t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalHamburg

Hamburg: Prozess um mutmaßliches Autorennen mit tödlichem Ausgang


Raser-Prozess in Hamburg
Zeugen über dramatische Szenen: "Helft mir! Er ist mein Bruder!"


02.05.2022Lesedauer: 4 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Feuerwehrleute sind nach einem Unfall auf der Hamburger Köhlbrandbrücke im Einsatz (Bildmontage): Der Fahrer des Audis steht nun vor Gericht.Vergrößern des Bildes
Feuerwehrleute sind nach einem Unfall auf der Hamburger Köhlbrandbrücke im Einsatz (Bildmontage): Der Fahrer des Audis steht nun vor Gericht. (Quelle: dpa)

Mit mehr als 130 Stundenkilometern sollen sich zwei Männer ein illegales Autorennen in Hamburg geliefert haben. Der Abend endete mit einem Toten und einer Familientragödie. Heute begann der Prozess.

In bedrückender Atmosphäre berichten Zeugen des Unfalls im März 2019 vor Gericht von halsbrecherischer Fahrweise und dramatischen Szenen am Unglücksort. Der Beifahrer und ältere Bruder des Unfallfahrers war dabei ums Leben gekommen. Ein Zeuge berichtet, wie der verunfallte damals 22-Jährige unter Schock um Hilfe gerufen habe: "Helft mir! Er ist mein Bruder!"

Seit diesem Montag müssen sich zwei Männer im Alter von 25 und 29 Jahren vor dem Amtsgericht Hamburg-Harburg wegen eines illegalen Autorennens mit Todesfolge verantworten. Auf der Köhlbrandbrücke war es im März 2019 zu einem schweren Unfall mit einem Auto und zwei Lkw gekommen. Den beiden Angeklagten drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis.

Hamburg: Prozessauftakt nach illegalem Autorennen mit einem Toten

Mit mindestens 138 Kilometern pro Stunde, so hat es ein Sachverständiger errechnet, kam es zur Kollision. Gegen halb elf in der Nacht soll der Fahrer eines silbernen Audi A7 laut Anklage beim Überholen in einer lang gezogenen Linkskurve einen Lkw touchiert und daraufhin die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren haben.

Der Wagen soll auf der Köhlbrandbrücke nach links ausgebrochen und an die Mittelleitplanke gekracht sein, ehe er mit einem zweiten, vorausfahrenden Lkw kollidierte. Ein Zeuge sagte vor Gericht: "Da standen einige Autofahrer, die gesagt haben, dass es nur eine Frage der Zeit war."

Während der laufenden Bergungsarbeiten kamen nach Angaben der Feuerwehr Hamburg mehrere Familienangehörige des Verstorbenen an die Unfallstelle. Wie das "Hamburger Abendblatt" berichtet hatte, sei die Familie später am Abend durch ein Kriseninterventionsteam des Deutschen Roten Kreuzes betreut worden. Dabei habe ein weiterer Bruder die Beherrschung verloren und die Notfallseelsorger bedroht.

Verunglückter Audi wurde bei Unfall schwer beschädigt

Die rechte Fahrzeugseite des verunglückten Audi wurde durch die Wucht des Aufpralls komplett zerstört. Der Beifahrer, der 24-jährige Bruder des Fahrers, erlag noch eingeklemmt im Fahrzeug seinen schweren Kopfverletzungen. Der damals 22-jährige Fahrer wurde leicht verletzt und steht nun vor Gericht. Der 29-jährige Mitangeklagte S. soll sich zuvor ein Rennen mit dem 22-Jährigen C. geliefert haben.

Während die Angeklagten am ersten Prozesstag schwiegen, sagten mehrere Zeugen aus. Mehrere Angehörige des Angeklagten C. und seines verstorbenen Bruders saßen im Zuhörerbereich. Sie verfolgten die mehrstündigen Zeugenaussagen beinahe regungslos.

