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Dortmund: Das Muster der Grausamkeit gegen Dortmunder Obdachlose


Gewalt gegen Dortmunds Obdachlose
Das Muster der Grausamkeit erschüttert


Aktualisiert am 12.04.2024Lesedauer: 4 Min.
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Ein Obdachloser in einer Kölner U-Bahnstation (Symbolbild): Bei vielen führt die Wohnungslosigkeit in die Alkohol- oder Drogenabhängigkeit.Vergrößern des Bildes
Ein Obdachloser in einer U-Bahnstation (Symbolbild): Vielen Menschen in dieser Situation droht Gefahr in der Öffentlichkeit. (Quelle: Future Image/imago-images-bilder)

Eine Serie brutaler Angriffe versetzt Obdachlose in Dortmund in Unruhe. Mehrere Tote und Verletzte befeuerten zuletzt ihre Ängste.

Die Zahl der Übergriffe auf Obdachlose in Dortmund nimmt offenbar zu. Zuletzt waren mehrere Menschen brutal attackiert worden. Manche überlebten die Angriffe nicht.

Es war vor allem die Nachricht vom 5. April, die für Bestürzung sorgte: Ein gerade einmal 13-jähriger Junge soll einen 31-jährigen Obdachlosen am Dortmunder Hafen erstochen haben. Ein Handyvideo zeigt laut Staatsanwaltschaft, wie der Junge mehrfach mit einem Messer auf den Mann einsticht. Das Opfer verstarb noch vor Ort an seinen schweren Verletzungen. Vier Tatverdächtige wurden kurz darauf festgenommen.

Doch es ist nicht der einzige gewaltsame Übergriff der vergangenen Tage und Wochen: Derzeit ermittelt die Dortmunder Mordkommission wegen der versuchten Tötung einer 72-jährigen obdachlosen Frau. Ihr Nachtlager war Anfang April von Unbekannten in Brand gesetzt worden. Die Frau konnte sich rechtzeitig retten und trug nur eine leichte Verletzung davon.

Ebenfalls bei einem Brand wurde in der Nacht auf Sonntag ein 55-jähriger Mann in einem leerstehenden Gebäude in Castrop-Rauxel unweit von Dortmund verletzt. Der Mann hatte eine Örtlichkeit an der Lönstraße als Schlafplatz genutzt. Er wurde zwar schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt. Doch so glimpflich lief es zuletzt nicht immer ab.

Polizeischuss tötet Obdachlosen in Dortmund

Nur einen Tag zuvor erschoss ein Polizist einen 52-jährigen Obdachlosen nahe der Reinoldikirche in der Dortmunder Innenstadt. Dem Einsatz ging laut Behördenangaben Gewalt voraus: Der Mann soll Passanten mit einer Eisenstange bedroht haben, ehe die tödlichen Schüsse fielen. Der Einsatz von Tasern habe zuvor kaum Wirkung gezeigt, heißt es. Derzeit laufen Ermittlungen.

Zuletzt starb im Oktober 2022 ein 44-jähriger obdachloser Mann in Dortmund wenige Stunden nach einem Polizeieinsatz. Damals war nur ein Taser eingesetzt worden. Die Bodycams der Beamten waren ausgeschaltet. Laut Obduktion litt der Mann an einer schweren Herzerkrankung und stand unter Alkohol- sowie Drogeneinfluss, was möglicherweise zum Tod beigetragen haben könnte. Die Ermittlungen ergaben letztlich jedoch keinen Zusammenhang zwischen dem Taser-Einsatz und dem Tod des Mannes, wie die "Westfälische Rundschau" damals berichtete.

Rechtsextreme Angriffe auf Obdachlose

Im vergangenen Jahr hat eine Gruppe junger Männer aus der rechtsextremen Szene mehrere wohnungslose Menschen im Bereich der Brückstraße in Dortmund tätlich angegriffen. Die Täter sollen den Hitlergruß gezeigt, rechtsextreme Parolen skandiert und ihre Opfer durch Schubsen, Tritte und Schläge verletzt haben. So berichteten "Nordstadtblogger" und WDR damals.

Im Dezember desselben Jahres folgten in Dortmund innerhalb kurzer Zeit zwei versuchte Tötungsdelikte. Die Polizei vermutete einen Zusammenhang – beiden Opfern wurde offenbar mit einem Messer in den Bauch gestochen. In beiden Fällen hat eine unbekannte Person Bargeld von den Obdachlosen gefordert.

Gewalt gegen Obdachlose in Dortmund

Im August 2023 wurde zudem eine 57-jährige Obdachlose an der Ecke Münsterstraße/Mühlenstraße mit einer abgebrochenen Flasche angegriffen und schwer verletzt. "Er stach in Richtung meiner Augen!", sagte das Opfer später den "Ruhr Nachrichten". Der mutmaßliche Täter konnte schnell gefasst werden.

