Prüfberichte im U-Ausschuss Rahmedetal-Brücke: Schwere Schäden lange ignoriert
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prüfberichte dokumentierten über Jahrzehnte den maroden Zustand der A45-Brücke bei Lüdenscheid. Handlungsempfehlungen wurden offenbar ignoriert. Verantwortlichkeiten werden weggeschoben.
Prüfberichte haben jahrzehntelang auf den maroden Zustand der Rahmedetalbrücke der Autobahn 45 hingewiesen. Handlungsempfehlungen wurden von der Autobahn GmbH jahrzehntelang ignoriert – bis die Brücke aufgrund zu massiver Schäden nicht mehr befahrbar war. Das geht aus der vom Hagener Büro Weihermüller und Vogel am 20. Januar 2022 erstellten Schadensanalyse hervor, die t-online vorliegt.
Die Talbrücke an der bundesweit bedeutsamen "Sauerlandlinie" A45 war am 2. Dezember 2021 voll gesperrt worden, nachdem eine Laserscan-Untersuchung eines externen Vermessungsbüros Beulen-Verformungen aufgezeigt hatte.
Das Brückendesaster setzt Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) politisch unter Druck. Recherchen von t-online ergaben, dass ein geplanter Neubau in seiner Zeit als Verkehrsminister verschoben wurde. Im Wahlkampf hatte er dazu irreführende Angaben gemacht. Ein auf Betreiben der Opposition eingesetzter Untersuchungsausschuss versucht deswegen, die Brückenaffäre im Landtag aufzuklären.
Prüfberichte dokumentieren "umfassenden Schadenskatalog"
Laut der Schadensanalyse, die von Bauingenieur Michael Wiedemann erstellt wurde, ergeben über Jahrzehnte hinweg entstandene Prüfberichte einen umfassenden Schadenskatalog. Demnach sind die Ursprünge einzelner Schäden – insbesondere der Korrosionsschäden – "schon in den ersten Jahren nach Fertigstellung der Brücke dokumentiert."
Korrosionsschäden führen zur Beeinträchtigung der Funktion eines Bauteils oder eines ganzen Systems, wie es etwa bei der Rahmedetal-Brücke der Fall gewesen ist.
- "Dehnbares Verhältnis zur Wahrheit": Hendrik Wüsts Brückendebakel
Wiedemanns Analysen zeigen auch auf, dass Rissbildungen an den Beulsteifen bereits ab 1987 erkannt wurden. Genauer unter die Lupe genommen wurden diese nicht, wie aus dem Bericht hervorgeht. So heißt es: "Es liegen keine Unterlagen vor, auf deren Grundlage eine Fortschreibung der Rissbildung möglich wäre." Auch verrostete und gerissene Schweißnähte sowie undichte Entwässerungsleitungen werden laut seiner Analyse fortlaufend als festgestellte Schäden seit 1975 in den Brückenbüchern erwähnt.
Autobahn GmbH: Beulen an der Brücke waren nie bekannt
Bei der ersten Zeugenvernehmung von Dirk Stiepert, Leiter der Außenstelle Hagen der Autobahn GmbH Westfalen, im Oktober hatte dieser laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) ausgesagt, dass eine weitere Belastung der Brücke nach Ansicht aller zurate gezogenen Experten nicht zu verantworten gewesen sei. Weiter sagte er, dass die Beulen an der Brücke nie bekannt gewesen seien. Im Nachhinein sei klar gewesen, dass die marode Brücke früher hätte geprüft werden müssen.
In den Prüfberichten der vergangenen Jahre finden sich etliche Handlungsempfehlungen zu den aufgeführten Schadensmeldungen. So empfohlen die externen Ingenieure bereits 1987: "Beulungen an der Stahlkonstruktion weiter beobachten – bei auftretenden Veränderungen werden Verstärkungen erforderlich." Im Jahr 2005 schlugen die Prüfer eine Erneuerung der Entwässerung sowie eine Erneuerung des gesamten Korrosionsschutzes am Überbau vor.
Die Frage, warum den Empfehlungen für die Instandsetzung nicht nachgegangen wurde und ob darauf konkrete Arbeiten an der Brücke erfolgt seien, liege nicht in seinem Verantwortungsbereich, äußerte sich Bauingenieur Wiedemann am Montag laut dem WDR in der Sitzung der Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag. Ende Januar 2024 geht es im Untersuchungsausschuss weiter.
- Statusbericht Überbau zu den dokumentierten Schäden der Stahlkonstruktion
- Mit Material der dpa
- WDR: "Absolut fassungslos": So kaputt war die Rahmedetalbrücke wirklich