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Fall Schlesinger: "Dass es Maulwürfe gibt, zeigt, wie dieses Haus geführt wurde"


Der Fall Schlesinger
"Dass es Maulwürfe gibt, zeigt, wie dieses Haus geführt wurde"

InterviewVon Antje Hildebrandt

Aktualisiert am 31.08.2022Lesedauer: 4 Min.
Interview
Unsere Interview-Regel

Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Die zurückgetretene RBB-Intendantin Patricia Schlesinger (Archivfoto).Vergrößern des Bildes
Die Vorwürfe wegen Gebührenverschwendung und Vetternwirtchaft gegen Patricia Schlesinger (Archivfoto) werden auch intern von einem Investigativteam untersucht. (Quelle: IMAGO/Handelmann)

Der Fall Schlesinger wird auch intern von einem Investigativteam untersucht. Die Journalisten haben es schwerer als die Anwälte.

Um die Trennung der fristlos entlassenen RBB-Intendantin juristisch sauber über die Bühne zu bringen, hat der Sender ein Dutzend Anwälte engagiert. Intern soll der Skandal um Patricia Schlesinger von einem fünfköpfigen Investigativteam aufgedeckt werden.

Auf welche Probleme die Kollegen dabei stoßen und welchem Risiko sie sich dabei selbst aussetzen, darüber hat t-online mit dem mehrfach preisgekrönten Enthüllungsjournalisten Joachim "Jo" Goll gesprochen. Er gilt als Experte auf dem Gebiet des Rechtsextremismus und Islamismus.

t-online: Herr Goll, am Wochenende hat der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow der verbliebenen Senderspitze des RBB das Misstrauen ausgesprochen. Wie haben die Betroffenen darauf reagiert?

Jo Goll: Überwiegend ratlos. Der WDR-Intendant hat leider vergessen mitzuteilen, was passieren soll, wenn die gesamte Geschäftsleitung sich jetzt vom Hof macht und einen Steinbruch hinterlässt. Für die Empörung allerorten – auch in der ARD – über den Zustand des RBB habe ich volles Verständnis. Aber ein konstruktiver Vorschlag würde uns in der gegenwärtigen Situation eher helfen.

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Implizit schwingt da ja die Forderung mit, die Geschäftsleitung möge zurücktreten, weil sie als befangen gilt und sich nicht mit der nötigen Verve an der Aufklärung beteiligt. Versuchen da nur die anderen ARD-Intendanten zu verhindern, dass das Feuer im RBB auch auf ihre Sendeanstalten überspringt? Oder muss die Spitze tatsächlich gehen, um den Weg für eine lückenlose Aufklärung freizumachen?

Unsere Direktoren bezeichnen sich selbst seit Tagen als Sachverwalter auf Zeit. Das heißt: Ihnen scheint klar zu sein, dass es einen echten Neustart im RBB mit ihnen nicht geben kann.

Vor dem brandenburgischen Landtag hatte der Interims-Intendant Hagen Brandstäter letzte Woche noch behauptet, es gebe kein Boni-System. Kurz darauf hat der "Business Insider" "das geheime Bonus-System" enthüllt. Ärgert es Sie, dass das Portal bei der Aufdeckung schneller ist als das interne Investigativteam ?

Na klar ärgert uns das, sonst wären wir keine Journalisten. Allerdings muss ich sagen: Wir waren mit unserer Geschichte zu den Boni fast gleichauf und haben auf "tagesschau.de" auch in Teilen einen neuen beziehungsweise anderen Zugang zum Thema gewählt als das ausgesprochen gut informierte Onlineportal "Business Insider".

Zumindest ist die Tatsache, dass wir mit dieser Recherche nach außen gegangen sind, gut in den anderen Medien aufgenommen worden. Und die Tatsache, dass manche unserer Chefs jetzt endlich bereit sind, von Boni und nicht von "leistungsabhängigen Gehaltsvariablen" zu reden, ist ja schon mal ein Schritt in die richtige Richtung.

