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Protokoll aus Covid-Station: “Bitte stecken Sie sich nicht alle gleichzeitig an”


Protokoll aus der Covid-Station
"Bitte stecken Sie sich nicht alle gleichzeitig an"

Aufgezeichnet von Stefan Simon

Aktualisiert am 27.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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Behandlung eines Corona-Patienten und Cihan Çelik, Oberarzt auf einer Covid-Station (Montage): t-online berichtet der Arzt vom harten Klinikalltag.Vergrößern des Bildes
Behandlung eines Corona-Patienten und Cihan Çelik, Oberarzt auf einer Covid-Station (Montage): t-online berichtet der Arzt vom harten Klinikalltag. (Quelle: Imago/Uniklinik Darmstadt-Montage)

Cihan Çelik ist Oberarzt im Klinikum Darmstadt. Innerhalb weniger Tage verdoppelte sich dort die Zahl der Patienten.

"Ein bescheidener Wunsch aus der Klinik: Bitte stecken Sie sich wenigstens nicht alle gleichzeitig an." Das twitterte vor ein paar Tagen Cihan Çelik. Er ist Leiter der Lungenabteilung, Lungenfacharzt und Oberarzt auf der Covid-Normalstation im Klinikum Darmstadt. Die Reaktionen auf seinen Tweet sind immens. Was er genau mit dem Tweet sagen möchte und wie derzeit die Situation auf der Covid-Station angesichts seit Tagen wieder steigender Infektionszahlen ist, hat er t-online erklärt.

"Innerhalb weniger Tage hat sich die Anzahl der Covid-Patienten seit letztem Wochenende verdoppelt. Wenn ein Großteil der Bevölkerung gleichzeitig aktiv infiziert ist und wie aktuell jetzt in die Millionen geht, dann werden wir viele im Krankenhaus sehen. Auch wenn das Risiko für jedes Individuum klein ist. Daher kam der Impuls an die Bevölkerung: Bitte nicht alle in derselben Woche anstecken, damit wir das Ganze ein wenig staffeln können, wann die Patienten zu uns kommen.

Unser Arbeitsablauf ist aktuell verschärft. Wir arbeiten noch immer nicht im Normalzustand und der ist noch Wochen entfernt. Zwei Normalstationen sind für Covid-Patienten gesperrt. Normalerweise liegen auf diesen zwei Stationen endokrinologische, gastroentorologische und pneumologische Patienten mit unterschiedlichen internistischen Krankheitsbildern. Diese Patienten werden alle auf einer Nicht-Covid-Station, die uns geblieben ist, behandelt.

Wegen Corona-Ausfall: "Eine Woche kein Lungenarzt im Krankenhaus"

Die Konsequenz daraus ist, dass wir immer noch viele Untersuchungen nicht durchführen können und verschieben müssen, weil wir zu wenige Betten und vor allem Personal haben. Zusätzlich fallen durch die Omikron-Variante immer wieder kurzfristig Ärzte und Pflegepersonal aus. Ich bin auch eine Woche ausgefallen, ebenso mein Kollege. In dieser Woche etwa gab es keinen Lungenarzt in der Klinik. Dadurch fielen Abklärungen und Untersuchungen aus.

In den letzten zwei Wochen erlebten wir zwei Peaks. Den einen haben wir hinter uns. Da ging es dann etwas bergab mit der Zahl der Neuaufnahmen. Dann kam der zweite Peak, auf dem wir uns jetzt befinden und der sich, bezogen auf die Inzidenz, auf dem absoluten Höhepunkt befindet. Aber sie gibt nicht die Situation direkt auf der Station wieder. Das hat mehrere Gründe. Die Wahrscheinlichkeit für eine Person auf der Covid-Station mit schwerem Verlauf zu landen, ist geringer geworden. Das liegt an der Impfung und der etwas leichter verlaufenden Omikron-Variante.

Aber bei diesen aktuell hohen Zahlen, haben wir nun das Bild, das wir erwartet hatten. Zum einen haben wir viele Patienten, die zufällig mit Covid abgestrichen wurden und wegen anderer Probleme im Krankenhaus behandelt werden. Wir haben aber auch eine ganze Station voll mit Patienten, die tatsächlich aufgrund ihrer Covid-Symptomatik im Krankenhaus sind.

Arzt Çelik: "Die Inzidenz bei Älteren steigt wieder"

Auf unserer Covid-Schwerpunktstation mit Lungenausrichtung liegen Patienten, die symptomatisch an Covid erkrankt sind. Das sind drei Gruppen, die sich ungefähr gleich verteilen: die Ungeimpften, die durchaus auch etwas jünger sind. Die Älteren, unter denen es jetzt auch zu höheren Inzidenzen gekommen ist. Und die dritte Gruppe sind die Patienten mit schweren Risikofaktoren wie einer Krebserkrankung. Dann gibt es eine interdisziplinäre Covid-Isolierstation. Da liegen Patienten, die wegen eines anderen Grundes im Krankenhaus gelandet sind, aber eben auch mit einer Covid-Infektion.

Man liegt nicht in jedem Fall eindeutig nur mit oder wegen Covid im Krankenhaus. Ein Beispiel: Ein älterer Patient, über 80 Jahre alt, hat viele altersentsprechende gesundheitliche Probleme. Dann infiziert er sich mit Covid und hat einen relativ leichten Verlauf. Dabei verschlechtert sich sein Gesundheitszustand aber doch so stark, dass ein fragiles System kippt und der Patient im Krankenhaus behandelt werden muss, weil sich sein Allgemeinzustand diffus verschlechtert.

Großteil der Patienten auf der Intensivstation ist ungeimpft

Es lässt sich dementsprechend nicht immer sauber trennen. Das führt jedoch dazu, dass am Wochenende unsere Covid-Station wieder vollgelaufen sind. Wir versuchen Patienten mit leichten Verläufen immer zeitnah zu entlassen, weil wir in den nächsten Tagen wieder mehr Patienten erwarten. Auf der anderen Seite haben wir wieder eine vollbesetzte Intensivstation mit Covid-Patienten. Der Großteil dort ist ungeimpft. Und wer dort liegt, benötigt meistens eine Beatmung.

Doch trotz der hohen Infektionszahlen, der kurzfristigen Ausfälle des Personals, ist der aktuelle Peak nicht die gravierendste Phase der Pandemie für uns. Ich bin seit Beginn dabei. Ich habe alle Phasen miterlebt. Die schwierigste Phase war tatsächlich jene, als die Krankheitslast am höchsten war, und das war die zweite Welle im Winter 2020. Es war niemand geimpft. Wir hatten bei fast jedem Patienten Sorge um Leib und Leben.

Jetzt haben wir wieder viele Patienten, aber die allgemeine Krankheitslast und die Gefährdung pro Patient ist deutlich niedriger. Klar, es ist viel zu tun, es schiebt sich einiges auf, aber die innere Anspannung, die wir während der zweiten Welle hatten, war eine andere.

Wir arbeiten heute mit effektiveren Behandlungsmethoden, die wir damals nicht hatten, und natürlich machten wir erhebliche Fortschritte. Und natürlich hat die Impfung alles verändert, schon seit der Deltawelle im letzten Jahr. Das hilft uns jetzt. Wir haben zum Glück gelernt und das kommt uns jetzt zugute. Wenn wir heute noch auf dem Stand von vor zwei Jahren wären, dann würde es jetzt sehr schlimm aussehen."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Cihan Çelik
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