Im Jahr 2021 ist ein Wohnungsloser mit einem heftigen Tritt in die Leber getötet worden. Der am Boden liegende Obdachlose verblutete langsam innerlich. Im selben Jahr griff in Dortmund eine Gruppe junger Männer einen Obdachlosen an und stahl seinen Becher mit Bargeld – 20 Euro. Der Mann erlitt schwere Verletzungen, überlebte aber.

Doch nicht nur in Dortmund kommt es immer wieder zu schweren Gewalttaten gegen Wohnungs- und Obdachlose: Ende vergangenen Jahres ist etwa in Darmstadt ein 57-jähriger Obdachloser nach einem Raubüberfall gestorben. Ein 15-Jähriger soll ihn laut Staatsanwaltschaft mit 70 Tritten getötet haben. Ihm droht nach Jugendstrafrecht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren.

Insgesamt sind im vergangenen Jahr 28 wohnungslose Menschen in Dortmund verstorben. Dabei seien drei der Todesfälle auf Unterkühlungen zurückzuführen, bei vielen anderen Fällen sei die Todesursache aber nicht so klar. Eine große Rolle spiele vor allem der schlechte medizinische Zustand der Menschen auf der Straße, sagte Bastian Pütter, Redaktionsleiter des sozialen Straßenmagazins "Bodo" dem WDR: "Obdachlosigkeit ist erst mal an sich lebensverkürzend. Das ist eine unglaublich belastende Situation auf der Straße."

Unsicherheit unter Wohnungslosen

Aufgrund der vermehrten Gewalttaten gegen Obdachlose macht sich laut Pütter starke Verunsicherung unter Wohnungslosen in Dortmund breit. Sie zeigen Ängste vor ähnlichen Situationen.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) hat seit 1989 mehr als 2.400 nicht-tödliche und 639 tödliche Gewalttaten dokumentiert. Das entspreche im Schnitt 18 tödlichen Übergriffen pro Jahr. Eine Karte des Vereins dokumentiert bundesweite Gewaltdelikte gegen Wohnungslose. Vor allem in Nordrhein-Westfalen zeigen sich auffällig viele Einträge.

Was unterscheidet Wohnungs- von Obdachlosen?

Wohnungslose haben keine eigene Wohnung, sondern leben in Unterkünften wie Heimen, Pensionen oder bei Freunden. Sie sind behördlich gemeldet und beziehen in der Regel Sozialleistungen. In Deutschland gelten rund 678.000 Menschen als wohnungslos.
Obdachlose hingegen leben ohne jegliche Unterkunft auf der Straße, in Parks oder unter Brücken. Sie sind behördlich nicht registriert und erhalten häufig keine Sozialleistungen. Rund 41.000 Menschen in Deutschland gelten als obdachlos. Während Wohnungslose zumindest ein Dach über dem Kopf haben, sind Obdachlose schutzlos der Witterung ausgesetzt. Sie gelten als die am stärksten marginalisierte und verletzliche Gruppe unserer Gesellschaft.

Dunkelziffer von wohnungslosen Gewaltopfern

Die Dunkelziffer von wohnungs- und obdachlosen Gewaltopfern könnte insgesamt allerdings weitaus höher liegen: "Angriffe werden von wohnungslosen Gewaltopfern aufgrund von fehlendem Vertrauen in den Erfolg der Ermittlungsarbeit und vor allem aus Angst vor der Rache der Täter oder anderen Konsequenzen gar nicht erst angezeigt", sagt BAG W-Sprecher Paul Neupert t-online. Zudem nutze der Verein hauptsächlich Presseberichte für die Dokumentation.

Trends oder Entwicklungen von Gewalttaten könne der BAG W aber auch nach den neuerlichen Gewalttaten in Dortmund nicht erkennen. "In den Städten von NRW gibt es auch entsprechend viele wohnungslose Menschen, die potenziell Opfer von Gewalt werden können", so Neupert weiter. Das Leben wohnungsloser Menschen findet größtenteils im öffentlichen Raum statt. "Die Wahrscheinlichkeit, dort Gewalt zu erleben, ist schon deshalb höher als in der Durchschnittsbevölkerung", sagt der Fachreferent der Wohnungslosenhilfe Neupert.

Transparenzhinweis
  • Dieser Text wurde mit maschineller Unterstützung erstellt und redaktionell geprüft. Wir freuen uns über Hinweise an t-online@stroeer.de.
Verwendete Quellen
  • Eigene Artikel bei t-online.de
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