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Hamburger Obdachlose klagt: "Werden durch den Krieg vergessen"


Ex-Obdachloser droht der Rauswurf
"Wir werden durch den Krieg vergessen"

  • Markus Krause, Regio-Redakteur für Hamburg.
Von Markus Krause

Aktualisiert am 18.04.2022Lesedauer: 3 Min.
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Cheyenne mit ihren Hunden "Wardog" (zu Deutsch: Kriegshund) und "Kochanie" (polnisch für Liebling).Vergrößern des Bildes
Cheyenne mit ihren Hunden "Wardog" (zu Deutsch: Kriegshund) und "Kochanie" (polnisch für Liebling). (Quelle: privat)

Mehr als zehn Jahre war eine schwerkranke Hamburgerin bereits obdachlos, nun droht ihr erneut der Rauswurf aus ihrer Wohnung. Sie fühlt sich hilflos und übergangen – und hat große Angst vor der Rückkehr auf die Straße.

Cheyenne Kring ist krank, schwer krank: Sie hat schwere Arthrose und Herzprobleme. Innerhalb eines halben Jahres erleidet sie drei Schlaganfälle. "Vor zehn Monaten habe ich dann einen Defibrillator bekommen", sagt Cheyenne im Gespräch mit t-online. Zurück auf der Straße wäre es hart für sie, das weiß die 55-Jährige. Mehr als ein Jahrzehnt hat sie dort gelebt. Zurück auf die Straße zu müssen – davor hat sie Angst.

"Vor einigen Jahren war ich noch richtig mobil, bin nachts acht Stunden Flaschen sammeln gegangen. Jetzt gehe ich zehn Minuten, dann muss ich mich erst einmal hinsetzen, weil ich Schmerzen habe", sagt sie.

Doch Kring hat Probleme mit ihrem Vermieter. Vor rund einem Jahr ist sie dank ihrer Freundin Martina – einer ehrenamtlichen Helferin von den "Elmshorner Suppenhühnern" – dauerhaft in einer Monteurwohnung in Bilsen bei Hamburg untergekommen.

Vermieter will Hamburgerin offenbar loswerden

Das Zimmer ist 12 Quadratmeter groß und kostet 500 Euro im Monat. Den Großteil davon übernimmt das Jobcenter, sie selbst muss einen Eigenanteil von 21 Euro zahlen. Das sei ihrem Vermieter inzwischen zu wenig geworden, an anderen Zimmern verdiene er zwischen 800 und 900 Euro.

"Er hat mir schon ins Gesicht sagt, dass er für mein Zimmer ja viel mehr kriegen kann", erzählt die 55-Jährige. Deshalb versuche der Vermieter nun, sie dazu zu bringen, zeitnah aus der Wohnung ausziehen.

Bedürftige soll aus Wohnung ausziehen

"Er hat gewusst, dass ich mit Hunden einziehe, und jetzt nach einem Jahr zieht er die Duldung der Hunde zurück", berichtet Kring. Seine Begründung: Die Tiere würden stinken, bellen, und Nachbarn hätten sich beschwert. "Das stimmt nicht", sagt sie.

Ihre Kündigung hat sie am 1. April erhalten. "Da dachte ich noch, das sei ein Aprilscherz." Bis zum Ende des Monats soll sie ausziehen. "Das hab ich meiner Freundin Martina erzählt und sie hat mir dann Kontakt zu ihrem Anwalt vermittelt."

Dieser habe ihr geraten, rechtliche Schritte einzuleiten, sollte der Vermieter weiter gegen sie vorgehen, berichtet Kring. Die Kosten für den Anwalt würde, wenn nötig, Martina übernehmen.

Angst, dass Vermieter die Wohnung aufbricht

Dennoch will sich die 55-Jährige etwas Neues suchen. Sie kann sich vorstellen, dass der Vermieter zu härteren Mitteln greift. "Im vergangenen Jahr bin ich drei Tage nach Hamburg gefahren und als ich wiederkam, stand meine Tür sperrangelweit offen", erzählt Kring.

Ihr Vermieter habe zwar abgestritten, damit etwas zu tun zu haben, und mittlerweile habe sie auch die Schlösser ausgetauscht. Aber: "Wenn ich mal irgendwie zum Arzt muss oder im Sommer wieder auf der Reeperbahn bin und dann wiederkomme, muss ich damit rechnen, dass hier alles offen ist."

Häufige Absagen auf Wohnungsbewerbungen

Deshalb hat die 55-Jährige einen Beitrag in der Facebook-Gruppe "Hilfe für Hamburger Obdachlose" verfasst. Dieser wurde inzwischen über 3.500 Mal geteilt. "Viele hören sich um, aber noch kam nichts dabei heraus", sagt Kring.

Ihr seien verschiedene Wohnungsplattformen vorgeschlagen worden und sie selbst suche auch aktiv, zum Beispiel auf Ebay. Doch wenn sie dann bei den Anzeigenerstellern anrufe, bekomme sie immer wieder zu hören: "Wir nehmen nur Flüchtlinge."

Ex-Obdachlose fühlt sich übergangen

Dass es solche Angebote für Flüchtlinge gibt, findet Cheyenne gut und wichtig. Gleichzeitig sagt sie aber: "Leider werden wir Obdachlosen durch den Krieg vergessen. Wir gehen in dem ganzen Trubel jetzt noch mehr unter."

Das habe sie auch anderswo schon festgestellt. In einem Video, das ihr ein Bekannter geschickt hat, sei zu sehen, wie 100 bis 150 Menschen an der Essensausgabe am Hamburger Hauptbahnhof stehen. "Da sind normalerweise 20 bis 30 Menschen", sagt die ehemalige Obdachlose.

Wohnungssuche mit Hunden gestaltet sich schwierig

Außerdem würden ihre drei Hunde die Suche nach einer neuen Wohnung erheblich erschweren. "Aber mich von ihnen zu trennen, ist für mich undenkbar. Sie sind mein Herz und meine Seele", so Kring.

Abhilfe könnte ein neuer Hilfsansatz der Stadt Hamburg schaffen. Das dreijährige Modellprojekt "Housing First" sieht vor, dass Wohnungslosen ab Juli ungeachtet von psychischen oder Suchterkrankungen ein unbefristetes Mietverhältnis vermittelt wird (Hier lesen Sie mehr dazu). Eine Initiative, die die 55-Jährige gut findet. "Da werde ich mich direkt bewerben", sagt sie.

Denn nach Chemnitz, wo ihr eine Wohnung angeboten wurde, will sie nicht. "Da würde ich sofort anecken", sagt Kring. Deshalb hofft sie, doch noch etwas in Hamburg oder dem Umland zu finden.

Wenn Sie Cheyenne Kring helfen möchten, können Sie sie jederzeit über ihr Profil auf Facebook erreichen.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Cheyenne Kring
  • Material der Nachrichtenagentur dpa
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