass die Regeln dann nicht am 1. April, sondern möglicherweise erst im Oktober in Kraft treten könnten. Unter unseren Lesern wurde die Legalisierung bereits kontrovers diskutiert.

Zudem kommt es zur Abstimmung über das Wachstumschancengesetz. Auch hier ist der Ausgang noch offen, denn die von der Union geführten Bundesländer hatten zuletzt damit gedroht, nicht zuzustimmen, falls die Kürzung beim Agrardiesel nicht zurückgenommen wird.

Zusätzlicher Druck kommt bei dieser Abstimmung erneut von den Landwirten. "Wir erwarten vom Bundesrat volle Unterstützung in dieser Angelegenheit", sagte der Präsident des Bauernverbandes, Joachim Rukwied, vor Beginn des Treffens. Allein ist er mit seinen Forderungen nicht: Zahlreiche Landwirte werden heute wieder in Berlin demonstrieren.


Ohrenschmaus

Heute ist übrigens der Tag des Faulenzens. Falls Sie es etwas entspannter angehen wollen: Dieses Lied würde dazu passen.


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Zum Schluss

Finger weg von den Drogen.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Freitag und einen guten Start ins Wochenende.

Herzliche Grüße

Ihr

David Schafbuch
Stellvertretender Ressortleiter Politik & Wirtschaft

Mit Material von dpa.

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