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Polnische Kampfjets: Luftunterstützung für die Offensive


Ukraine erhält polnische Kampfjets
Luftunterstützung für die kommende Offensive


Aktualisiert am 16.03.2023Lesedauer: 5 Min.
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Die MiG-29: Das Kampfflugzeug ist im Luftkampf noch immer international gefürchtet, wie das Video zeigt. (Quelle: t-online)

Zuvor lautete der Zeitrahmen noch vier bis sechs Wochen. Jetzt will Polen schon in den nächsten Tagen die ersten Kampfjets liefern.

Plötzlich soll alles ganz schnell gehen: Schon in den kommenden Tagen will Polen die ersten Kampfjets an die Ukraine liefern, kündigte der Präsident Andrzej Duda am heutigen Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit seinem tschechischen Amtskollegen Petr Pavel an. Anfang der Woche hatte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki noch davon gesprochen, man könne in den nächsten vier bis sechs Wochen die ersten Jets liefern.

Die Lieferung von Kampfflugzeugen hatte die Ukraine sich schon lange vom Westen gewünscht, weit vor der jüngsten Zusage für Panzer aus Deutschland. Doch was genau kann die Ukraine jetzt erwarten – und was können die Jets ausrichten? Eine Übersicht über die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie viele Kampfjets will Polen liefern?

Konkret geht es bei den Lieferungen um Kampfjets des Typs MiG, die in der Sowjetunion entwickelt wurden. Duda sprach am Donnerstag davon, man könne in den kommenden Tagen vier MiG-29 der Ukraine überlassen. Weitere MiG-29 würden derzeit gewartet und für einen späteren Transfer vorbereitet. Eine entsprechende Entscheidung habe die Führung des Landes getroffen, die Regierung habe daraufhin einen Beschluss verabschiedet.

Wie viele Jets Polen letztendlich liefern wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Der Chef des polnischen Präsidialamtes, Paweł Szrot, sagte dazu am vergangenen Donnerstag lediglich, man werde bestimmt nicht 14 Stück liefern. Diese Zahl entspricht jener der bisher von Polen gelieferten Leopard-Panzer.

Grundsätzlich ist die Forderung der Polen nicht neu: Bereits kurz nach Beginn der russischen Invasion im vergangenen Jahr hatte die Regierung in Warschau ihre Bereitschaft zur Weitergabe von Flugzeugen signalisiert. "Sofort und kostenlos" sei man dazu bereit, alle MiG-Jets den USA zu überlassen, damit die Amerikaner die Flieger von der Militärbasis Ramstein aus in die Ukraine überführen. Im Gegenzug wolle Polen gebrauchte US-Jets mit vergleichbaren Fähigkeiten kaufen. Die USA lehnten den Vorschlag allerdings ab.

Welche weiteren Staaten könnten sich Polen anschließen?

Aus der polnischen Regierung hieß es zuvor, man wolle die Jets nur im Verbund mit anderen Staaten liefern. Ein Sprecher des polnischen Verteidigungsministeriums sagte t-online noch am Mittwoch, dass die Einleitung einer Lieferung "im Rahmen einer breiten internationalen Koalition möglich sei." Betrachtet man die Waffenarsenale der Nato-Staaten, könnten zwei Länder weitere MiG-Jets liefern: die Slowakei und Bulgarien. Während die slowakische Armee 11 Jets besitzen soll, stehen Bulgarien 14 der Jets zur Verfügung.

Der slowakische Verteidigungsminister Jaroslaw Nad hatte bereits im Februar angekündigt, dass sein Land 10 der 11 Jets an die Ukraine liefern könnte. Allerdings ist die aktuelle slowakische Regierung nach einem Misstrauensvotum im vergangenen Dezember nur noch kommissarisch im Amt. Ob eine solche Lieferung durch eine Übergangsregierung von der Verfassung überhaupt gedeckt ist, ist noch unklar. Nad drängte dennoch in der vergangenen Woche darauf, dass seine Regierung jetzt eine Entscheidung treffen müsse. Auf eine entsprechende Anfrage von t-online, ob die Slowakei sich Polen anschließen wolle, antwortete das Verteidigungsministerium nicht.

Aus Bulgarien gab es dagegen eine Absage: Man habe im Moment nicht einmal genügend Jets, um den eigenen Luftraum zu schützen, sagte ein Sprecher des Präsidenten Kiril Petkow kürzlich dem Nachrichtenportal "Politico".

Wo liegen die Schwierigkeit einer solchen Lieferung?