Ins Rollen gekommen ist der Fall Schlesinger ja nur, weil unzufriedene Mitarbeiter Informationen geleakt haben. Kennen Sie die Maulwürfe?

Nein, die kenne ich nicht. Dass es sie gibt, zeigt mir aber, wie dieses Haus in den vergangenen Jahren geführt wurde.

Wäre Ihre Arbeit nicht effektiver, wenn Sie mit dem "Business Insider" zusammenarbeiteten?

Ehrlich gesagt haben wir das auch schon erwogen, am Ende war uns der Gedanke dann aber doch zu skurril. Wir müssen jetzt zeigen, dass wir das auch alleine stemmen. Vor allem wollen wir das Signal senden: Wenn sonst auch nicht mehr viel in unserem Sender funktioniert, die journalistischen Reflexe stimmen.

Dem "Tagesspiegel" hat Ihr Kollege Rene Althammer gesagt, es sei gar nicht so leicht, an Unterlagen heranzukommen. Ihnen werde nichts "serviert". Wer versucht denn, Ihre Arbeit zu behindern?

Der Kollege meinte damit, dass wir – wie bei jeder anderen Recherche auch – Fragen von Persönlichkeitsrechten, arbeitsrechtliche und datenschutzrechtliche Belange berücksichtigen müssen. Ich kann sehr gut verstehen, dass solch eine Aussage draußen nicht besonders überzeugend rüberkommt. Aber wir sitzen eben nicht in einem Raum, in den alle vier Stunden ein paar neue Aktenordner geliefert werden, die wir dann "durchackern". Das wäre der Konkurrenz und so manchem hier beschäftigten Mitarbeiter gegenüber nicht fair. Und rechtlich einfach auch nicht haltbar.

Wenn Ihre Mitarbeiter schon nicht so leicht an die erforderlichen Unterlagen herankommen, wie schwer haben es dann die Anwälte?

Die von der noch amtierenden Geschäftsleitung mandatierte Anwaltskanzlei hat vollen Zugriff auf alle Akten und Unterlagen bekommen. Sie ist am Ende der Spitze des Hauses berichtspflichtig. Hier wird alles auf Herz und Nieren geprüft, heißt es. Jetzt beschäftigen sich auf Fragen der Compliance spezialisierte Anwälte und investigative Journalisten mit der Causa Schlesinger/RBB. Doppelt hält besser, würde ich sagen.

FInden Sie das nicht unfair, dass die Anwälte Zugriff auf Akten bekommen, die Ihnen vorenthalten werden ?

Das muss wohl so sein. Ich weiß, Datenschutz klingt nicht so sexy. Aber jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin hat das Recht, dass seine Arbeitsverträge nicht einfach offen gelegt werden.

Haben Sie denn wenigstens volle Rückendeckung für Ihre Arbeit oder müssen Sie selbst damit rechnen, Ihren Job zu verlieren, wenn Sie enthüllen, dass das Ausmaß des Skandals möglicherweise noch viel größer ist als befürchtet?

Wir arbeiten absolut frei, niemand macht uns Vorgaben oder redet uns inhaltlich rein. Wenn das so wäre, würde ich morgen alles hinschmeißen. Alles andere wäre für uns indiskutabel, als Feigenblatt der Aufklärung taugen wir nicht.

Gibt es so etwas wie eine rote Grenze bei der Recherche, und wenn ja, wo verläuft sie?

Klare Antwort: Nein, die gibt es nicht.

Wie wichtig ist es, dass der Skandal lückenlos aufgeklärt wird? Was hängt davon für den RBB ab?

Von einer vollständigen, alles umfassenden Aufklärung hängt die Zukunft dieses Senders ab. Da darf es keine Kompromisse geben.

Herr Goll, herzlichen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Interview mit Jo Goll
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