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LKW-Streik: Erste Fahrer erhalten Geld, doch der Protest geht weiter


Lkw-Streik an Raststätte Gräfenhausen
Erste Fahrer erhalten Geld, doch der Protest geht weiter

Von Stefan Simon

Aktualisiert am 17.04.2023Lesedauer: 3 Min.
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Streikende Lastwagenfahrer stehen auf der Raststätte Gräfenhausen. (Quelle: Sebastian Gollnow/dpa)

Seit Wochen streiken Fernfahrer und fordern ihren ausstehenden Lohn. Ihr Protest wirft zudem ein Schlaglicht auf die Schattenseite der Branche – doch können sie tatsächlich etwas verändern?

Die Raststätte Gräfenhausen bei Darmstadt an der A5 ist seit mehreren Wochen Schauplatz eines außergewöhnlichen Protests. Seit dem 20. März haben Lkw-Fahrer ihre Arbeit niedergelegt und fordern seitdem ihren ausstehenden Lohn. Unter ihnen sind überwiegend Fahrer aus Usbekistan und Georgien. Durch ihren Protest kommt die Schattenseite einer Branche zum Vorschein, die nach Angaben der Europäischen Transportarbeitergewerkschaft über 90 Prozent der Fracht innerhalb Europas transportiert.

Wie der Hessische Rundfunk berichtet, haben nun erste Streikende ausstehende Zahlungen ihrer Arbeitgeber erhalten. An diesem Montag sollen die Verhandlungen mit der Spedition um weitere Zahlungen weitergehen, sagt Edwin Atema von der Europäischen Transportarbeitergewerkschaft dem hr. Wie viele Fahrer jedoch Geld erhalten haben, könne Atema nicht sagen. Für ihn stehe fest, dass alle Fahrer so lange an der Raststätte bleiben, bis jeder sein Geld bekommen habe.

Streik von Lkw-Fahrern in Hessen

Seit mehreren Wochen warten die Fahrer bereits auf ihren Lohn von der Firma Mazur. Dort, wo der Großteil der Fernfahrer arbeitet. Mazur ist eine polnische Firmengruppe aus Wawrzeńczyce bei Krakau. Sie gehört zu den größten polnischen Transportunternehmen und besitzt zwischen 1.000 und 2.000 Fahrzeuge, berichtet die Wochenzeitung "Der Freitag". Sie transportieren im Auftrag europäischer Speditionen und Unternehmen Waren durch Westeuropa.

Es sei üblich, dass Speditionen wie Schenker, DHL oder Kühne + Nagel Fuhrfirmen aus Osteuropa beauftragen, die den Transport günstig abwickeln würden, zitiert die Zeitung den Berater Michael Wahl von "Faire Mobilität", einem Projekt des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Möglich ist das durch die europäische Dienstleistungsfreiheit. 2020 wurden etwa 40 Prozent der in Deutschland gefahrenen Lkw-Kilometer durch im Ausland registrierte Fahrzeuge abgewickelt, heißt es.

Fahrer aus Nicht-EU-Ländern werden angestellt, weil diese billiger sind

Um sich vor der Ausbeutung zu schützen, heuern osteuropäische Fahrer inzwischen wegen der besseren Bezahlung bei westeuropäischen Firmen an, sodass die Unternehmen aus Osteuropa Fahrer anstellen, die nicht aus der EU stammen. So wie eben aus Ländern wie Georgien oder Usbekistan. Denn diese Fahrer seien billiger, so Gewerkschafter Wahl.

Viele der Fahrer kennen zudem ihre Rechte nicht und erhalten beispielsweise keinen Mindestlohn, wenn sie durch Deutschland fahren. Doch der steht ihnen laut der EU-Entsenderichtlinie eigentlich zu. Zusätzlich müssen die Fahrer Kosten für Toiletten und Duschen auf den Raststätten selbst zahlen oder sie werden mit den Löhnen verrechnet.

Der Fahrer Vasil Agvinishvili (35) etwa arbeitet seit dem 1. Januar 2022 für die Firma. "Ohne einen Tag Urlaub, jeden Tag im Truck und fast ohne Lohn", sagte er t-online. Seit einem Jahr wartet der Georgier auf die Aufenthaltsgenehmigung. "Jeden Monat heißt es warten. Vom Lohn wurden dafür 1.800 Euro einbehalten. Angebliche Schäden an den versicherten Fahrzeugen werden uns vom Lohn abgezogen und ebenso eine Krankenversicherung, die nirgendwo in Europa anerkannt ist", erzählte er. Das berichten auch weitere Fahrer.

Darüber hinaus besitzen laut "Der Freitag" die meisten der Männer keinen ordentlichen Arbeitsvertrag und sind als Scheinselbstständige angestellt. Ein üblicher Vorgang in der Branche.

Gewerkschaft fordert europäische Institutionen zum Handeln auf

Die Europäische Transportarbeitergewerkschaft fordert unterdessen in einem Schreiben an die europäischen Institutionen und die Internationale Straßentransportunion (IRU), angemessene Löhne und Schutzmaßnahmen für die Fahrer zu garantieren. Zudem fordert die Gewerkschaft ein Ende der Ausbeutung von Drittstaatsangehörigen, die in Europa arbeiten.

"Es ist Zeit für die in diesen Streit verwickelten multinationalen Unternehmen, sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden und die Einhaltung der Vorschriften in ihren Lieferketten sicherzustellen", sagt die Generalsekretärin der Gewerkschaft, Livia Spera.

Sie bezieht sich auf das am 1. Januar 2023 eingeführte Lieferkettengesetz. Es regelt, wie deutsche Unternehmen sicherstellen müssen, dass in ihren globalen Lieferketten sämtliche Menschenrechte eingehalten werden. Das heißt, dass deutsche Unternehmen auch für Menschenrechtsverletzungen, die im Ausland begangen werden, haftbar gemacht werden können. Betroffen sind etwa Kunden der Transportunternehmen wie Ikea, Volkswagen, C.H. Robinson, Lkw Walter und die Spedition Sennder.

Die streikenden Arbeiter haben es durch ihren Protest geschafft, dass Sennder die Zusammenarbeit mit Mazur mit sofortiger Wirkung eingestellt hat. Zuvor erinnerten die Fahrer mit einem Brief, dass wichtige Auftraggeber wie DHL oder Lkw Walter, Verantwortung übernehmen sollen und sich für die Sache der Lkw-Fahrer starkzumachen.

Verwendete Quellen
  • etf-europe.org: Major global brands implicated in blatant violation of drivers’ rights as wildcat strike continues
  • hessenschau.de: Streikende Lkw-Fahrer erhalten erste Zahlungen
  • freitag.de: Lkw-Streik eskaliert auf Raststätte Gräfenhausen: Am untersten Ende der Ausbeutungskette
  • bmz.de: Das Lieferkettengesetz
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