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Waldbrände in Brandenburg: Immer wieder zerreißen Explosionen in Beelitz den Wald


Brandenburgs Wälder in Flammen
Immer wieder zerreißen Explosionen den Wald

Von Jannik Läkamp, Beelitz

Aktualisiert am 20.06.2022Lesedauer: 4 Min.
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Einsatzkräfte im Geschehen: Die Retter kämpfen im dichten Qualm gegen die Flammen. (Quelle: t-online)

Hunderte Hektar Wald im Südosten Berlins brennen. Feuerwehrleute, Polizisten und die Bundeswehr kämpfen gegen die Flammen. Ein Ortsbesuch zwischen Qualm und Explosionen.

Dichter Rauch liegt über Treuenbrietzen und Beelitz. Nicht nur der Qualm, auch hektische Betriebsamkeit liegt in der Luft. Hunderte Feuerwehrleute füllen die Ortschaften, sammeln und verteilen sich, planen und ruhen sich aus. Einwohner stehen vor ihren Häusern, beobachten sorgenvoll die Entwicklung der Lage. Immer wieder sind laute Explosionen zu hören, manchmal im Sekundentakt.

Seit Freitag lodern im Landkreis Potsdam-Mittelmark Hunderte Hektar große Waldbrände. Sie sind kaum unter Kontrolle zu bekommen. Die Wälder Brandenburgs sind trocken, durch die Rekordhitze der letzten Tage mehr denn je. Mit insgesamt drei großen Bränden müssen die Retter kämpfen: zuerst in Treuenbrietzen, mit zwei weiteren in wenigen Kilometern Entfernung um Beelitz herum.

Waldbrände in Brandenburg: Winde fachen die Flammen immer wieder an

"Die Lage ist sehr dramatisch und höchst dynamisch", erklärt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke bei einem Pressetermin vor Ort. "Es besteht eine große Gefahr für Leib und Leben." Zusätzlich erschwert wird die Situation vor allem durch zwei Umstände: Zum einen fachen starke, oft die Richtung wechselnde Winde die Flammen immer wieder an – und machen das Feuer unvorhersehbar.

Zum anderen liegen in Brandenburgs Wäldern rund um Berlin noch ungezählte Mengen von Kampfmitteln. Fliegerbomben aus dem Weltkrieg, scharfe Munition von Übungsplätzen der Bundeswehr und NVA. Immer wieder zerreißen krepierende Sprengkörper die hektische Betriebsamkeit im Wald – für die Einsatzkräfte eine unvorhersehbare Gefahr.

Nur gepanzerte Fahrzeuge der Bundeswehr kommen durch

Eine Gefahr, die es an manchen Waldstücken unmöglich macht, zu löschen. Nur von außen und aus der Luft können die Feuerwehrleute dorthin. Zu groß ist die Wahrscheinlichkeit, durch eine Explosion verletzt oder getötet zu werden. Lediglich gepanzerte Fahrzeuge der Bundeswehr können Feuerschneisen in diese Areale schlagen, mehr können die Retter nicht tun.

"Wir reden hier von Zigtausenden Hektar", so Woidke. "Wenn wir die Ausbreitung nicht eindämmen können, sind die Städte und Dörfer in Gefahr." Eine Gefahr, der sich viele Hundert Helfer von Feuerwehr, Bundeswehr und Polizei entgegenstellen. Unterstützt von Hubschraubern und Pionierpanzern versuchen sie, zumindest Teile der Brandenburger Wälder vor den Flammen zu schützen. Manchmal sind die Fluggeräte vor lauter Qualm kaum zu sehen.

Freiwillige Feuerwehrleute seit den frühen Morgenstunden im Einsatz

Am Boden mit dabei: Dirk Schmidt und die freiwilligen Kameraden seines Löschzuges. Aus dem nördlichsten Zipfel Brandenburgs sind sie angereist, um zu retten, was noch zu retten ist. Völlig erschöpft sind sie inzwischen. Seit den frühen Morgenstunden ringen sie mit den Flammen um jeden Baum. Der Einsatz: ihr Leben und ihre Gesundheit. "Man kann nur hoffen, dass man unversehrt rauskommt und heil wieder nach Hause kann", sagt Schmidt, während der Wassertank ihres Löschfahrzeuges neu befüllt wird.