Lkw-Fahrer schildert tödliches Überholmanöver

"So was kannst du nicht verarbeiten", sagte ein 63-jähriger Kraftwagenfahrer im Zeugenstand. Er sagte aus, von dem Audi A7 mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit überholt und dann an der vorderen linken Seite seines Lkw berührt worden zu sein. "Ich dachte, neben mir landet ein Flugzeug", schilderte der Mann. Kurz darauf habe der verunfallte Fahrer ihn beschuldigt, nicht die Spur gehalten zu haben. Der Lkw sei jedoch mit einem funktionierenden Spurhalteassistenten ausgestattet gewesen.

Am Unfallort, kurz nach der Auffahrt zur Köhlbrandbrücke, galt zum Zeitpunkt des Unglücks Tempo 60. Der Fahrer des Audis mit fast 250 PS soll mit 138 bis 160 Stundenkilometern unterwegs gewesen sein, wie ein Sachverständiger, der die Unfallstelle begutachtet hatte, errechnet hat. Trümmerteile des Audis seien auf einer Länge von 70 Metern verteilt gewesen, zitierte der Richter aus den Ermittlungsakten.

Mehrere Zeugen berichten von gefährlicher Fahrweise vor dem Unfall

Weitere geladene Zeugen waren an dem besagten Abend auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Neben dem am Unfall beteiligten Kraftfahrer schilderten vier Personen ihre Beobachtungen des Abends. Der Tenor: Schon vorher waren der silberne Audi und der schwarze 1er BMW durch rasante Fahrweise aufgefallen.

Zwei Pkw-Fahrer schilderten, wie sie etwa 1,5 Kilometer vor der Unfallstelle von den beiden mutmaßlichen Rennbeteiligten links und rechts mit überhöhter Geschwindigkeit überholt worden seien. Der BMW habe dabei auf einer Linksabbiegespur Richtung Autobahn 7 überholt und sei erst im letzten Moment vor einem VW Passat eines Zeugen wieder eingeschert.

Kurze Zeit später habe er die beiden Fahrzeuge an einer Ampel "wieder getroffen", so einer der befragten Autofahrer im Zeugenstand. Als die Ampel auf Grün geschaltet habe, "haben die beiden alles gegeben". Auch der zweite Autofahrer schilderte, wie der BMW und der Audi nach der Ampel "zügig" losgefahren seien. "Bei Grün sind die losgefegt", sagte der Zeuge.

Raser wurden schon wegen Mordes verurteilt

Zwei weitere Zeugen berichteten von Situationen in den Minuten vor dem tödlichen Unfall, in denen der Audi und der BMW durch überhöhte Geschwindigkeit, riskantes Überholen und häufige Spurwechsel auffällig geworden seien. Die Verteidiger der Angeklagten fragten viele Details zu den einzelnen Situationen ab und brachten die Zeugen mehr als drei Jahre nach der Tat teilweise in Erklärungsnot.

  • Mehr zum Thema: Können Raser Mörder sein?

In der Vergangenheit hatten Prozesse wegen illegaler Autorennen und Raserei immer wieder für Aufsehen gesorgt. Teilweise wurden die zumeist männlichen Raser wegen Mordes angeklagt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte ein Mordurteil nach einem illegalen Rennen in Moers aber auch wieder aufgehoben.

Männer in Hamburg nicht wegen Mordes angeklagt

Die beiden Männer aus Hamburg sind im aktuellen Prozess nicht wegen Mordes, sondern wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung angeklagt.

Wie ein Gerichtssprecher auf Anfrage von t-online erklärte, muss bei einer Mordanklage der mutmaßliche Täter die Gefahr eines tödlichen Ausgangs nicht nur erkennen, sondern den Tod eines Menschen billigend in Kauf nehmen. Davon gehe die Staatsanwaltschaft im Fall Köhlbrandbrücke jedoch nicht aus.

Im Strafverfahren gegen die beiden mutmaßlichen Raser aus Hamburg sind zwei weitere Termine angesetzt. Am nächsten Montag sollen auch zwei Beifahrer aus dem am vermeintlichen Rennen beteiligten BMW sowie ein Polizeibeamter befragt werden. Zentrale Frage in dem Prozess ist, ob die beiden Angeklagten die Absicht hatten, ein Rennen zu fahren.

Verwendete Quellen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website