Druck auf ukrainische Truppen Russland setzt auf "dreifachen Würgegriff"

Russland greift ukrainische Truppen jetzt mit einer perfiden Taktik an. Die Angriffe werden in Wellen durchgeführt.
Die russische Armee versucht offenbar, mit einer neuen Taktik an der Front in der Ukraine voranzukommen. Russland setzt die ukrainischen Soldaten an mehreren Frontabschnitten seit Wochen unter Druck. In Kursk haben die Ukrainer das zuvor besetzte Gebiet weitgehend verloren. In anderen Gebieten wird um jeden Meter gekämpft. Russland soll nun eine neue Vorgehensweise in weiten Teilen der Gefechtslinien einsetzen.
Experten sehen Anzeichen dafür, dass russische Truppen in mehrfachen Wellen angreifen, eine in Militärkreisen als "dreifacher Würgegriff" bezeichnete Taktik. Dabei werden zunächst Bodentruppen nach vorn geschickt, um die ukrainischen Soldaten in Gefechte zu verwickeln und festzusetzen. Dann fliegen Drohnen über die gegnerischen Truppen und werfen Minen und andere Sprengkörper ab. Schließlich werden Gleitbomben eingesetzt, um die ukrainischen Verteidigungsstellungen zu treffen, berichtet der britische "Telegraph".
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Bereits im Januar habe es Anzeichen für eine solche Taktik gegeben, so die Zeitung. Die drei Wellen seien nun in mehreren Regionen eingesetzt worden. Das bestätigte auch Serhii Kuzan, Chef des ukrainischen Zentrums für Sicherheit und Kooperation. "Die gesamte russische Armee benutzt diese Dreifach-Strategie", sagte er dem "Telegraph".
Russland hat noch Nachschub an Waffen und Soldaten
Russland hat seit Kriegsbeginn Zehntausende Soldaten verloren, außerdem viele Panzer und Artillerie. Doch noch gibt es, auch durch nordkoreanische Unterstützung, Nachschub an Soldaten. Nachdem Russland auf Kriegswirtschaft umgestellt hat, ist auch die Produktion von Gleitbomben und Drohnen erhöht worden.
So hat Russland die Herstellung von UMPK-Gleitbombenbausätzen (Universal Modular Planning and Correction Kit) erheblich erhöht. Laut dem britischen Thinktank RUSI werden im Jahr 2025 etwa 75.000 dieser Bausätze produziert. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2025 wurden mehr als 10.000 dieser Bomben von russischen Flugzeugen abgeworfen.
Russland hat auch die Produktion von Drohnen, insbesondere der Shahed-136 (in Russland als Geran-2 bezeichnet), gesteigert. Berichten zufolge wurde die monatliche Produktion dieser Drohnen von 500 Einheiten zu Beginn des Jahres 2024 auf 600 Einheiten ab August 2024 erhöht, mit dem Ziel, bis zum Jahresende insgesamt 6.000 Einheiten zu produzieren. Russland hat auch Drohnen wie die Molniya-1 und Molniya-2 entwickelt, die mit einer Reichweite von bis zu 20 Kilometer ukrainische Positionen und Logistikkonvois angreifen können. Außerdem werden Drohnen eingesetzt, die mit Glasfaserkabeln ausgestattet sind und damit unempfindlich gegen Störsender sind.
Experte: "Zermürbende Art der Kriegsführung"
Mit der Dreifach-Taktik kann Russland die ukrainischen Truppen immer weiter in die Enge treiben. "Es ist eine sehr zermürbende Art der Kriegsführung", erklärte Nick Reynolds, Forschungsbeauftragter für Landkriegsführung am Royal United Services Institute (RUSI). "Diese drei Elemente führen zu mehreren Herausforderungen für die ukrainischen Verteidiger. Sie müssen sich durch diese Angriffswelle zunächst in ihre Positionen zurückziehen und werden erheblich in ihrer Bewegung eingeschränkt."
Laut Kuzan hat die russische Taktik Erfolg. Durch immer neue Angriffswellen von Soldaten werden die ukrainischen Truppen zermürbt. Selbst wenn sie den russischen Soldaten standhalten, müssen sie die Angriffe aus der Luft fürchten. Drohnen, die Minen legen, versperren ihnen den Rückzug.
Ukraine muss sich anpassen
"Aufgrund dieser Drohnen ist die Ukraine gezwungen, die Frontlinie mit Verteidigungsstellungen zu besetzen, die durch umfangreiche Täuschungsmaßnahmen, wie großflächige Ausgrabungen, unterstützt werden, um zu verschleiern, wo sich die Truppen tatsächlich befinden", so Experte Nick Reynolds.
"Die russische Produktion und der Einsatz von Gleitbomben und FPV-Drohnen haben im Laufe des Krieges stark zugenommen", erklärte John Hardie, stellvertretender Direktor des Russland-Programms der Foundation for Defence of Democracies, gegenüber dem "Telegraph".
Das Problem: Die Gegenseite kann diese Stellungen dennoch mit Gleitbomben angreifen und zerstören. "Was die ukrainischen Streitkräfte festsetzt, ist die kombinierte Bedrohung durch russische Bodenoperationen, Artillerie und Drohnen, insbesondere FPV und taktische unbemannte Luftfahrzeuge", fügte Reynolds hinzu. Die Kiewer Truppen hätten nur die Wahl, sich einzugraben und bombardiert zu werden oder sich zu bewegen und sich damit Drohnenangriffen auszusetzen.
Offenbar hat sich die Militärführung in Kiew für letzteres entschieden. Truppenverbände sollen sich so oft wie möglich bewegen. Verlegungen sollen so angelegt werden, dass sie schwer vorhersehbar sind. Außerdem setze die Ukraine ebenfalls Mienen ein, um russische Verbände aufzuhalten, so Hardie.
Zwar kann Russland mit seinen Angriffswellen die Ukraine unter Druck setzen, große Geländegewinne gibt es aber nicht. Auch wenn Wladimir Putin vor wenigen Tagen davon sprach, die Oblast Sumy einnehmen zu wollen, ist Russland weit davon entfernt. Eroberungen beschränken sich auf wenige Meter, Straßenzüge und Felder. "Russland fixiert die ukrainischen Streitkräfte, kann aber nicht manövrieren, um ihnen einen entscheidenden Schlag zu versetzen", sagte Hamish de Bretton-Gordon, ein ehemaliger britischer Offizier und Experte für Chemiewaffen, dem "Telegraph".
- thetimes.co.uk: "FPV drones strike fear into Russian forces on Ukraine’s front line" von Anthony Loyd (Englisch, kostenpflichtig)
- rusi.org: "Tactical Developments During the Third Year of the Russo-Ukrainian War" (englisch)
- telegraph.co.uk: "Russia’s triple chokehold tactic is driving Ukraine back" (englisch, kostenpflichtig)
- cepa.org: "Breaking Russia’s Triple Chokehold" (englisch)