Die abgekämpften Männer nutzen jede ruhige Minute, um sich zu erholen. "Es kann sein, dass der Wind dreht und das Feuer plötzlich hinter dir ist", beschreibt ein Kamerad von Schmidt das Risiko. "Und immer wieder fallen Bäume um, bei der harten Arbeit kriegt man das nicht immer mit." Sisyphusarbeit nennen die Feuerwehrleute das, was sie leisten, denn immer wieder flammt das Feuer durch den Wind auf, erobern die Flammen eigentlich schon gelöschte Gebiete zurück. "Es ist deprimierend." Die größte Hoffnung der Männer: "Regen. Das wäre die Rettung."

Noch nicht alle Anwohner wurden evakuiert

Im Laufe des Abends müssen immer mehr Anwohner ihre Häuser verlassen, Hunderte werden aus den gefährdeten Gebieten evakuiert. Doch noch immer harren einige von ihnen aus, haben noch nicht die Anweisung zur Flucht vor den Flammen bekommen. Einer von ihnen steht zusammen mit seiner Frau an dem Tor der gemeinsamen Einfahrt am Waldrand von Beelitz. Er nennt sich Fredi. Besorgt beobachtet das Paar die Löscharbeiten und den Qualm, der aus dem Wald aufsteigt und die ganze Nachbarschaft vernebelt. "Wir sitzen auf gepackten Koffern", erklärt er.

"Wenn es heißt, raus, dann raus." Doch obwohl einem von dem Rauch bereits die Augen tränen und immer mehr Fahrzeuge der Feuerwehr in das Waldstück am Ende der Straße rasen, kam die Evakuierung noch nicht. Das Wichtigste haben sie zusammengepackt. "Fotoalben, Unterlagen, das Nötigste für zwei bis drei Tage." Ob sie an alles gedacht haben? "Keine Ahnung, so oft wird man ja nicht evakuiert."

72-jähriger Anwohner: "Ich habe Vertrauen in unsere Feuerwehr."

Viele persönliche Erinnerungsstücke müssen zurückbleiben, sobald es losgeht. "Eigentlich müsste man einen ganzen Hänger vollpacken", seufzt Fredi. Während das Paar auf die Evakuierung wartet, dreht der Wind überraschend, trägt den beißenden Qualm fort von ihrem Grundstück. Für einen Moment ist Fredi erleichtert. "Aber das heißt ja nur, dass es jetzt für andere schlimm wird."

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Direkt gegenüber steht Gunter Kursawe im Tor einer Kleingartenanlage. Auch er schaut dem Feuer und den Löscharbeiten zu, gibt sich gelassen. "Wenn's brennt, dann brennt's." Sorgen mache sich der 72-Jährige kaum. "Ich habe Vertrauen in unsere Feuerwehr. Und heute Nachmittag war es noch viel bedrohlicher. Nur wenn die Bäume fallen, wird es schlimm, dann haben wir hier keine Chance."

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Im Hintergrund verrichten mehrere Rasensprenger ihre Arbeit. Falls die Flammen doch kommen, will der Rentner noch alle Parzellen des Kleingartenvereins bewässern. "Ich mache noch alles nass hier, vielleicht hilft es. Es ist so trocken momentan, da reicht ein einziger Funke."

Auch Andreas P. gibt sich gelassen, er habe das Nötigste aus seinem Haus nahe der Beelitzer Brandherde gepackt. "Vor allem Werkzeug und den Firmenwagen muss ich mitnehmen. Der Rest ist versichert." Erst vor wenigen Wochen hat er eine Versicherung abgeschlossen. Eine weise Entscheidung, die ihm jetzt viele seiner Sorgen nimmt, wie er sagt. "Ich kann die Situation eh nicht ändern. Und das eigene Leben ist das Wichtigste."

Dennoch hat er zur Sicherheit alle Gasflaschen auf dem Grundstück weggeräumt, auch wenn er eigentlich keine Angst habe. Denn auch er vertraut auf die Beelitzer Feuerwehr und ihre zahlreichen Unterstützer. Plan B: "Im Notfall fahre ich zu meiner Schwester, ihr Haus steht weit genug vom Wald weg." Doch bevor es so weit kommt, hofft er allerdings auf himmlische Rettung: "Der Regen muss einfach kommen."

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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