Zunächst liegt ein Problem in der Auslieferung an sich. Sollten etwa westliche Piloten mit den Jets in den ukrainischen Luftraum eindringen, könnte Russland das als direkten Eintritt der Nato in den Ukraine-Krieg werten. Wohl auch deswegen hatte die US-Regierung den ersten Vorschlag Polens im vergangenen Jahr abgelehnt.

Eine weitere Möglichkeit wäre, dass ukrainische Piloten in den Nato-Staaten die Jets in Empfang nehmen, sie dort mit ihren eigenen Abzeichen versehen und sie anschließend selbst in ihr Heimatland fliegen. Doch auch das wäre wohl aus Nato-Sicht riskant: "Das hieße, dass man sein Territorium für eine konfliktführende Partei zur Verfügung stelle", sagte Militärexperte Carlo Masala von der Münchner Universität der Bundeswehr der Deutschen Welle. Am wahrscheinlichsten ist daher eine verdeckte Lieferung, in der nicht ersichtlich ist, wie die Flugzeuge überhaupt in das Land gelangt sind.

Kampfjets aus DDR-Beständen

Zuvor wurde auch darüber spekuliert, dass möglicherweise die Bundesregierung eine Lieferung hätte verhindern können, da zahlreiche polnische MiG-Jets aus alten Beständen der DDR stammen. Sollte Polen diese Jets an ein anderes Land liefern, wäre wie bei den deutschen Leopard-Panzern die Zustimmung Berlins notwendig. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums sagte allerdings t-online am Donnerstag, dass kein entsprechender Antrag aus Polen gestellt wurde.

Insofern ist davon auszugehen, dass die Jets, die jetzt geliefert werden sollen, nicht aus ehemaligen deutschen Beständen stammen. Auch für mögliche weitere Lieferungen habe Polen bisher keinen Antrag gestellt, hieß es aus dem Ministerium. Die polnische Regierung sagte zu t-online am vergangenen Mittwoch, dass die Luftwaffe MiG-Jets aus verschiedenen Quellen besitze.

Als dritter Fallstrick wurde zuvor die Technik in den Kampfflugzeugen genannt: Denn obwohl die Flugzeuge aus der Sowjetunion stammen, wurden die Flieger mittlerweile auf Nato-Standards umgebaut. Möglicherweise müssten Teile der Technik vor der Lieferung ausgebaut werden, um zu verhindern, dass sie im Kampf in russische Hände fallen. Ein kritisches Bauteil ist laut "Spiegel" beispielsweise die Freund-Feind-Kennung der Flugzeuge. Solche Systeme verhindern etwa, dass Flugabwehrsysteme eigene Jets abschießen. Ob es vor der Lieferung zu einer Umrüstung kommt, war zunächst unklar.

Wie stark könnten die Jets der Ukraine wirklich helfen?

An dieser Frage scheiden sich derzeit noch die Geister. "Luftoperationen sind zurzeit kein wesentlicher Teil des Krieges", sagt etwa der Verteidigungsexperte Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im Gespräch mit t-online. Das zeige sich etwa im aktuellen Kampf um Bachmut, der nahezu ausschließlich am Boden geführt wird.

Mölling geht allerdings davon aus, dass sich die Ukraine aktuell darauf vorbereitet, eine neue Offensive zu starten. Bisher hat keine Seite die Hoheit über den ukrainischen Luftraum übernommen. Weitere Kampfjets könnten der Ukraine dabei dann tatsächlich helfen – und dadurch auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, bei einer Offensive größere Landteile von Russland zurückzuerobern. Zudem sind die ukrainischen Piloten mit den MiG-Jets vertraut und benötigen keine größere Schulung. Das bestätigte am Donnerstag auch das polnische Verteidigungsministerium gegenüber t-online. Im eigenen Arsenal sollen sich groben Schätzungen zufolge zwischen 30 und 40 der Jets befinden.

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Bleibt die Frage, ob die Ukraine tatsächlich größere Erfolge erzielen wird, wenn sie nur wenige Jets bekommt. "Um effizient zu helfen, braucht die Ukraine nicht nur Kompanien, sondern Bataillone, größere Einheiten, größere Formationen", hatte der polnische Botschafter Dariusz Pawłoś t-online noch in der vergangenen Woche gesagt. Danach sieht es aktuell allerdings nicht aus.

Auch Christian Mölling sagt: "Je geringer die Zahl, desto weniger ist das eine Wunderwaffe." Man müsse etwa Treibstoff, Wartung und ein Flugfeld gewährleisten, von dem die Piloten sicher starten und landen können.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Schriftliche Antwort des deutschen Verteidigungsministeriums
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